Forscher am Universitätsklinikum Göttingen untersuchen, ob ein pflanzlicher Wirkstoff aus einem Liliengewächs beim metastasierten Prostatakrebs wirkungsvoll angewendet werden kann. Das Projekt wird von der Deutschen Krebshilfe unterstützt.
Prostatakrebs ist in westlichen Gesellschaften eine der häufigsten Krebsarten bei Männern. In asiatischen Ländern wie China, Japan und Indien spielt dieser Tumor dagegen nur eine untergeordnete Rolle. „Die Ursache dafür liegt wahrscheinlich in der asiatisch geprägten Ernährung mit viel pflanzlicher Kost anstatt tierischer Eiweiße und Fette“, erläutert Privatdozent Peter Burfeind vom Universitätsklinikum Göttingen. „Experten vermuten, dass die Krebs-vermeidenden Effekte der Nahrung in erster Linie auf Pflanzeninhaltsstoffe mit schwach östrogenen Eigenschaften zurückzuführen sind.“ Diese sogenannten Isoflavone besitzen ähnliche Eigenschaften wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen und werden deshalb auch „Phyto-Östrogene“ genannt.
Hormonabhängig
Der Prostatakrebs wächst bei fast allen Patienten hormonabhängig. Dabei stimuliert vor allem das männliche Geschlechtshormon Testosteron das Krebswachstum. Doch auch das weibliche Hormon Östrogen wird in geringen Mengen von den Hoden und im Fettgewebe hergestellt. Es fungiert im männlichen Stoffwechsel und damit auch in der Prostata als Gegenspieler des Testosterons und kann so auch das Wachstum von Tumorzellen hemmen. Bei der Entstehung eines bösartigen Prostatatumors sind diese hormonabhängigen Signalwege jedoch in vielen Fällen gestört. Wegen der genetischen Veränderungen (Mutationen) geht dann vom Östrogen der gleiche wachstumsfördernde Stimulus aus wie vom Testosteron.
Die Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Göttingen hat nun ein Phyto-Östrogen mit tumorspezifischer Wirkung identifiziert, das präzis an der Stelle eingreift, wo das Östrogen das Zellwachstum beeinflusst: Das Isoflavon mit dem Namen Tectorigenin bindet an die Zelloberfläche der Krebszellen und kann so unter anderem modulierende Östrogen-Signalwege wiederherstellen, welche im Prostatakarzinom eine Tumor-verhindernde Funktion einnehmen.
Tectorigenin ist ein Wirkstoff aus der Wurzel des Liliengewächses Belamcanda chinensis. Diese Heilpflanze wird in der traditionellen chinesischen und koreanischen Medizin angewendet. „Wir wollen nun untersuchen, ob Tectorigenin zur Therapie beim Prostatakarzinom angewendet werden kann“, sagt Paul Thelen vom Universitätsklinikum Göttingen. Erste Experimente seien vielversprechend: So konnten die Forscher bereits im Labor mit Extrakten aus Belamcanda chinensis das Wachstum von Krebszellen bremsen und sogar im Tiermodell die Ausbreitung eines Tumors verlangsamen. „Zudem ist es denkbar, dass diese Substanz eines Tages auch vorbeugend gegen Prostatakrebs eingesetzt werden könnte“, sagt der Wissenschaftler. Bis zum Einsatz in klinischen Studien besteht aber noch weiterer Forschungsbedarf.
Quelle: www.aerztezeitung.de
Kommentar & Ergänzung: Leopardenblume mit Wirkstoff gegen Prostatakrebs?
Es kann nicht genug betont werden, dass solche Ergebnisse aus dem Labor oder dem Tiermodell noch kaum etwas aussagen über eine mögliche Wirksamkeit beim kranken Menschen.
Trotzdem ist das Forschungsprojekt aus Göttingen natürlich interessant.
Phytoöstrogene aus der Gruppe der Isoflavone sind im Pflanzenreich weitverbreitet. Sie kommen beispielsweise vor im Rotklee, der seit einigen Jahren zu den Phytoöstrogen-Heilpflanzen gezählt wird, und in Soja-Produkten, welche vor allem in der asiatischen Ernährung grosse Bedeutung haben.
Interessant wäre es zu erfahren, welche Vorteile das Tectorigenin nach Ansicht der Forscher aus Göttingen gegenüber anderen Isoflavonen besitzt.
Betreffend einer vorbeugenden Wirkung gegen Prostatakrebs könnte die asiatische Ernährung mit ihrem vielfältigen Angebot an Isoflavonen gegenüber dem Einsatz von Tectorigenin als isolierte Einzelsubstanz überlegen sein. Dass die Vorbeugung mit isolierten Einzelsubstanzen problematisch sein kann, zeigt sich zum Beispiel im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel. Sie können niemals die breite Palette an Stoffen zuführen, die eine normale Ernährung enthält und die der Organismus braucht, und sie zeigen manchmal sogar bedenkliche unerwünschte Nebenwirkungen.
Leopardenblume
Bei Belamcanda chinensis handelt es sich um die Leopardenblume, eine Pflanzenart aus der Untergattung Hermodactyloides in der Gattung Schwertlilien (Iris) innerhalb der Familie der Schwertliliengewächse (Iridaceae). Die Zuteilung zu den Liliengewächsen im Text der Ärztezeitung scheint also irrtümlich zu sein.
Die Leopardenblume ist in Süd- und Ostasien (Japan, China, Taiwan und Nord-Indien) heimisch und in den nördlichen USA eingebürgert.
Sie wird in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) eingesetzt und ist giftig. Die Bezeichnung Leopardenblume geht auf die dunkle Fleckung der Blüten zurück, die entfernt an ein Leopardenfell erinnert.
Es gibt eine Reihe von synonymen Bezeichnungen für Belamcanda chinensis:
Iris domestica, Pardanthus chinensis, Gemmingia chinensis, Belamcanda puncta, Ixia chinensis.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch