Auf meine Kritik an den fahrlässigen Heilungsversprechungen von Wolf-Dieter Storl bekommen ich immer wieder mal empörte Mails von überzeugten AnhängerInnen der Kardentherapie. Ich dokumentiere hier eines dieser Mails und antworte auf die darin enthaltenen Aussagen, weil sich hier beispielhaft einige meines Erachtens hoch fragwürdige Grundmuster zeigen, die in der Naturheilkunde leider ziemlich verbreitet sind. Die Auseinandersetzung um diese Punkte scheint mir für die Naturheilkunde wichtig.
Zum Sachverhalt:
In fünf Artikeln habe ich die Heilungsversprechungen von Wolf-Dieter Storl mit zahlreichen fachlichen Argumenten kritisiert. Storl verspricht eine natürliche Heilung von Borreliose ohne Antibiotika-Therapie. Von den Heilpflanzen hält er die Karde für die grosse Borreliose-Heilerin. Fundierte Begründungen oder Dokumentationen dazu haben weder er noch seine AnhängerInnen bisher geliefert. Ich halte diese Versprechungen für hoch riskant, wenn Menschen in frühen Borreliose-Stadien sich entsprechend den Storl‘schen Tipps anstelle einer Antibiotika-Therapie mit Karde behandeln. Während die Borrelien im Frühstadium nämlich mit Antibiotika verhältnismässig sicher ausgeschaltet werden können, wird das in späten Phasen zum Teil schwierig bis unmöglich. Wolf-Dieter Storl als Autor und Peter Wanner als Besitzer des AT-Verlages setzen damit Borreliose-Infizierte einem Invaliditätsrisiko aus.
Wer meine Argumente dazu nachlesen will, findet die Links zu den Texten am Schluss dieses Beitrages.
Aufschlussreich sind nun die Reaktionen der AnhängerInnen von Wolf-Dieter Storl auf diese Kritik. Bisher kam jedenfalls noch keine einzige Reaktion, die konkret auf eines meiner Argumente einging.
(das Mail wurde von mir anonymisiert, ist aber sonst unverändert)
“Sehr geehrter Herr Koradi
ich finde Ihre Aussagen über das Buch von Herrn Storl unverschämt. Herr Storl hat, ebenso wie Sie, eine fundierte Ausbildung. Ich lese zur Zeit dieses Buch und Sie dürfen sicher gehen, dass ich ebenfalls die Karde ausprobieren werde. Es gibt immer mehrere Wahrheiten, nicht nur Ihre, und daher finde ich es vermessen, anderen “gute Ratschläge” zu erteilen, dass das Buch “Borreliose natürlich heilen” die Gesundheit gefährde. Meine Bekannte (Heilpraktikerin) hat ebenfalls ihre Borreliose mit der Karde und Saunabesuchen geheilt. Dafür ist eine sogenannte “wissenschaftliche Beweisung” nicht erforderlich. Vielmehr spricht Bände, wer etwas erlebt und erfährt. Und wer heilt hat immer recht. Die Schulmedizin jedenfalls unterdrückt Symptome, davon bin ich geheilt.
Ich gehe davon aus, dass Sie das Buch von Herrn Storl gelesen haben, dann dürfte Ihnen wohl auch nicht entgangen sein, dass Antibiotika sämtliche Viren, Bakterien usw. mutieren lässt. Das ist eine Tatsache. Ich erlebe es hier im Krankenhaus, wie Menschen damit abgeschossen werden, und die Wirkung der Antibiotika ist und bleibt ebenso umstritten, heilen tut sie auch nicht. Fragen Sie unsere Ärzte und die werden Ihnen bestätigen, dass Antibiotika eben nicht die Borreliose heilt. Das hat sie vielleicht mal vor 20 Jahren getan. Menschliche Grösse hat nur der, der auch neben sich andere Meinungen existieren lässt und nicht ständig versucht, zu dementieren. Vielleicht sollten Sie sich da mal etwas zurücknehmen.
Mit freundlichem Gruss
R. F.
Ich werde mich nun Schritt für Schritt mit diesem Text auseinandersetzen und darauf antworten (M.K.):
“Ich finde Ihre Aussagen über das Buch von Herrn Storl unverschämt.”
Was genau finden Sie unverschämt? Fachliche Kritik? Warum gehen Sie auf keinen einzigen meiner zahlreichen Kritikpunkte ein? – Darf Kritik nicht sein? Ist Kritik unverschämt? Und wo würde Ihre Haltung politisch hinführen, wenn Kritik generell als unverschämt gelten würde?
Oder finden Sie unverschämt, dass ich die Aussagen von Storl verantwortungslos und fahrlässig nenne? Das ist eine ethische Beurteilung auf der Grundlage von Argumenten. Bringen Sie Gegenargumente
Was Wolf-Dieter Storl macht finden Sie offenbar nciht unverschämt: Grossartige Heilungsversprechungen machen ohne fundierte Begründungen. Damit Hoffnungen wecken. Betroffene im Frühstadium einer Borreliose dadurch von einer wirksamen Antibiotika-Therapie abhalten und sie so dem Risiko von Spätschäden aussetzen….das alles scheint für Sie nicht unverschämt zu sein??
(M.K.).
“Herr Storl hat, ebenso wie Sie, eine fundierte Ausbildung.”
Daran habe ich nicht gezweifelt. Allerdings bezeichnet sich Storl ja als Ethnobotaniker. Da dies meines Wissens kein offizieller Titel ist, sagt es wenig aus. Und es stellt sich die Frage, ob ein Ethnobotaniker von seiner Ausbildung her fundierte Kenntnisse über Borreliose und ihre Behandlung hat. Borreliose-Fachleute jedenfalls haben Wolf-Dieter Storl fachliche Schwächen, Irrtümer und Fehlinformationen vorgehalten (Beispiele dafür in meinen Texten, z. B. im Borreliose-Jahrbuch 2006).
Fachleute sind jedenfalls nicht einfach in jedem Gebiet kompetent – ein Ethnobotaniker nicht unbedingt in den Bereichen Medizin und Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Bezüglich der Wirkungen und Anwendungmöglichkeiten von Heilpflanzen zeigt Storl‘s Buch zahlreiche Schwächen, wenn man es am Stand des phytotherapeutischen Wissens misst.
Nun können Sie natürlich sagen: Das phytotherapeutische Fachwissen ist falsch, Storl dagegen hat recht. Das ist aber schon eher unwahrscheinlich, vor allem weil Storl seine Aussagen ohne fundierte Begründungen lässt. Die fachlich-phytotherapeutischen Kritikpunkte finden Sie in meinen Artikeln(M.K.).
“Ich lese zur Zeit dieses Buch und Sie dürfen sicher gehen, dass ich ebenfalls die Karde ausprobieren werde.”
Diese Entscheidung steht Ihnen natürlich frei. Mir ist nur wichtig, dass Borreliose-Infizierte auch Gegenargumente hören können, falls sie dafür offen sind. Und dann abwägen und entscheiden können in Kenntnis dieser Gegenargumente (M.K.).
“Es gibt immer mehrere Wahrheiten, nicht nur Ihre…..”
Komisch: Wenn Sie schreiben, dass es immer mehrere Wahrheiten gibt, dann tönt das, wie wenn es für Sie nur eine Wahrheit gibt, nämlich die, dass es mehrere Wahrheiten gibt….
Ich habe nicht die Idee oder den Anspruch, eine Wahrheit zu haben. Meiner Ansicht nach entwickelt jeder Mensch seine eigene Interpretation der Welt. Keine dieser Interpretationen kann den Anspruch auf Wahrheit erheben. In diesem Sinne gibt es für mich auch nicht mehrere Wahrheiten, sondern nur verschiedene Interpretationen. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass wir nun nicht jeder mit seiner Interpretation auf einer isolierten Insel sitzen bleiben sollten, sondern dass es den Austausch und die Auseinandersetzung über die unterschiedlichen Interpretationen braucht. Nur so können wir einer Wahrheit näher kommen, ohne sie je endgültig zu erreichen. Diese Auseinandersetzung um verschiedene Interpretationen und um eine Annäherung an eine gemeinsame Wahrheit scheint mir eine Voraussetzung für ein Zusammenleben der Menschen. Daraus entsteht eine gemeinsame Basis die fehlt, wenn jeder unberührt von anderen Interpretationen auf seiner Interpretationsinsel (bzw. seiner “Wahrheit”) sitzt.
Wenn Sie von mehreren Wahrheiten sprechen, verwenden Sie den Begriff “Wahrheit” meines Erachtens in sehr ungewöhnlicher Form. Im Begriff “Wahrheit” ist üblicherweise enthalten, dass es nur eine Wahrheit gibt. Nur wie schon gesagt: Ich selber würde den Begriff “Wahrheit” viel vorsichtiger verwenden (M.K.).
“…und daher finde ich es vermessen, anderen ,gute Ratschläge‘ zu erteilen, dass das Buch ,Borreliose natürlich heilen‘ die Gesundheit gefährde.”
Eine kleine, aber nicht unwichtige Nuance, die Sie vielleicht übersehen haben: Ich schreibe nicht, dass das Buch von Storl die Gesundheit gefährde, sondern dass es sie gefährden kann. Ich bin vorsichtiger, als Sie mir unterstellen. Ein Risiko besteht meines Erachtens in zwei Fällen:
– Wenn im Frühstadium, in dem Antibiotika noch helfen würden, eine antibiotische Therapie verpasst und durch Tipps des Wolf-Dieter Storl ersetzt wird. Hier besteht ein Risiko für Spätschäden bis hin zur Invalidität.
– Wenn eine Überhitzungstherapie bei 42°C Körpertemperatur durchgeführt wird, wie Storl es in der ersten Auflage empfiehlt. Hier besteht ein Risiko für die Schädigung wichtiger Körpereiweisse und für Kreislaufzusammenbrüche.
Diese zwei Risikopunkte nehme ich sehr ernst und das habe ich in meiner Kritik so beschrieben (M.K.).
“Meine Bekannte (Heilpraktikerin) hat ebenfalls ihre Borreliose mit der Karde und Saunabesuchen geheilt.”
Genau solche vollkommen vagen Heilungsgeschichten sind mein Hauptkritikpunkt auch am Buch von Wolf-Dieter Storl (aber offenbar haben Sie die Kritik gar nicht gelesen, die Sie so unverschämt finden…). Eine Borreliose zu diagnostizieren ist oft sehr anspruchsvoll. Ich höre in der Naturheilkunde-Szene im Dutzend Geschichten nach folgendem Schema:
Zeckenstich gehabt – Stichstelle entzündet sich – Karde genommen – Entzündung geht weg – Borreliose geheilt – ein Wunder!
Gibt alles strahlende Heilungsberichte der Karde.
Ob wirklich eine Borreliose vorgelegen hat, wurde in der Mehrzahl dieser schönen Anekdoten nie geklärt. Ein Krankheits- und Heilungsverlauf müsste präzis und umfassend dokumentiert und publiziert werden, damit man sich dazu ein fundiertes Urteil bilden könnte. Dazu gehört auch die genaue Diagnose zu Beginn der Krankheit. Wolf-Dieter Storl hat aber noch keine einzige solche Krankengeschichte publiziert.
In der Mehrzahl der Fälle kommt eine Borreliose-Infektion von selber zum Stillstand und der Organismus kann sie überwinden. Vielleicht gehört ja Ihre Bekannte einfach zu diesem grösseren und glücklicheren Teil der Borreliose-Opfer? Warum berücksichtigen Sie dieses Phänomen nicht, wenn Sie von Heilung sprechen. Auch Wolf-Dieter Storl geht an keiner Stelle darauf ein. Darf man diesen zentralen Aspekt einfach unterschlagen und auch diejenigen Fälle als Erfolg der eigenen Karden-Therapie verbuchen, in denen die Selbstheilungskräfte des Organismus für die Heilung verantwortlich sind? Ich finde sehr klar nein! Das ist einer meiner wichtigsten Kritikpunkte an Storl. Und bei chronifizierter Borreliose wird jede Besserung sofort als Erfolg der Karde verbucht, obwohl ein schwankender Verlauf mit Auf-und-Ab‘s für diese Krankheit charakteristisch ist. Verschlechterungen dagegen gelten nie als Versagen der Kardentherapie. Diese einseitige Buchhaltung finde ich langsam zum Schreien.
Hat Ihre Bekannte übrigens wirklich 42°C Körpertemperatur erreicht in der Sauna? – Soviel braucht es ja nach Storl (1. Auflage), damit die Borrelien absterben. In diesem hohen Temperaturbereich stellt sich dann die Frage, wer zuerst stirbt: Der borrelioseinfizierte Mensch oder die Borrelien. Zur Überhitzungstherapie siehe Link unterhalb dieses Textes (M.K.).
“Dafür ist eine sogenannte ,wissenschaftliche Beweisung‘ nicht erforderlich.”
Ich verlange nirgends Beweise, nur eine sorgfältige, vollständige Dokumentation der geschilderten Heilungsgeschichten und eine plausible Begründung (M.K.).
“Vielmehr spricht Bände, wer etwas erlebt und erfährt. Und wer heilt hat immer recht.”
Schon mal etwas davon gehört, dass sich “Erfahrung” auch täuschen kann?
(siehe: Pflanzenheilkunde: „Erfahrung“ allein genügt nicht zur Begründung!
www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/11/07/pflanzenheillkunde-erfahrung-allein-genuegt-nicht-zur-begruendung.html )
“Wer heilt hat immer Recht.” – Das ist ein alter “Kampfspruch” der Naturheilkunde gegen die sogenannte “Schulmedizin”. Er geht meines Erachtens naiverweise davon aus, dass die Heilung immer durch die behandelnde Person bzw. die angewandte Therapie bewirkt wird. Ausgeblendet wird der bei jeder Behandlung mitwirkende Placebo-Effekt, die Möglichkeit der Selbstheilung des Organismus und des schwankenden Verlaufs vieler chronischer Krankheiten. Meines Erachtens ist es auf diesem Hintergrund ziemlich anmassend, jede Besserung sogleich als “Recht-haben” zu interpretieren(M.K.).
“Die Schulmedizin jedenfalls unterdrückt Symptome, davon bin ich geheilt.”
Warum nur werde ich den Eindruck nicht los, dass Sie – auch an dieser Stelle – nur eine “Wahrheit” gelten lassen.
Sie arbeiten in einer Klinik mit Tumorpatienten. Was finden Sie eigentlich schlecht daran, wenn die Schmerzen von Tumorpatienten gelindert werden? Nennen Sie das auch eine Unterdrückung von Symptomen? Zudem scheint mir, dass die von Ihnen verteufelte “Schulmedizin” durchaus auch ursächliche Therapien durchführt. Eine Antibiotikatherapie im Frühstadium einer Borreliose kann Borrelien relativ zuverlässig eliminieren. Keine ursächliche Therapie? Ihre Aussage sieht meines Erachtens danach aus, als würden Sie den Ratschlägen von Wolf-Dieter Storl zutrauen, dass sie die Ursachen behandeln. Was macht Sie da so sicher? (M.K.)
“Ich gehe davon aus, dass Sie das Buch von Herrn Storl gelesen haben, dann dürfte Ihnen wohl auch nicht entgangen sein, dass Antibiotika sämtliche Viren, Bakterien usw. mutieren lässt. Das ist eine Tatsache.”
Auch hier wieder: Warum reiben Sie eigentlich mir unter die Nase, dass es “immer mehrere Wahrheiten” gibt, wenn Sie selber so reden, wie wenn nur eine Wahrheit existiert – nämlich Ihre?
Wir haben ein ernstes Problem damit, dass viele Bakterienstämme Resistenzen gegen verschiedenste Antibiotika entwickeln. Ihre Aussage ist aber sehr absolut. Viren zum Beispiel werden gar nicht mit Antibiotika behandelt. Wie also können Antibiotika Viren mutieren lassen? Bakterien mutieren übrigens von selbst. Dazu braucht es keine Antibiotika (M.K.).
“Ich erlebe es hier im Krankenhaus, wie Menschen damit abgeschossen werden, und die Wirkung der Antibiotika ist und bleibt ebenso umstritten, heilen tut sie auch nicht. Fragen Sie unsere Ärzte und die werden Ihnen bestätigen, dass Antibiotika eben nicht die Borreliose heilt. Das hat sie vielleicht mal vor 20 Jahren getan.”
Wie können Sie in einem Krankenhaus arbeiten, in dem Patienten durch Antibiotika “abgeschossen werden”? – Können Sie das ethisch verantworten?
Auch hier wieder: Mir scheint, Sie kennen nur eine Wahrheit – Ihre. Sie sagen: Antibiotika heilen nicht. Ich sage: Antibiotika heilen in manchen Fällen – zum Beispiel im Frühstadium von Borreliose – in manchen Fällen heilen sie aber auch nicht.
Dass es grundsätzlich Antibiotika gibt, die Borrelien unschädlich machen, ist meines Erachtens sehr gut dokumentiert, zum Beispiel durch die Forschungen von Professor Sievers an der Hochschule Wädenswil. Allerdings gibt es Borreliose-Stadien, in denen das Antibiotikum die Borrelien im Organismus in ihren “Verstecken” kaum mehr erreicht (M.K.).
“Menschliche Grösse hat nur der, der auch neben sich andere Meinungen existieren lässt und nicht ständig versucht, zu dementieren. Vielleicht sollten Sie sich da mal etwas zurücknehmen.”
Schon wieder so eine absolute Aussage (Menschliche Grösse hat nur der…).
Ich bin übrigens durchaus der Ansicht, dass verschiedene Meinungen existieren sollen. Vor meiner fachlichen Kritik an den Versprechungen von Wolf-Dieter Storl hatte es jedenfalls nur seine Meinung dazu im Internet und diejenige seiner AnhängerInnen. Nun gibt es auch eine andere Meinung zu diesem Thema und die Leute können sich eine eigene Meinung bilden. Sie müssten sich doch eigentlich freuen, wenn ich meine andere Meinung publiziere. Warum also werfen Sie mir das vor? (M.K.)
Untenstehend mein Antwortmail an Frau F., abgeschickt noch vor den detaillierten Antworten im obigen Abschnitt (M.K.).
Sehr geehrte Frau F.
Ich bin sehr erstaunt von Ihnen zu hören, dass die Ärzte in Ihrer Klinik Antibiotika als unwirksam gegen Borrelien bezeichnen. Wie Sie meinen storl-kritischen Texten entnehmen können, geht es mir vor allem um die Borreliose im Frühstadium. In dieser Phase halte ich eine antibiotische Therapie für wichtig. Wer sich statt dessen auf die Empfehlung von Wolf-Dieter Storl und seine Kardentinktur verlässt, geht meines Erachtens ein Risiko für Spätschäden ein, wenn er oder sie nicht das Glück hat, zu derjenigen Gruppe zu gehören, bei der die Krankheit auch ohne Behandlung zum Stillstand kommt.
Können Sie mir die E-mail-Adressen der entsprechenden Ärzte senden, damit ich um eine Stellungnahme zu dieser Frage ersuchen kann?
Andernfalls werde ich einfach direkt an die Klinikleitung schreiben.
Freundliche Grüsse
Martin Koradi
“Sehr geehrter Herr Koradi,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Ich habe kürzlich mit einer Ärztin gesprochen, die meiner Meinung war, und die das von mir gezeigte Buch von Herrn Storl interessant fand und zum überlegen brachte. Ich habe dann mit ihr privat aufgrund meiner Ausbildung ein Gespräch bezüglich dieses Themas geführt. Sie dürfen davon ausgehen, dass die Ärzte hier in der Klinik mit Rücksicht auf ihre Stellungen und Arbeitsplätze nicht mit Ihnen in Kontakt gehen werden.
Mein Anschreiben an Sie war aus meinem persönlichen Interesse und vielen jahrelangen Erfahrungen mit der Naturheilkunde entstanden. Und ich (54 Jahre) nehme seit ca 35 Jahren keine Antibiotika und erfreue mich eines guten Immunsystems. Die letzte Antibiotikaeinnahme erfolgte bei mir als junge Frau und ich hatte eine Nierenbeckenentzündung. Seit dieser Einnahme hatte ich daraus resultierende nachfolgen, wie z.B. erhebliche intermittierende Pilzinfektionen über 30 Jahre hinweg und alles, was sich danach an Bakterien andockte. Erst die Homöopathie und die Naturheilkunde (mit dem höheren Bewusstsein, wie sie eben von Herrn Storl geschildert wird) haben mir mit Hilfe meiner Heilpraktikerin und vielen Blutdunkelfelduntersuchungen meine jetzige Gesundheit wiedergebracht. Nun habe ich leider das Pech gehabt, im Sommer von 2 Zecken angefallen worden zu sein und seitdem habe ich die zugehörigen Symptome der Borreliose. Ich gebe mich nicht in die Hände der Schulmedizin, weil ich dann um die vielen aggressiven Untersuchungsmethoden fürchte, nur um der Wissenschaft Willen, “damit man es weiss auf schwarz hat”. Ich werde die gleiche Methode bei mir durchführen, die meine Heilpraktikerin nach dem Buch von Herrn Storl an sich mit positivem Ergebnis durchgeführt hat, und ich weiss schon jetzt, dass dies gelingt – und das ohne das Bewusstsein, dass dies gefährlich sei. Ausserdem habe ich in schon mehrfacher, von mir gelesener Literatur, auch von Schulmedizinern geschrieben, erfahren, dass Antibiotika nicht mehr die gewünschten Wirkungen zeigt, wie sie es vor ca. 40 – 50 Jahren tat. Und ich bezweifle auch in meinem Fall, dass dies helfen wird. Ich baue ja nicht mein Immunsystem über Jahre hinweg mit viel trinken, Entgiftungen und Entschlackungen, Vitaminen sowie Mineralstoffen auf, um es dann mit Hilfe von Antibiotika zu zerstören. Die danach resultierenden Folgen nach dieser Einnahme sind für mich schlimmer, als die Borreliose-Symptome, die ich bis jetzt habe. Ich könnte Ihnen in ca. 3 Monaten darüber berichten, wenn Sie Interesse hätten.
Ich finde nur nicht gut, wenn alles, was für andere Menschen die Wahrheit ist, ständig dementiert wird. Das scheint in Deutschland so üblich zu sein, dass alles niedergemacht wird, was man selbst noch nicht erlebt hat. Ich werde es durchleben und dann wissen.
Mit freundlichen Grüssen
R. F.
Ich werde mich nun mit diesem Mail wieder Schritt für Schritt auseinandersetzen (M.K.):
“Ich habe kürzlich mit einer Ärztin gesprochen, die meiner Meinung war, und die das von mir gezeigte Buch von Herrn Storl interessant fand und zum überlegen brachte.”
Worin genau war die Ärztin Ihrer Meinung? Etwas “interessant finden”, das kann einfach Höflichkeit sein (M.K.).
“Sie dürfen davon ausgehen, dass die Ärzte hier in der Klinik mit Rücksicht auf ihre Stellungen und Arbeitsplätze nicht mit Ihnen in Kontakt gehen werden.”
Verstehe ich Sie richtig: Die Ärzte in Ihrer Klinik halten Antibiotika bei Borreliose für wirkungslos, trauen sich aber nicht, das öffentlich zu sagen, weil sie sonst entlassen werden? Eigentlich sind also alle auf Ihrer Seite, nur sind sie so unterdrückt, dass sie ihre Meinung nicht äussern dürfen? Verkennen Sie da nicht vielleicht etwas? Warum haben Sie mir geschrieben, dass ich die Ärzte Ihrer Klinik fragen könne und dass diese mir bestätigen würden, dass Antibiotika bei Borreliose nicht wirken? (M.K.)
“Die letzte Antibiotikaeinnahme erfolgte bei mir als junge Frau und ich hatte eine Nierenbeckenentzündung. Seit dieser Einnahme hatte ich daraus resultierende nachfolgen, wie z.B. erhebliche intermittierende Pilzinfektionen über 30 Jahre hinweg und alles, was sich danach an Bakterien andockte.”
Na ja, immerhin scheint Ihre Niere dank Antibiotika die Infektion unbeschädigt überstanden zu haben. Ohne Antibiotika kann so was bös enden.
Dass Antibiotika temporär zum Beispiel die Döderleinbakterien in der Vagina zerstören können und sich aus der darausfolgenden Dysbalance im Scheidenmilieu Pilzinfektionen ergeben können ist bekannt. Dass Sie aber über 30 Jahre hinweg Pilzinfektionen und allenfalls bakterielle Erkrankungen auf diese eine Antibiotika-Therapie zurückführen, scheint mir eine sehr gewagte Interpretation. Meines Wissens gibt es keine plausiblen Hinweise, dass die Behandlung einer Nierenbeckenentzündung das Immunsystem schädigt – und dies dann noch über 30 Jahre. Woher haben Sie diese Vorstellung? (M.K.)
“Erst die Homöopathie und die Naturheilkunde (mit dem höheren Bewusstsein, wie sie eben von Herrn Storl geschildert wird) haben mir mit Hilfe meiner Heilpraktikerin und vielen Blutdunkelfelduntersuchungen meine jetzige Gesundheit wiedergebracht.”
Meinem Eindruck nach knüpfen Sie sehr rasch scheinbar eindeutige Zusammenhänge im Sinne von Ursache und Folge:
Antibiotika – als Folge davon 30 Jahre lang immer wieder krank.
Homöopathie, (höhere) Naturheilkunde, Blutdunkelfelduntersuchung – aktuelle Gesundheit.
Was macht Sie so sicher bezüglich dieser Zusammenhänge? Legen Sie die Zusammenhänge nicht vielmehr entlang Ihrer vorbestehenden Überzeugungen?
Aufschlussreich finde ich immer wieder, wie konsequent sich esoterisch angehauchte Menschen auf eine höhere Ebene phantasieren. Wozu brauchen Sie eigentlich diese Vorstellung vom höheren Bewusstsein? Was passt Ihnen nicht auf der Horizontalen mit all den anderen, gewöhnlichen Menschen? Zu langweilig? Zu komplexes Zusammenleben? Zu viele Konflikte? – Wie schön, wenn man sich da in ein höheres Bewusstsein absetzen kann (M.K.).
“Ich gebe mich nicht in die Hände der Schulmedizin, weil ich dann um die vielen aggressiven Untersuchungsmethoden fürchte, nur um der Wissenschaft Willen, ,damit man es weiss auf schwarz hat‘.”
Wer hat Sie so einseitig indoktriniert? Ihre Heilpraktikerin? Meiner Ansicht nach sind Sie gegen-abhängig von der “Schulmedizin”.
Es gibt Leute, die sind vollkommen abhängig von der Medizin und glauben, schlucken und tun alles, was diese anbietet und vorschlägt. Und es gibt Leute die sind gegen-abhängig, weil sie unter keinen Umständen etwas annehmen können, was die Medizin für nötig erachtet. Gegen-abhängige sind genauso wenig frei wie abhängige. Beide können nicht wählen, was ihnen selber und ihrer Situation am angemessensten ist. Sie müssen sich ja nicht einfach allen aggressiven Untersuchungsmethoden unterwerfen. Sie können als mündige Patientin doch mitreden und wählen. Abgesehen davon, dass ich gar nicht sehe, was für aggressive Untersuchungsmethoden in der Borreliosediagnostik denn drohen würden. Woher kommt dieses hohe Bedrohungsgefühl? Wer hat Ihnen das eingeredet? So sind Sie doch nicht auf die Welt gekommen? (M.K.)
“Ich werde die gleiche Methode bei mir durchführen, die meine Heilpraktikerin nach dem Buch von Herrn Storl an sich mit positivem Ergebnis durchgeführt hat, und ich weiss schon jetzt, dass dies gelingt – und das ohne das Bewusstsein, dass dies gefährlich sei.”
Wie schon in der Antwort auf Ihr erstes Mail erwähnt: Ihr Schluss von einer Besserung auf eine Wirkung der Storl‘schen Ratschläge scheint mir sehr vorschnell. Und die Vorstellung, dass eine bestimmte Behandlung mit Garantie wirkt, ist meines Erachtens immer fragwürdig. Das läuft auf eine Art von Heilungsgarantie hinaus und spricht eher für eine Idealisierung einer Methode. Der Mensch und seine Krankheiten sind viel zu komplex, als dass es Heilungsgarantien geben könnte (M.K.).
“Ausserdem habe ich in schon mehrfacher, von mir gelesener Literatur, auch von Schulmedizinern geschrieben, erfahren, dass Antibiotika nicht mehr die gewünschten Wirkungen zeigt, wie sie es vor ca. 40 – 50 Jahren tat.”
Ja, manche Antibiotika wirken gegen bestimmte Keime nicht mehr. Das ist ein ernsthaftes Problem. Aber manche Antibiotika wirken gegen manche Keime immer noch. Warum interpretieren Sie so einseitig? (M.K.)
“Ich baue ja nicht mein Immunsystem über Jahre hinweg mit viel trinken, Entgiftungen und Entschlackungen, Vitaminen sowie Mineralstoffen auf, um es dann mit Hilfe von Antibiotika zu zerstören.”
Ich würde sehr bezweifeln, ob man mit viel trinken, Entgiftungen (welche Gifte genau?) und Entschlackungen (was für Schlacken genau?), Vitaminen sowie Mineralstoffen sein Immunsystem aufbauen kann. Das Thema “Entgiften & Entschlacken” ist meines Erachtens eine Medikalisierung. Uns wird eingeredet, dass wir voller Gifte und Schlacken sind, damit wir uns behandlungsbedürftig fühlen. Nur so kann man uns allezeit therapieren. Aber erklären Sie mir doch mal, welche Gifte und was für Schlacken Sie ausgeleitet haben, damit Ihr Immunsystem stark wird. Und dass Vitamin- und Mineralstoffpräparate in den meisten Fällen mehr schaden als nützen, sollte sich inzwischen eigentlich herumgesprochen haben.
Dass Bakterien gegen bestimmte Antibiotika resistent werden können, ist ein reales Problem. Dass Antibiotika ihr Immunsystem zerstören würden, müssten Sie mir erst noch plausibel machen. Dafür haben ich bisher keinen glaubhaften Hinweis gefunden. Auch hier wieder: Woher kommt diese Angst? Wer hat Sie so einseitig indoktriniert? (M.K.)
“Die danach resultierenden Folgen nach dieser Einnahme sind für mich schlimmer, als die Borreliose-Symptome, die ich bis jetzt habe. Ich könnte Ihnen in ca. 3 Monaten darüber berichten, wenn Sie Interesse hätten.”
Haben Sie sich mal genauer über die möglichen Langzeitfolgen der Borreliose informiert? Vielleicht ändert sich Ihre Einschätzung, wenn Sie mal etwas in Borrelioseforen nachlesen, womit Borreliose-Infizierte sich herumschlagen müssen.
Ich wäre grundsätzlich sehr interessiert an Ihrem Bericht. Allerdings müssten Sie dabei ein paar Grundregeln beachten, damit er aussagekräftig ist:
1. Es braucht ein genaue Diagnose. Ist es überhaupt Borreliose? Diese Diagnose ist oft schwierig sicher zu stellen. Sie müssten mir auch Laborwerte liefern. Damit soll ausgeschlossen werden, dass eine allfällige Besserung auf das Konto von Kardentinktur verbucht wird, obwohl es sich gar nicht um eine Borreliose gehandelt hat (passiert laufend, diese Verwechslung).
2. Es braucht einen genau protokollierten Krankheitsverlauf inklusive allfälliger Begleitmedikation. Was haben Sie sonst noch alles gemacht oder eingenommen?
3. Ein Bericht nach drei Monaten ist nicht aussagekräftig. Spätere Stadien der Borreliose können nach langer Zeit erst auftreten. Daher bräuchte ich einen Bericht nach drei Monaten, sechs Monaten, einem Jahr, zwei Jahren, fünf Jahren, zehn Jahren.
4. Falls Sie irgendwann den Eindruck haben, geheilt zu sein, wäre eine genaue Abschlussuntersuchung nötig, inklusive Laborwerten. Bei chronischen Verläufen ist es normal, dass man sich zwischen durch besser oder gar gesund fühlt.
Links zur fachlichen Kritik an den Heilungsversprechungen von Wolf-Dieter Storl:
Fahrlässig-riskante Überhitzungstherapie bei Borreliose
www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/10/01/fahrlaessig-riskante-ueberhitzungstherapie-bei-borreliose.html
Weitere Beiträge zur Debatte:
Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 1
www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/11/06/pflanzenheilkunde-hoch-fragwuerdige-esoterische-theorien-ein-beispiel.html
Karde & Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 3
www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/12/11/karde-borreliose-therapie-nach-wolf-dieter-storl-beitraege-zur-debatte-3.html
Karde & Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 4
Karde & Borreliose-therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 5:
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch