Wolf-Dieter Storl nimmt in einem Interview Stellung zu meiner Kritik am seinem meines Erachtens riskanten Buch „Borreliose natürlich heilen“ (2007). Er tut dies in gewohnter Weise, wenn es um das Thema Borreliose geht: fantasiereich und faktenfrei. Ein Lehrstück. Nachfolgend finden Sie eine Replik auf dieses Interview.
Link zu meiner detaillierten fachlichen Kritik an den Heilungsversprechungen von Wolf-Dieter Storl finden Sie ganz am Schluss dieses Beitrages.
Zuerst die entsprechende Passage als Ganzes im Interview auf der Website
http://www.blue-moon-coven.net/artikel/storl/interview.htm vom 22. 10. 2008.
Weiter unten folgt dann meine Auseinandersetzung mit den einzelnen Aussagen von Wolf-Dieter Storl.
Interviewer: Wie gehst Du mit der Kritik zu Deinem Buch über die Borreliose um, zum Beispiel mit der von Martin Koradi vom “Seminar für Integrative Phytotherapie”?
Storl: „Martin Koradi … eigentlich kann sich jeder so einen Briefkopf machen und so ein Institut gründen. Er ist selbst unter Phytotherapeuten umstritten. Er ist ein reiner Materialist, für ihn zählen nur die Wirkstoffe. Seine Kritik ist nicht richtig sachlich. Zum Beispiel hat er mich angegriffen, weil ich sage, dass Antibiotika nicht helfen. Das habe ich nicht gesagt – ich habe nur gesagt, wenn man zu spät – und meistens merken es die Leute zu spät, dass sie infiziert sind – mit der Antibiotikabehandlung beginnt, dass diese dann nicht wirkt. Dann hat er geschrieben, wenn sie meinen Ratschlägen folgen, dass die Patienten sich der Gefahr einer lebenslangen Invalidität aussetzen. Nun, mittlerweile ist dies anerkannt. Ein internationales “Ad hoc Komitee für Lime Disease” (Borreliose), bestehend aus den medizinischen Koryphäen aus Yale, Harvard, Oxford und so weiter, fast 100 Leute, hat festgestellt, dass bei chronischer Borreliose Antibiotika nicht helfen, sondern sich bei langfristiger Anwendung schädlich auswirken. Der Vorwurf, dass die Leute bei der Überhitzungstherapie sterben würden, bei 42 Grad Celsius, das wäre nur der Fall bei chronischen Herz-/Kreislaufkranken, Epileptikern. Diese Temperatur wird erreicht in den meisten Schwitzhütten oder japanischen Bädern. Diese Wärme können die Borrelien nicht ertragen. Dies ist auch die Grundlage der Syphilis-Kur der Indianer, die überaus erfolgreich war – Schwitzhütte zusammen mit einem pflanzlichen Reiniger, zum Beispiel Sarsaparilla (Stechwinde). Syphilis ist ja sehr nah verwandt mit der Borreliose. Ich verwende eher hier wachsende Pflanzen und doch hat sich die Karde angeboten. Koradi macht da Behauptungen und spielt sich auf. Er hat eigentlich keine richtigen Qualifikationen. Für ihn sind Pflanzen nur tote Behälter von Wirkstoffen.
Zum Beispiel sagte er, dass es ein Experiment an der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich gab und da wurde die Kardentinktur auf eine Borrelienkultur getropft. Die Borrelien seien nicht gestorben, sondern sie wurden danach sogar noch munterer. Erst mal glaube ich, dass es dieses Experiment gar nicht gab, denn die Borrelien lassen sich nicht “in vitro” züchten, also man kann sie nicht in einer Petrischale züchten. Sie brauchen einen lebendigen Wirt. Deswegen sind sie so schwer zu untersuchen. Und zweitens, wenn es überhaupt der Fall gewesen wäre, was ich anzweifle, dann ist das noch längst kein Beweis, denn töten heißt nicht unbedingt heilen. Ich vermute, dass die Karde so wirkt wie es Brennnesseljauche bei der Bekämpfung der Blattläuse macht – sie ändert das Milieu. Die Brennnesseljauche tötet die Blattläuse nicht, sondern verändert die energetische Umgebung, so dass sich die Blattläuse nicht mehr wohlfühlen und “abziehen”. Das scheint im Fall der Karde auch so zu sein. Es gibt ja auch bei einigen Borreliose-Patienten eine “Herksheimer Reaktion”, das heißt die Borrelien sterben ab und die Reaktion ist dann auf die Toxine und auf die “Trümmer”, die diese Borrelien hinterlassen. Wenn das vorbei ist, geht es den Patienten gut. Ich habe hunderte von Rückmeldungen von Betroffenen erhalten, die richtig dankbar sind. Ich persönlich bin ja auch dankbar, ich habe dieses Buch ja nur geschrieben, weil ich mich selbst mit diesen Methoden geheilt habe – ich hatte ja selber Borreliose. Aber der Koradi hat da überhaupt kein Standbein. Ich weiß gar nicht, warum er so wütend reagiert – es sei denn er will sich eben profilieren.“
Nun die Auseinandersetzung mit den einzelnen Aussagen:
Interviewer: Wie gehst Du mit der Kritik zu Deinem Buch über die Borreliose um, zum Beispiel mit der von Martin Koradi vom “Seminar für Integrative Phytotherapie”??
Storl: Martin Koradi … eigentlich kann sich jeder so einen Briefkopf machen und so ein Institut gründen.
Ja, das stimmt, kann jeder machen. Genau so wie jeder ein Borreliose-Buch schreiben kann, ohne fundierte Ausbildung in diesem Bereich. Genau so wie jeder sich Ethnobotaniker nennen kann. Sagt alles noch nichts über Qualität aus. Storl geht nicht auf die fachliche Kritik ein, sondern versucht offensichtlich, stattdessen den Kritiker zu diffamieren…
Und dass ich ein “Institut” gegründet haben soll, ist mir selber neu....(M.K.)
Storl: Er ist selbst unter Phytotherapeuten umstritten.
Davon merke ich kaum etwas. Allerdings: Phytotherapeut kann sich ja auch jeder nennen. Da tummeln sich in diesem Teich auch viele, denen eine kritische Sicht ziemlich auf den Geist geht. Über fundierte fachliche Kritik an meinen Positionen und Aussagen würde ich mich freuen. Storl platziert hier wieder eine diffamierende Aussage, ohne selber eine Position einzunehmen. Leere Diffamierung halt. Ich selber würde mich übrigens nie Phytotherapeut nennen. (M.K.)
Storl: Er ist ein reiner Materialist, für ihn zählen nur die Wirkstoffe.
Woher nur kennt der Mann mich so gut? Nie gesprochen miteinander! Nie gesehen! Ist das jetzt vielleicht die sagenumwobene Storl‘sche Intuition? Beeindruckend – diese Ferndiagnose aus dem Allgäu!
Im Übrigen: Ich habe in meiner Kritik nie Auskunft über Wirkstoffe verlangt. Storl selber schreibt von Wirkstoffen, wenn er beispielsweise Mariendistel als Tee empfiehlt wegen dem Gehalt an Silymarin, aber offenbar nicht weiss, dass Silymarin schlecht wasserlöslich ist und darum Tee keine geeignete Anwendungform. Manchmal wäre es schon sinnvoll, etwas zu wissen über Wirkstoffe. Entscheidend sind aber nicht Wirkstofffragen, sondern die Wirksamkeit der Therapie bei Borreliosekranken. Und diese Wirksamkeit darf meiner Ansicht nach nicht einfach behauptet werden. Sie muss sorgfältig begründet und dokumentiert werden. Es geht dabei um eine ethische Frage. Davon lenkt Storl ab, indem er das Schlagwort vom Materialisten, für den nur Wirkstoffe zählen, in den Raum wirft. Für die Wolf-Dieter-Storl-Gemeinde ist dann klar, dass man sich mit Anwürfen aus der materialistischen Ecke nicht auseinandersetzen muss. So einfach kann man es sich machen. (M.K.)
Storl: Seine Kritik ist nicht richtig sachlich. Zum Beispiel hat er mich angegriffen, weil ich sage, dass Antibiotika nicht helfen. Das habe ich nicht gesagt –
Auf dem Buchdeckel von “Borreliose natürlich heilen” (2007) steht:
“Die Krankheitserreger entziehen sich dem Abwehrsystem, Antibiotika sind gegen sie machtlos.”
Und auf Seite 9 steht in Bezug auf Antibiotika: “Leider wirken diese Wundermittel bei der Borreliose kaum.”
Das sind meines Erachtens deutliche Aussagen in dem Sinne, dass Antibiotika gegen Borrelien nicht helfen. Storl widerspricht sich hier.
Er unterschlägt zudem einen wichtigen Teil meiner Kritik: Ich werfe ihm vor, dass er pauschal sagt, Antibiotika wirken nicht bei Borreliose, dass er an keiner Stelle differenziert zwischen frischen Infektionen, bei denen sehr viel dafür spricht, dass Antibiotika wirksam sind, und chronischen Verläufen, bei denen eine Wirksamkeit nicht mehr in jedem Falle gesichert ist. (M.K.)
Storl: ich habe nur gesagt, wenn man zu spät – und meistens merken es die Leute zu spät, dass sie infiziert sind – mit der Antibiotikabehandlung beginnt, dass diese dann nicht wirkt.
Diese Differenzierung finde ich nirgends im Buch “Borreliose natürlich heilen” (2007) von Storl, auf das sich meine Kritik bezieht Das Buch wäre weniger gefährlich, wenn Storl irgendwo einen Hinweis gemacht hätte im Sinne von:
“Leute, bei einer frischen Borreliose-Infektion gibt es gute Chancen für eine Heilung mit Antibiotika, während meine Ideen mit Karde & Co noch völlig ungeklärt sind. Also macht doch zuerst mal eine Antibiotika-Behandlung, weil es später vielleicht zu spät sein könnte.”
Schon der Titel des Buches “Borreliose natürlich heilen” ist eine pauschale Versprechung, die Antibiotika als überflüssig erscheinen lässt. (M.K.)
Storl: Dann hat er geschrieben, wenn sie meinen Ratschlägen folgen, dass die Patienten sich der Gefahr einer lebenslangen Invalidität aussetzen.
Auch das ist verzerrt dargestellt: Ich schreibe, wenn im Frühstadium statt einer Antibiotika-Therapie mit Karde behandelt wird, besteht ein Risiko von Spätschäden bis hin zur Invalidität. Storl unterstellt mir pauschale Aussagen. Mir geht es aber um Differenzierung. Wenn hier einer pauschale Aussagen macht, dann aber ganz sicher Storl.(M.K.)
Storl: Nun, mittlerweile ist dies anerkannt. Ein internationales “Ad hoc Komitee für Lime Disease” (Borreliose), bestehend aus den medizinischen Koryphäen aus Yale, Harvard, Oxford und so weiter, fast 100 Leute, hat festgestellt, dass bei chronischer Borreliose Antibiotika nicht helfen, sondern sich bei langfristiger Anwendung schädlich auswirken.
Auch hier wieder: Ich habe gar nie bestritten, dass es bei chronischen Borreliosen intensive Diskussionen gibt darüber, ob, wann und wie Antibiotika noch sinnvoll sind oder nicht.
Aber diese Unsicherheit in der Behandlung chronischer Fälle ist gerade ein Argument dafür, die Antibiotika-Therapie im Frühstadium ernst zu nehmen. Das widerlegt meine Kritik nicht, es stützt sie.(M.K.)
Storl: Der Vorwurf, dass die Leute bei der Überhitzungstherapie sterben würden, bei 42 Grad Celsius,….
Mamma mia, meine Kritik ist nicht so dümmlich-pauschal, dass die Leute sterben bei 42°C. Ich schreibe, dass ab 41°C ein Risiko besteht, dass wichtige Eiweissmoleküle zerstört werden, die bedeutsam sind für die Kreislaufregulation. Daraus folgt ein Risiko für Kreislaufkollaps, was auch mit Todesfolge sein könnte. Der Mann stellt offenbar die Kritik so verzerrt-pauschal dar, weil er im Detail nicht darauf eintreten kann. Wie wäre es mit einer Stellungnahme dazu, dass jetzt in der zweiten Auflage die Überhitzungstherapie plötzlich nur noch bis 40°C empfohlen wird? In der ersten Auflage empfiehlt Storl 42°C und schreibt, dass die Borrelien Hitze über 42°C nicht vertragen. Aber vielleicht sind ja durch all die Diskussionen die Gruppen-Seele der Borrelien (Seite 33 ff.) so aus der Balance geraten, dass sie nun schon bei 40°C in die ewigen Jagdgründe abdüsen? (M.K.)
Storl: ….das wäre nur der Fall bei chronischen Herz-/Kreislaufkranken, Epileptikern.
Na super, bei denen kommt es ja nicht so darauf an. Weiss jeder Epileptiker schon vor dem ersten Anfall, dass er gefährdet ist? Und jeder Herzkranke? (M.K.)
Storl: Diese Temperatur wird erreicht in den meisten Schwitzhütten oder japanischen Bädern.
Redet er jetzt von der Temperatur in der Schwitzhütte oder von Körpertemperatur? Das ist ein wesentlicher Unterschied. (M.K.)
Storl: Diese Wärme können die Borrelien nicht ertragen. Dies ist auch die Grundlage der Syphilis-Kur der Indianer, die überaus erfolgreich war.
Wieder Behauptungen ohne irgendwelche Belege oder nur schon Gründe. (M.K.)
Storl: Schwitzhütte zusammen mit einem pflanzlichen Reiniger, zum Beispiel Sarsaparilla (Stechwinde).
Wovon genau soll der pflanzliche Reiniger den Organismus reinigen? Von den Borrelien etwa? Wie macht er das? Und auf welchem Weg? Ich finde, solche Spekulationen, von denen das Buch von Storl übervoll ist, bräuchten schon noch ein bisschen detailliertere Erklärungen. (M.K.)
Storl: Syphilis ist ja sehr nah verwandt mit der Borreliose. Ich verwende eher hier wachsende Pflanzen und doch hat sich die Karde angeboten. Koradi macht da Behauptungen…..
Welche Behauptungen genau? Bitte um detaillierte Kritik, nicht nur leere Diffamierung. (M.K.)
Storl: ….und spielt sich auf.
Wo genau. Bitte um detaillierte Kritik, nicht nur leere Diffamierung. (M.K.)
Storl: Er hat eigentlich keine richtigen Qualifikationen.
Was genau wären für Storl richtige Qualifikationen? Bitte um detaillierte Kritik, nicht nur leere Diffamierungen, das ist ziemlich billig. (M.K.)
Storl: Für ihn sind Pflanzen nur tote Behälter von Wirkstoffen.
Schon wieder. Der Mann kann‘s nicht lassen. Siehe Abschnitt “Materialist & Wirkstoffe” weiter oben. (M.K.)
Storl: Zum Beispiel sagte er, dass es ein Experiment an der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich gab und da wurde die Kardentinktur auf eine Borrelienkultur getropft. Die Borrelien seien nicht gestorben, sondern sie wurden danach sogar noch munterer. Erst mal glaube ich, dass es dieses Experiment gar nicht gab, denn die Borrelien lassen sich nicht “in vitro” züchten, also man kann sie nicht in einer Petrischale züchten. Sie brauchen einen lebendigen Wirt. Deswegen sind sie so schwer zu untersuchen. Und zweitens, wenn es überhaupt der Fall gewesen wäre, was ich anzweifle, dann ist das noch längst kein Beweis, denn töten heißt nicht unbedingt heilen.
Eindrücklicher kann man ja wohl kaum vorführen, was es heisst, den Kopf in den Sand zu stecken. Offenbar kann einfach nicht stattgefunden haben, was nicht sein darf.
Ich habe zu dieser Untersuchung genaue Angaben gemacht:
Wo: Hochschule Wädenswil (dass Storl von der ETH Zürich spricht, zeigt nur, wie genau er so was nimmt..).
Wer: Prof. Sievers
Quelle: NZZ am Sonntag, Fahrlässige Tipps gegen Borreliose, 26. August 2007.
Link: https://phytotherapie-seminare.ch/docs_db/154310_borreliose-storl-karde.pdf
Das lässt sich also leicht via Link zum NZZ-Artikel überprüfen, wenn man nur ein Quentchen interessiert ist an Fakten. Sievers hat auch ein Telefon. Oder unterstellt Storl einfach, dass Sievers lügt und die ganze Sache erfunden hat? Dazu müssten dann allerdings schon einige starke Indizien her.
Borrelien lassen sich im Übrigen gut im Labor untersuchen. Sievers macht das seit Jahren. Er hat grosse Erfahrung damit und untersucht vor allem, welche Antibiotika am besten gegen Borrelien wirken.
Zitat aus der Website der Hochschule Wädenswil:
„An der Hochschule Wädenswil kultivieren wir die Borrelien in Nährlösung und zusammen mit menschlichen Endothelialzellen. Mit dieser Form der Kultivierung haben wir ein Instrument, um Antibiotika und Pflanzenextrakte auf das Wachstum der Borrelien zu testen.”
Storl behauptet nun, Borrelien kann man gar nicht im Labor testen. Er behauptet offenbar ungeprüft, was ihm gerade in den Kram passt. So kommen wohl auch die anderen Behauptungen in seiner “Borreliose-Therapie” zustande.
Was genau meint Storl eigentlich, wenn er schreibt: “..töten heißt nicht unbedingt heilen”.
Wenn die Borrelien getötet werden, wird der Patient nicht gesund?
Wann genau und wie wird er dann gesund? Nicht nur immer schöne Andeutungen machen. Genaue Angaben bitte.
Im Buch selber geht Storl im Übrigen an manchen Stellen durchaus davon aus, dass Kardentinktur die Borrelien tötet. Jedenfalls spricht er davon, dass Karde eine “Herksheimer Reaktion” auslösen kann, wie sie manchmal zu beobachten ist, wenn Antibiotika Borrelien abtöten.
Die Untersuchungen von Sievers machen es nun sehr unwahrscheinlich, dass Karde eine direkte antimikrobielle Wirkung auf Borrelien hat. Natürlich kann man Laborergebnisse nie 1: 1 auf den Menschen übertragen. Findet man im Labor eine bestimmte Wirkung, kann man nicht einfach davon ausgehen, dass sie im menschlichen Organismus bei viel tieferen Dosierungen und via Magen-Darmtrakt auch auftreten wird (Storl schliesst an vielen Stellen vorschnell von Laborergebnissen auf Ergebnisse am Menschen, zum Beispiel wenn er von blutdrucksenkenden, antiallergischen und immunstimulierenden Effekten bei Blutwurz schreibt (S. 240).
Findet man im Labor aber keinen Effekt der Karde gegen Borrelien, müsste man dies als Hinweis zu mindestens ernst nehmen. Im Organismus ist die Dosierung von Karde jedenfalls um einiges schwächer und antimikrobielle Effekte sind nun einmal stark dosisabhängig.
Storl verhält sich so, wie es ihm gerade ins Konzept passt: Nützt ihm ein Laborergebnis, führt er es gerne und unreflektiert an. Widerspricht ihm ein Laborergebnis wie die Untersuchungen von Sievers, dann haben diese Versuche einfach nicht stattgefunden. So einfach kann man es sich machen. (M.K.)
Storl: Ich vermute, dass die Karde so wirkt wie es Brennnesseljauche bei der Bekämpfung der Blattläuse macht – sie ändert das Milieu. Die Brennnesseljauche tötet die Blattläuse nicht, sondern verändert die energetische Umgebung, so dass sich die Blattläuse nicht mehr wohlfühlen und “abziehen”. Das scheint im Fall der Karde auch so zu sein.
Nun muss also offenbar eine neue Erklärungsphantasie her. Bisher hat Storl ja eher antimikrobielle oder immunstimulierende Effekte der Karde angedeutet. Zu letzterem siehe den Beitrag: „Karde gegen Borreliose – immer noch wirre Behauptungen statt…“ Link am Schluss des Textes.
Schöner Vergleich mit der Brennesseljauche. Nur hinkt er leider gewaltig. Blattläuse leben im Freien. Passt ihnen aus welchen Gründen auch immer das Milieu nicht, können sie problemlos abhauen. Aber die Borrelien? Die sind nach der Infektion offenbar nur kurze Zeit im Blut und ziehen sich dann ins Bindegewebe zurück. Und die Karde soll nun dort das Milieu verändern und sie vertreiben? Da stellen sich doch einige Fragen:
Wohin gehen die Borrelien dann, wenn sie ja offenbar nicht sterben? Ins Gehirn etwa? Ins Herz vielleicht? Hoch problematisch. Es gibt schliesslich Borreliosen mit Befall des Herzens oder des Gehirns. Müsste man so was nicht ausschliessen können, bevor man eine solche “Therapie” propagiert? Oder kann man einfach mal so daher plaudern?
Wird das Milieu nur und spezifisch für die Borrelien verschlechtert? Oder auch für andere Bakterien? Zum Beispiel die Darmflora (Verdauungsstörungen?), die Vaginalflora (Pilzinfektionen?). Wie geht der Organismus als ganzes mit der Milieuveränderung um? Oder tangiert das den Organismus als Ganzes nicht? Unwahrscheinlich, eine solche isolierte Milieuänderung.
Ich selber glaube ja nicht an die Milieuveränderung durch Karde. Aber wenn man so etwas in die Welt setzt, wie Storl das tut, müsste man sich solche Gedanken meines Erachtens schon machen. Denkt man dagegen nicht eine Nasenlänge über die eigene Fantasie hinaus, kann man sich diese mühseligen Fragen ersparen. (M.K.)
Storl: Ich habe hunderte von Rückmeldungen von Betroffenen erhalten, die richtig dankbar sind. Ich persönlich bin ja auch dankbar, ich habe dieses Buch ja nur geschrieben, weil ich mich selbst mit diesen Methoden geheilt habe – ich hatte ja selber Borreliose.
Der Mann redet voll und ganz an meiner Kritik vorbei. Ich wiederhole es solange, bis auch Storl es vielleicht zur Kenntnis nimmt: Bei vielen Borreliose-Infizierten bildet sich die Krankheit auch ohne Behandlung wieder zurück. Das muss bei der Beurteilung von “Heilungserfolgen” berücksichtigt werden. Vielleicht gehören ja all die angeblichen Heilerfolge einfach zu dieser grösseren Gruppe von Menschen, die einfach Glück hatten. Und bei chronischen Borreliose-Verläufen gibt es oft ein starkes Auf und Ab der Beschwerden. Schlechte Phasen können sich mit monate- bis jahrelangen Besserungen abwechseln.
Daher sagen solch völlig undokumentierte und unkontrollierte Heilungsgeschichten nichts aus. Das ist der Kern meiner Kritik am Buch von Storl. (M.K.)
Storl: Aber der Koradi hat da überhaupt kein Standbein.
Was meint der Mann damit? Ich bitte um genaue Kritik, nicht bloss leere Diffamierung. (M.K.)
Storl: Ich weiß gar nicht, warum er so wütend reagiert – es sei denn er will sich eben profilieren.
Wütend – das ist etwas hoch gegriffen. Aber es sträuben sich mir schon alle Haare, wenn derart weitreichende Heilungsversprechungen ohne jede sorgfältige Dokumentation und Begründung verbreitet werden. Und das in einem derart sensiblen Bereich wie der Borreliose. Und wenn das dann noch unter der Etikette “Phytotherapie” daher kommt, dann kann ich das nicht so stehen lassen. Das ist eine fundamentale berufsethische Frage.
Und zum Stichwort “Profilierung”:
Die einfachste Art der Profilierung besteht darin, grosse Hoffnungen zu wecken bei schwierig behandelbaren Krankheiten. Damit füllt man locker Säle, dafür zahlen Betroffene auch stolze Eintrittspreise, so wird man schnell zum grossen und verehrten Heiler. Damit lanciert man problemlos einen profitablen Bestseller. Peter Wanner vom AT-Verlag weiss, wie man solche Geschäfte macht: Ein bisschen Eso-Touch und eine gute Portion Heilsversprechungen und die Kasse klingelt.
Ich schreibe das ohne Neid. Ich könnte mich nicht freuen an solchen Einnahmen, die ich für zutiefst unethisch halte, weil sie Notlagen und Verzweiflung ausnützen. Mir würde auch übel angesichts einer Gemeinde von ergebenen Gläubigen, die jede noch so abstruse Behauptung blind schlucken und keine einzige kritische Frage stellen.
Jedenfalls ist es für den, der Heilungsversprechungen in Frage stellt, nicht ganz so einfach mit der Profilierung. Wenn du jemandem sagst, dass es keinerlei auch nur ansatzweise fundierte Hinweise auf eine Wirksamkeit der Karde gegen Borreliose gibt, kommt natürlich sofort die Frage: Dann sagen Sie mir, welche Pflanzen sonst??
Wieviel einfacher ist es, dieses Bedürfnis zu erfüllen und etwas anzubieten. Du stehst immer gut da, auch wenn du nur Schrott erzählst.
Aber das auszuhalten, dass es für manche Krankheiten keine oder keine einfache oder keine eindeutige Lösung gibt – vielleicht nicht aus der Pflanzenheilkunde, vielleicht überhaupt nicht – das ist sehr viel anspruchsvoller. Das wollen viele Leute nicht gerne hören. Und es wäre doch für viele Leute wichtig für ihren Umgang mit der Krankheit, wenn sie dies zu hören bekämen. Und zwar in einer zugewandten Art, welche die Ohnmacht mitträgt und sich ihr stellt. Auf diesem Boden könnte dann ein guter Umgang mit der Krankheit wachsen. Ein Umgang, bei dem es darum geht, mit der Krankheit eine möglichst hohe Lebensqualität zu erreichen oder zu erhalten (hier sind die Borreliose-Selbsthilfegruppen von grosser Bedeutung).
Diese Art der Auseinandersetzung mit der Krankheit wird oft verpasst, wenn man den Leuten immer (Schein-)Lösungen vorgaukelt, wie das leider auch ein Teil der Naturheilkunde bzw. Pflanzenheilkunde tut.
So. Wenn ich nun abschliessend nochmals zurückkomme auf die Eingangsfrage des Interviewers an Storl, wie er denn mit der Kritik umgehe, dann lässt sich das meines Erachtens nun ziemlich klar beantworten:
Nicht wahrhaben wollen, den Kopf in den Sand stecken, diffamieren, verdrehen, pauschalisieren – nur ja nicht konkret auf Argumente eingehen. (M.K.)
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Phytotherapie-Ausbildungen / Heilpflanzenkurse & Heilkräuter-Exkursionen
www.phytotherapie-seminare.ch
Fachtexte mit der detaillierten Kritik am Buch „Borreliose natürlich heilen“ (2007):
Karde gegen Borreliose: Immer noch wirre Behauptungen statt fundierte Begründungen!
https://phytotherapie-seminare.ch/docs_db/132919_Karde-Kraut-Borreliose-wirre.pdf
Karde – kein Kraut gegen Borreliose!
https://phytotherapie-seminare.ch/docs_db/110646_Karde-Kraut-Borreliose.pdf
Dieses Buch kann Ihre Gesundheit gefährden: “Borreliose natürlich heilen” von Wolf-Dieter Storl,
AT-Verlag 2007
https://phytotherapie-seminare.ch/docs_db/125713_Borreliose-Storl-Karde-1.pdf
Karde gegen Borreliose – Heilungsversprechungen der fragwürdigsten Art
https://phytotherapie-seminare.ch/docs_db/125527_Storl-Karde-Borreliose.pdf
Fahrlässig-riskante Überhitzungstherapie bei Borreliose
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/10/01/fahrlaessig-riskante-ueberhitzungstherapie-bei-borreliose.html
Beiträge zur Debatte:
Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 1
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/11/06/pflanzenheilkunde-hoch-fragwuerdige-esoterische-theorien-ein-beispiel.html
Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 2
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/12/07/borreliose-therapie-nach-wolf-dieter-storl-beitraege-zur-debatte.html
Karde & Borreliose-Therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 3
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2008/12/11/karde-borreliose-therapie-nach-wolf-dieter-storl-beitraege-zur-debatte-3.html
Karde & Borreliose-therapie nach Wolf-Dieter Storl: Beiträge zur Debatte 5: