Eine wahrscheinlich häufige Ursache von Depressionen sei der Bewegungsmangel, so die Wiener Psychiaterin Liane Saxer-Novotny im pressetext-Interview: „Bedingt durch das Internet und das Fernsehen und die dadurch hervorgerufene Sprachlosigkeit und damit Kritiklosigkeit in den Familien, kommt es zu Inaktivität und Isolation.“ Das treffe hauptsächlich bei Jugendlichen zu.
„Von einer Depression spricht man, wenn ein Leidensdruck besteht, der länger als 14 Tage anhält. Die Menschen leiden unter einer Lust-, Freud- und Interessenlosigkeit, meist gepaart mit Antriebsmangel bis hin zur schweren Bewegungsarmut“, erläutert die Fachärztin. Zudem komme es oft auch zu Angstzuständen und einem Vermeidungsverhalten mit innerpsychischer Zurückgezogenheit.
Vorurteile gegen den Besuch eines Psychiaters
Die Expertin kritisiert, dass es in der Bevölkerung immer noch zahlreiche falsche Vorurteile gegen den Besuch eines Psychiaters gibt. „Dabei wäre das rasche Aufsuchen des Experten von großem Vorteil, denn je früher mit einer Therapie begonnen wird, desto eher ist eine Heilung zu erwarten“, betont Saxer-Novotny. „Viele Betroffene scheuen sich vor dem Arztbesuch, weil sie Depressionen mit Verrücktsein assoziieren.“ Die Psychiaterin hält dies für eine völlige Missdeutung, denn bei der Depression handle es sich um eine psychiatrische Erkrankung, die mit einer Stoffwechselstörung von Neurotransmittern im Sinne eines Mangels derselben gleichzusetzen ist.
„Der Psychiater klärt zunächst in einem ausführlichen Gespräch die Situation ab und erstellt einen psychiatrischen Status.“ Mit der Diagnose wird dann die Behandlung entweder medikamentös und oder auch psychotherapeutisch eingeleitet. „Der Psychiater spielt bei der Behandlung die Rolle des Arztes und führt Regie“, erläutert Saxer-Novotny.
Vielfach gebe es auch den Irrglauben, dass eine Depression einer Ursache zugeordnet werden kann, was aber nicht immer zutreffend sei, erklärt Saxer-Novotny. Statements wie „Du bist doch nicht verrückt“ zählen leider immer noch zum Alltag. „Dabei ist es ist wichtig, dass man sich nicht vor der Meinung der Familie, der Freunde und Arbeitskollegen fürchtet und mit Familie und Freunden über alltägliche Probleme spricht“, erklärt die Psychiaterin.
Kontraproduktiv sei auch die Flucht in verschiedene Süchte wie Essen, Alkohol, Nikotin oder Drogen, gefährlich aber auch die Flucht in die Arbeit. Die Psychiaterin rät dazu, unwichtige Stressfaktoren aus dem Leben zu streichen und mehr darauf zu achten, die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen. „Ein völliger Irrglaube ist auch, dass man über das Internet geheilt werden kann“, hält Saxer fest. Eine Depression sei eine Erkrankung, die fachkundige Behandlung erforderlich mache, erklärt die Expertin, und es sei absolut wichtig, nicht zu lange zu warten, um diese in Anspruch zu nehmen.
Medikamenten vollstopfen
Die oft gehörte Meinung, man lasse sich nicht mit Medikamenten vollstopfen, könne man heute vernachlässigen, erklärt Saxer. „Moderne Therapeutika haben wenig Chemie, wirken schnell, haben kaum Nebenwirkungen und erzeugen keine Sucht. Es obliegt dem Können des Experten, den Patienten so einzustellen, dass er optimal versorgt wird.“
Die Psychiaterin empfiehlt neben der regelmäßigen körperlichen Betätigung auch einen regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus einzuhalten, äußere Einflüsse wie TV-Konsum und soziale Aktivitäten zu fokussieren und je nach Erfordernis zu reduzieren oder zu forcieren sowie auf eine gepflegte Sprachkultur zu achten. „Wichtig ist auch die Frage, wie man mit Aggressionen umgeht und welches Selbstwertgefühl man empfindet.“
Die heutige Gesellschaft mit ihrer Schnelllebigkeit und dem hohen Maß der Perfektionierung stelle für viele eine große psychische Belastung dar, sagt die Medizinerin. „Daher ist es wichtig, nicht nur auf die physischen, sondern auch auf die psychische Gesundheit zu achten und die Dienste von Fachexperten in Anspruch zu nehmen, wenn dies notwendig ist“, hält Saxer-Novotny abschließend fest.
Quelle:
http://www.journalmed.de/
Kommentar & Ergänzung: Bewegung beugt Depressionen vor
1. Bewegung, die hier als Vorbeugung gegen Depressionen empfohlen wird, ist eine der klassischen fünf Säulen der Naturheilkunde nach Sebastian Kneipp. Die gesundheitliche Bedeutung regelmässiger Bewegung wird inzwischen durch viele Studien bestätigt.
Ein schönes Zitat zur antidepressiven Wirkung von Bewegung gibt es von Søren Kierkegaard (1813 – 1855):
“Ich laufe mir jeden Tag mein tägliches Wohlbefinden an und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und kenne keinen, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen loswürde. Ist man so am Gehen, so geht es schon.”
2. Aus Sicht der Phytotherapie könnte man noch ergänzen, dass bei leichten und mittelschweren Depressionen Heilpflanzen-Präparate aus Johanniskraut-Extrakt eine Option sind.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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