Eine neue Übersichtsstudie zeigt, dass bei Angstzuständen Johanniskraut nutzlos, Passionsblume und Kava hingegen sehr gut wirksam sind. Die richtige Dosis sei aber noch nicht bekannt.
Johanniskraut-Präparate wirken nicht gegen Angstzustände. Eine Übersichtsstudie deutet darauf hin, dass das Naturheilmittel ebenso wirkungslos ist wie Magnesiumsupplemente. Wirksam seien dagegen Mittel, die Passionsblume, die Pfefferart Kava-Kava oder eine Kombination der Aminosäuren L-Lysin und L-Arginin enthalten.
Die Wissenschaftler der Stiftung Global Neurosciences Initiative Foundation in Los Angeles werteten 24 Studien mit insgesamt mehr als 2000 Teilnehmenden aus. Die drei als wirksam eingestuften Präparate zeigen demnach nur schwache Nebenwirkungen. Allerdings müsse für alle Mittel noch die beste Dosis gefunden werden, schreiben die Wissenschaftler im „Nutrition Journal“.
Quellen:
https://diepresse.com/home/gesundheit/600677/index.do?_vl_backlink=/home/gesundheit/index.do
https://www.nutritionj.com/content/9/1/42
Kommentar & Ergänzung: Passionsblume und Kava-Kava lindern Angstzustände
Diese Meldung bestätigt weitgehend frühere Erkenntnisse. Die Domäne von Johanniskraut sind leichte und mittelschwere Depressionen. Angst ist keine Indikation für Johanniskraut, angstgetönte Depression aber schon.
Kava-Kava-Extrakte sind gut belegt in ihrer Wirkung bei generalisierten Angststörungen. Ihr Wirkspektrum ist ähnlich wie jenes der Benzodiazepine, allerdings ohne schnellen Wirkungseintritt.
Kava-kava-Extrakte sind allerdings in Deutschland und in der Schweiz als Heilmittel nicht mehr zugelassen, weil Nebenwirkungen an der Leber beobachtet wurden, wobei dieser Entscheid der Arzneimittelbehörden bei Phytopharmaka-Experten und pharmazeutischen Unternehmen umstritten ist. Auch die Frage nach der Lebertoxizität ist immer noch Gegenstand von Diskussionen.
Siehe:
Phytotherapie: Kava-Extrakt hilft gegen Angststörungen
Neue Kava-Studie zeigt Wirksamkeit wässriger Extrakte
Seit dem Verbot von Kava-Kava-Extrakten wird in der Schweiz als Alternative in Drogerien und Apotheken nicht selten ein homöopathisches Kava-Präparat von Similasan verkauft, das Kava in Vedünnungen von D12, D15 und D30 enthält. Da in diesem Produkt praktisch keine Wirkstoffe mehr vorhanden sind, fällt auch jedes Risiko von Nebenwirkungen weg, so dass diese Tabletten problemlos eine Zulassung der Arzneimittelbehörden erhalten. Festzuhalten ist dabei aber, dass Produkte der Homöopathie generell von der Pflicht, ihre Wirksamkeit nachzuweisen befreit sind.
So gibt es denn auch zum erwähnten Similasan Präparat keinerlei Studien, welche eine Wirkung auf Angstzustände dokumentieren. Wenn also in Apotheken und Drogerien anstelle von Kava-Kava-Extrakten ein praktisch wirkstofffreies, völlig anders hergestelltes und anders zusammengesetztes homöopathisches Kava verkauft wird, dann werden meines Erachtens Kundinnen und Kunden betrogen, wenn sie nicht genau über diese Unterschiede informiert werden.
Auch für Passionsblume ist schon verschiedentlich eine Wirkung bei Angst bzw. Angstzuständen dokumentiert worden.
Siehe dazu:
Phytotherapie: Passionsblume als Angstlöser
Hier die wichtigsten Schlussfolgerungen der Forscher aus Los Angeles im Nutrition Journal:
„ ..strong evidence exists for the use of herbal supplements containing extracts of passionflower or kava and combinations of L-lysine and L-arginine as treatments for anxiety symptoms and disorders…..
St. John’s wort monotherapy has insufficient evidence for use as an effective anxiolytic treatment.“
Zu ergänzen ist noch, dass in den USA Heilpflanzen-Präparate oft als Nahrungsergänzungsmittel im Handel sind. Das wirft häufig viele Fragen auf betreffend Qualität, Dosierung etc. Wenn die Autoren im Nutrition Journal schreiben, dass man die richtige Dosis noch nicht kennt, dann trifft dies vielleicht auf die us-amerikanischen Nahrungsergänzungsmittel zu. Bei en in Europa als Arzneimittel zugelassenen Phytopharmaka auf der Basis von Passionsblume und Johanniskraut würde ich das so krass aber nicht formulieren.
Es gibt diesen Trend, Heilpflanzen-Präparate als Nahrungsergänzungsmittel statt als Arzneimittel auf den Markt zu bringen, auch bei uns, weil so die Anforderungen an einen Wirkungsnachweis entfallen. Das spart Aufwand und damit vor allem Kosten. Für die Phytotherapie ist dieser Trend aber fragwürdig, weil er die Forschung in diesem Bereich quasi überflüssig macht. Langfristig profitiert die Phytotherapie mehr von Heilpflanzen-Präparaten, die als Arzneimittel registriert und in ihrer Wirksamkeit durch Studien belegt sind.
Ergänzend noch zum Thema Angst / Angstzustände:
Neben den Klassikern Kava-Kava und Passionsblume wurde in letzter Zeit viel geforscht und entwickelt im Bereich von Lavendelöl als Angstlöser.
Siehe:
Phytotherapie: Lavendelöl als Angstlöser
Phytotherapie: Lavendelöl gegen Unruhe
Zum Thema Phytotherapie und Angststörungen gilt es generell festzuhalten, dass die Domäne der Heilpflanzen-Präparate in diesem Bereich eher bei den generalisierten Angststörungen liegt und nicht bei akuten Angstzuständen wie Panikattacken.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch