Univ.-Prof. Dr. Andreas Hensel von der Universität Münster präsentierte an den Südtiroler Herbstgesprächen eine völlig neue Erklärung für die Wirksamkeit von schleimhaltigen Heilpflanzen. Hier eine gekürzte und modifizierte Version dieser Informationen und anschliessend ein zusammenfassender Kommentar:
Schleimhaltige Heilpflanzen werden traditionell zur Behandlung von Reizzuständen oberflächlich geschädigter Haut und Schleimhaut im Mund- und Rachenbereich wie beispielsweise Schleimhautreizungen, Reizhusten und Katarre der oberen Atemwege eingesetzt. Im unteren Verdauungstrakt werden sie als Quellungs-Abführmittel zur Behandlung von Obstipation (Verstopfung), Colon irritabile (Reizdarm), entzündlichen Darmerkrankungen, zum Remissionserhalt und zur Behandlung von Hypercholesterinämie verwendet.
Isländisches Moos, Eibischwurzel, Huflattichblätter, Malvenblätter, Flohsamenschalen und Leinsamen
Eingesetzt werden hauptsächlich Isländisches Moos, Eibischwurzel, Huflattichblätter und Malvenblätter sowie Flohsamenschalen und Leinsamen. Was die Wirkung dieser Heilpflanzen betrifft, herrschte bisher die Meinung, dass sie viskose Lösungen bilden, welche die Schleimhaut überziehen und damit zum Beispiel den Hustenreiz lindern. Diese Begründung war nicht nur unbefriedigend, sie wurde auch kaum durch wissenschaftliches Datenmaterial unterstützt. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hensel vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster präsentierte bei den Südtiroler Herbstgesprächen neueste Forschungsresultate zur Wirkweise dieser Heilpflanzen.
So zeigten Forschungsarbeiten, dass die Inkubation von Gewebe mit den entsprechenden Polymeren tatsächlich zur Ausbildung einer Mucin-ähnlichen Schicht führt. Neben diesen physikalischen Auflagerungen ergaben sich für die Wissenschaftler jedoch überraschende Befunde, was die Einflüsse dieser Polysaccharide auf die Zellphysiologie betrifft.
So konnte beispielsweise für Eibischextrakt bzw. Eibisch-Polysaccharide nachgewiesen werden, dass sie die Proliferationsrate von epithelialen Schleimhautzellen signifikant beeinflussen, ohne dabei in einer gesteigerten Zellteilungsrate zu münden. Die Stoffwechselaktivität dieser Zellen wird durch die Polysaccharide signifikant und durch den Extrakt tendenziell gesteigert.
Dies lässt darauf schließen, dass durch den wässrigen Extrakt und die Polysaccharide die zellregenerativen Prozesse in den Epithelzellen sowie die Genexpression von Faktoren, die das Zellwachstum fördern, angeregt wurden. Weiters zeigten die Polysaccharide und der wässrige Extrakt keinen Einfluss auf die Zellen des dermalen Bindegewebes und auf Entzündungsprozesse.
Polysaccharide
Mittels Microarray-Technik konnte weiters belegt werden, dass die Polysaccharide zu einer gesteigerten Expression von Genen führen, die zur Bildung von Wachstumshormonen, extrazellulären Matrixproteinen und bestimmten Cytokinen führen. Anhand von konfokaler Laserscanningmikroskopie von Einzelzellen konnte gezeigt werden, dass Eibischpolysaccharide mittels Endosomen in die Zelle hinein aufgenommen werden. Ähnliche Resultate zeigten sich bei der Untersuchung von Indischen Flohsamenschalen: Auch Flohsamenschalen üben einen pro-proliferativen Effekt auf die Zellen aus ohne distinkte Rezeptoren zu beeinflussen.
Prof. Henschel zog aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass aus den vorhandenen Daten der Einsatz polysaccharidhaltiger Heilpflanzen zur Stimulation von Schleimhautzellen in Rahmen von oberflächlichen Entzündungen wissenschaftlich gerechtfertigt ist.
Quelle:
Pharmaceutical Tribune, 2. Jahrgang, Nr. 20/2010
http://www.pharmaceutical-tribune.at/dynasite.cfm?dsmid=106790&dspaid=908445
Kommentar & Ergänzung: Wirkungsweise von schleimhaltigen Heilpflanzen entschlüsselt
Ohne Kenntnis der Fachbegriffe nicht ganz einfach zu verstehen, dieser Text. Daher hier das wichtigste:
Schleimstoffe aus Heilpflanzen bilden offenbar nicht einfach nur eine schützende und reizlindernde Schicht auf Haut und Schleimhäuten, wie man sich das bisher dachte.
Sie dringen offenbar auch in die Schleimhautzellen ein und beeinflussen deren Stoffwechselaktivität günstig.
Das ist interessant hinsichtlich der Anwendung von schleimhaltigen Heilpflanzen gegen Reizhusten.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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