Die „Augsburger Allgemeine“ veröffentlichte vor kurzem einen sehr beachtenswerten Text von Prof. Dr. Heinz Schilcher, der am 21. Februar 2010 seinen 80. Geburtstag feierte und im Fachbereich Phytotherapie einer der führenden Experten ist.
Schilcher äussert sich zuerst positiv zur Renaissance der „Kräuteranwendungen“:
„Aus meiner Sicht – ich beschäftige mich seit 1950 praktisch und wissenschaftlich mit der Anwendung von Heilpflanzen – ist gegen die Renaissance der ‚Kräuteranwendungen‘ nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil: Ich begrüße es, dass die alten Bauerngärten, in denen sich neben Gemüse und Gewürzpflanzen auch Arzneipflanzen zum Zweck der Selbstmedikation befinden, in Erinnerung gebracht werden.“
Prof. Schilcher weißt aber auch sehr zu Recht auf kritische Punkte dieser Renaissance hin:
„Bei den Therapieversprechungen sollte man allerdings zurückhaltender sein und sich nicht ausschließlich auf die Überlieferung der traditionellen und teilweise krass überzogenen Anwendungsgebiete stützen, sondern auch jüngere Forschungsergebnisse mit berücksichtigen und vor allem die Therapieempfehlungen von drei Sachverständigen-Kommissionen (eine nationale, eine europäische und eine WHO-Kommission) kennen und respektieren.“
Tatsächlich gibt es im Bereich der Pflanzenheilkunde leider ziemlich verbreitet überzogene Heilungsversprechungen nach dem Motto: „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen.“
Schön wäre das ja, aber es ist einfach nicht wahr. Heilpflanzen haben vielfältige und interessante Wirkungen, aber auch Grenzen in ihren Möglichkeiten.
Und man kann sich auch nicht einfach nur auf die Tradition der überlieferten Pflanzenheilkunde berufen. Tradition hat sich auch schon oft über Jahrhunderte geirrt.
Also geht es darum, die traditionellen Überlieferungen mit Interesse aufzunehmen, jedoch zugleich auch kritisch zu überprüfen. Intensive wissenschaftliche Forschung hat im Bereich Phytotherapie / Pflanzenheilkunde zahlreiche neue Erkenntnisse über Anwendungsmöglichkeiten von Heilpflanzen gebracht, aber auch manchen Irrtum aufgedeckt oder die alten Empfehlungen präzisiert.
Die von Schilcher erwähnten Kommissionen sind wichtige Elemente der Qualitätssicherung in der Phytotherapie (Kommission E, ESCOP, WHO).
Professor Schilcher weißt auch auf den Umgang mit allfälligen Nebenwirkungen der Heilkräuter hin:
„Systematische Untersuchungen zu unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen existieren in den Berichten zur Anwendung von Heilkräutern in der traditionellen Medizin nicht, und sie wurden mehr oder weniger erst durch systematische naturwissenschaftliche Untersuchungen in den letzten 30 Jahren sowie durch die erst seit 1978 vorgeschriebenen Nebenwirkungsmeldungen an das Bundesgesundheitsamt und die Ärzte- und Apothekerkammern entdeckt.“
Die traditionelle Pflanzenheilkunde hat Nebenwirkungen und Wechselwirkungen (Interaktionen) der Heilkräuter nicht systematisch erfasst, während dies in den letzten Jahrzehnten zunehmend geschehen ist.
Es ist eines der Qualitätsmerkmale von Heilpflanzen-Büchern und Heilpflanzen-Kursen, wenn nicht nur Wirkungen, sondern auch allfällige Nebenwirkungen und Interaktionen thematisiert werden.
Allerdings stört dies bei manchen Leuten das idealisierte Bild von der immer sanft und nebenwirkungsfrei wirkenden Heilpflanze, so dass mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen ausgeblendet werden. Das ist nicht ohne Risiko für Patientinnen und Patienten.
Quelle:
http://www.augsburger-allgemeine.de/
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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