Die Grundlage unseres gegenwärtigen Wissensstandes über die Anwendung pflanzlicher Arzneimittel ist die oft Jahrhunderte lange traditionelle Anwendung von Heilpflanzen in der Volksmedizin. In einer modernen, wissenschaftlich orientierten Therapieform reicht dies jedoch nicht als Wirksamkeitsbeweis. Darum strebt die Arzneipflanzenforschung danach, von modellhaften Labortests bis hin zu klinischen Studien an Patienten Fakten für den therapeutischen Wert und die Unbedenklichkeit von Phytopharmaka zu liefern.
Im „Kleinen Wörterbuch der Pflanzenmedizin“ wird aufgeführt, in welchen Einsatzbereichen sich die Phytotherapie, alleine oder in Kombination mit anderen therapeutischen Maßnahmen bewährt. Hier eine modifizierte Übersicht auf der Basis dieser Publikation:
1. Vorbeugung von Krankheiten
– Stärkung des Immunsystems:
Roter Sonnenhut, Echinacea purpurea
– Schwitzkuren bei beginnenden grippalen Infekten:
Holunderblüten, Sambucus nigra
Lindenblüten, Tilia – Arten (Tilia cordata, Tilia platyphyllos)
2. Befindlichkeitsstörungen im Verdauungstrakt
– Entzündungen im Bereich der Mundhöhle:
Salbei, Salvia officinalis
– Blähungstreibend, krampflösend:
Kamille, Matricaria recutita
Kümmel, Carum carvi
Fenchel, Foeniculum vulgare
Pfefferminze, Mentha piperita
– Appetitanregend:
Arzneipflanzen mit Bitterstoffen:
Enzian, Gentiana-Arten, vor allem Gelber Enzian, Gentiana lutea
Tausendguldenkraut, Centaurium erythraea
Fieberklee, Menyanthes trifoliata
Arzneipflanzen mit aromatisch-
bitterem Geschmack:
Wermut, Artemisia absinthium
Schafgarbe, Achillea millefolium
– Übersäuerung des Magens:
Käsepappel, Malva – Arten (Chäslichrut, Malva silvestris, Malva neglecta)
– Lebererkrankungen:
Mariendistel, Silybum marianum
– Erkrankungen der Galle:
Artischocke, Cynara scolymus
Löwenzahn, Taraxacum officinale
– Durchfallerkrankungen:
Tormentillwurzel, Potentilla erecta
Heidelbeeren (getrocknet!), Vaccinium myrtillus
– Verstopfung:
Faulbaum, Frangula alnus
Senna, Cassia – Arten
Rhabarber, Rheum palmatum
Leinsamen, Linum usitatissimum
Flohsamen, Plantago ovata
3. Erkrankungen im Bereich der Atemwege:
– Reizhusten: Tees mit schleimhaltigen Heilpflanzen:
Eibisch, Althaea officinalis
Isländische Flechte (Isländisches Moos), Cetraria islandica
– Auswurffördernde Hustenmittel:
Arzneipflanzen mit ätherischem Öl:
Thymian, Thymus vulgaris
Anis, Pimpinella anisum
Eukalyptus, Eucalyptus globulus
Latschenkiefer, Pinus mugo
Arzneipflanzen mit Saponinen:
Schlüsselblume, Primula veris
Efeu, Hedera helix
– Arzneipflanzen mit anderen Wirkstoffen:
Sonnentau, Drosera rotundifolia
4. Erkrankungen im Urogenitaltrakt:
– Erhöhung der Harnmenge, besonders bei Steinleiden oder Entzündungen der ableitenden Harnwege:
Birke, Betula pendula
Hauhechel, Ononis spinosa
Schachtelhalm, Equisetum arvense
Wacholder, Juniperus communis
– Unterstützung bei gutartiger Vergrößerung der Prostata (Prostatahyperplasie):
Weidenröschen, Epilobium angustifolium
Sägepalme, Serenoa repens (Sabal serrulata)
5. Herz- Kreislaufbeschwerden
– Leichte Herzmuskelschwäche, „Altersherz“:
Weißdorn, Crataegus-Arten, vor allem Crataegus oxyacantha und Crataegus monogyna)
– Krampfadern:
Rosskastanie, Aesculus hippocastanum
– Durchblutungsstörungen:
Ginkgo, Ginkgo biloba
– Vorbeugung gegen Arteriosklerose (= „Verkalkung“):
Knoblauch, Allium sativum
6. Nervöse Störungen
– Leichte und mittelschwere Depressionen:
Johanniskraut, Hypericum perforatum
– Einschlafstörungen:
Baldrian, Valeriana officinalis
Melisse, Melissa officinalis
Hopfen, Humulus lupulus
Lavendel, Lavandula angustifolia
7. Gynäkologische Erkrankungen
– Prämenstruelles Syndrom (PMS), klimakterische Beschwerden (z. B. Wallungen):
Mönchspfeffer, Vitex agnus-castus
Nordamerikanisches Wanzenkraut ( = Traubensilberkerze), Cimicifuga racemosa
8. Hauterkrankungen / Wunden:
Ringelblume, Calendula officinalis
Arnika, Arnica montana
Quelle:
Kleines Wörterbuch der Pflanzenmedizin,
herausgegeben von Pharmig, der Vereinigung pharmazeutischer Unternehmen, Wien
in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pharmakognosie der Universität Wien
www.pharmig.at
Kommentar & Ergänzung: Phytotherapie – wo sie helfen kann…
Die Aufstellung im „Kleinen Wörterbuch der Pflanzenmedizin“ gibt einen guten Überblick, führt aber natürlich längst nicht alle wichtigen Heilpflanzen der Phytotherapie auf.
Wichtig zu wissen ist aber auch, dass es nicht nur darauf ankommt, welche Heilpflanze bei welcher Krankheit eingesetzt werden kann. Mindestens so entscheidend ist auch die Frage, in welcher Arzneiform die jeweilige Heilpflanze optimal zur Wirkung kommt, zum Beispiel als Tee, Tinktur, Extrakt, Frischpflanzenpresssaft etc.
Vollständig vergessen ging in der Übersicht der Bereich Rheuma / Arthrose. Hier gibt es interessante und bewährte Heilpflanzen, die auch mit Patientenstudien erforscht werden, zum Beispiel Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), Weidenrinde (Salix-Arten), Weihrauch (Olibanum), Paprika (Capsaicin), Hagebutte.
Interessant ist, dass die Publikation von Pharmig herausgegeben wird, der Vereinigung pharmazeutischer Unternehmen. Es gibt in der Komplementärmedizin ein weit verbreitetes Feindbild, wonach die „Pharmaindustrie“ die Naturheilmittel kaputt machen will. Das ist ziemlich naiv, weil die Hersteller komplementärmedizinischer und phytotherapeutischer Präparate längst ein Teil der Pharmaindustrie sind. Sie sind bestens in die entsprechenden Branchenverbände eingebettet. Das pauschale Feinbild „Pharmaindustrie“ ist zwar unsinnig, doch soll die Absage an pauschale Feindbilder nicht davon abhalten, konkrete Pharmafirmen für konkrete Missstände zu kritisieren, wo dies nötig ist.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch