Über Heilpflanzen zur Behandlung von Venenbeschwerden schreibt Reinhard Länger in der Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie (PHYTO Therapie Austria  2|10).

Hier zusammenfassend die wichtigsten Aussagen zu den zentalen Heilpflanzen im Venenbereich:

„ Üblich hingegen ist der Einsatz von Ödemprotektiva, in dieser Gruppe von Arzneimitteln spielen pflanzliche Zubereitungen die dominierende Rolle. Als Wirkstoffe fungieren Saponine (Rosskastanie, Mäusedornwurzelstock) und Flavonoide (Rotes Weinlaub, Buchweizenkraut), manche Flavonoide werden auch als Reinsubstanzen, Substanzgemische oder in chemisch abgewandelter Form eingesetzt. Der Wirkmechanismus ist für alle genannten Substanzen noch nicht vollständig geklärt, die Hemmung bestimmter Enzyme, die die Gefäßpermeabilität erhöhen können, dürfte aber im Vordergrund stehen.“

Damit sind die wichtigsten Heilpflanzen und Wirkstoffgruppen zusammengefasst.

Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)

Im nächsten Abschnitt geht der Text detaillierter auf Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) ein:

„Die Samen enthalten 3 bis 10 Prozent Triterpensaponine, das Saponingemisch wird als Aescin (oder Escin) bezeichnet. Aescin in Arzneimitteln ist keine Reinsubstanz, sondern ein Gemisch strukturell sehr ähnlicher Substanzen. Deshalb ist Aescin als pflanzliche Zubereitung anzusehen, Arzneimittel mit Aescin als Wirkstoff werden als Phytopharmaka definiert.“

Das Saponingemisch Aescin gilt eindeutig als zentral für die Wirkung der Rosskastaniensamen zur Linderung der Beschwerden von Venenerkrankungen.

Wäre Aescin ein bestimmtes, genau definiertes Molekül, gälte es nicht als Phytopharmaka, weil die Phytotherapie „Teams“ von Wirkstoffen einsetzt und nicht Einzelsubstanzen. Allerdings ist Aescin ein Grenzfall, weil die verschiedenen Bestandteile dieses Gemisches sich sehr ähnlich sind.

Zur Wirksamkeit und zum Anwendungsbereich von Rosskastaniensamen-Extrakt schreibt Länger:

„Die orale Anwendung von Extrakten aus Rosskastaniensamen, die mit Ethanol-Wasser-Mischungen (Ethanol 40-80 % v/v) hergestellt werden und 16-28 % Aescin enthalten, wurde im Zuge der Erstellung einer EU-Gemeinschaftsmonographie durch das Herbal Committee (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) als klinisch belegt bewertet. Einsatzgebiet ist die chronisch venöse Insuffizienz der Stadien I und II….Ein systematischer Review (Meta-Analyse) von 17 klinischen Studien kommt zum Schluss, dass standardisierter Rosskastaniensamenextrakt verglichen mit Placebo signifikant die Symptome von CVI wie Ödeme, Schmerz, Juckreiz reduziert.“

Bei Venenschwäche Stadien I und II gilt Rosskastanienextrakt als gut dokumentiertes und belegtes Heilpflanzen-Präparat. Es braucht aber eine ausreichende Tagesdosis an Aescin und eine genügend lange Anwendungsdauer:

„Die Bioverfügbarkeit von Aescin liegt bei nur ca. 5 Prozent. Eine Tagesdosis von 100 mg Aescin sollte eingehalten werden, therapeutische Effekte werden unter Umständen erst nach 4 Wochen Behandlung erkennbar.“

Kritisch sieht Reinhard Länger offensichtlich die Anwendung von Rosskastanien-Präparaten via Haut (Venengel oder Venensalbe auf Basis von Aescin, Rosskastanienbad):

„Kontrovers wird hingegen die klinische Datenlage zur kutanen Anwendung derartiger Extrakte interpretiert. Die Resorption der großen, hydrophilen Saponinmoleküle durch die intakte Haut ist sicher gering, weshalb sich nach wie vor die Frage stellt, ob relevante Konzentrationen im Bereich der Venen erreicht werden können. Deshalb bleibt die kutane Anwendung traditionell pflanzlichen Arzneimitteln vorbehalten, die Indikation ist ‚leichte Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen im Zusammenhang mit leichten venösen Durchblutungsstörungen’.“

Das bestätigt mir meine Skepsis an diesem Punkt. Sehr viele Venenkranke schätzen zwar Venengels oder Venensalben. Die Vorstellung, dass die grossen, wasserliebenden (hydrophilen) Aescinmoleküle in relevanten Mengen durch die Haut aufgenommen werden und in den Venen wirksam werden, habe ich schon seit langem in Frage gestellt. Gut durch die Haut gehen in der Regel kleine, lipophile Moleküle (zum Beispiel ätherische Öle). Vielleicht ist es bei der Anwendung von Venensalben mehr der Massageeffekt, welcher Linderung bringt.

Wichtig ist auch der Hinweis, dass Rosskastanien-Extrakte nicht andere Massnahmen wie Bewegung oder Kompressionsstrümpfe ersetzen soll:

„Für die Praxis ist wesentlich, dem Patienten klar zu vermitteln, dass Zubereitungen aus Rosskastaniensamen als zusätzliche Maßnahme zu Stützstrümpfen und Bewegungstherapie zu sehen sind und diese physikalischen Behandlungen nicht abgebrochen werden sollten.“

Rotes Weinlaub (Vitis vinifera)

Noch nicht so lange wie die Rosskastanie ist das Rote Weinlaub als Heilpflanze bei Venenbeschwerden Gegenstand der Phytotherapie-Forschung. Es handelt sich dabei um Arzneimittel mit Extrakten aus den nach der Traubenlese geernteten Laubblättern von rotblättrigen Varietäten der Weinrebe:

„Auch zu diesen Extrakten ist eine Monographie des HMPC in Ausarbeitung. Im publizierten Entwurf wurden Trockenextrakte (Extraktionsmittel Wasser) mit einem definierten Gehalt an Flavonoiden von 3 bis 7 Prozent unter dem Begriff „well-established use“ eingestuft. Dies bedeutet, dass die klinische Wirksamkeit im vorgeschlagenen Indikationsgebiet CVI (Stadien I und II) bei oraler Anwendung durch mindestens eine qualitativ hochwertige kontrollierte klinische Studie belegt ist. Diese Daten fehlen hingegen für den Tee aus Weinlaub, Pflanzenpulver in Kapseln und auch für die äußerliche Anwendung von Extrakten. Diese können in traditionell pflanzlichen Arzneimitteln registriert werden.“

Auch hier bleibt also festzuhalten: Für den Tee aus Rotem Weinlaub und für äusserliche Anwendungen als Salbe / Gel gibt es keine Belege für Wirksamkeit.

Buchweizenkraut (Fagopyrum esculentum)

Buchweizenkraut hat sich in den letzten Jahren zu einem interessanten Venenmittel entwickelt:

„Für die Behandlung von CVI kommen aber nur ausgewählte Sorten in Frage, deren Gehalt an Flavonoiden höher ist und bei denen das Flavonoid Rutin bis zu 90 Prozent des Flavonoidgehalts ausmacht. Signale für eine Wirksamkeit eines Aufgusses aus Buchweizenkraut (Dosierung 3 x täglich 1 Tasse) konnten aus einer klinischen Studie aus dem Jahr 1996 abgeleitet werden. Eine aktuelle Bewertung nach den Kriterien des HMPC ist derzeit nicht vorgesehen.“

Buchweizen hat als gesundes Lebensmittel eine lange Tradition, wobei Buchweizensamen verwendet werden. Als Venenmittel dagegen wird das Buchweizenkraut eingesetzt.

Weitere Venenmittel

Es gibt noch eine ganze Reihe von Heilpflanzen zur Linderung von Venenerkrankungen,  die weniger gebräuchlich sind:

„Obwohl relativ gut untersucht gibt es in Österreich kein zugelassenes Arzneimittel mit einer Zubereitung aus Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus). Auch Steinkleekraut, das traditionell eine Komponente von Venentees ist, ist derzeit in keiner Arzneispezialität enthalten. Diosmin, ein Flavonoid, das in der Natur im japanischen Schnurbaum (Sophora japonica), einem bei uns beliebten Parkbaum, vorkommt, ist ein Wirkstoff in Venenmitteln, allerdings wird diese Reinsubstanz partialsynthetisch hergestellt und nicht aus einem Extrakt isoliert. Um die Löslichkeit und damit die Bioverfügbarkeit von Flavonoiden zu verbessern, wurden auch verschiedenste Derivate synthetisiert. In medizinischer Verwendung ist ein Gemisch von Ethern des Flavonoids Rutin mit dem Namen Oxerutin.“

Kommentar & Ergänzung: Heilpflanzen bei Venenbeschwerden

Das ist wirklich eine ausgezeichnete Zusammenfassung der aktuellen Phytotherapie bei Venenbeschwerden. Betont werden muss aber noch, dass es nicht nur darauf ankommt, die richtigen Heilpflanzen anzuwenden. Genauso wichtig ist es, die jeweils geeignetste Form zu wählen, weil es grosse Qualitätsunterschiede gibt bei den Heilpflanzen-Präparaten.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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