Am Institut CENTER für klinische und epidemiologische Erforschung von Darmerkrankungen in Rochester (USA) wurde eine Studie mit 75 Patienten, die an einem Reizdarm litten, durchgeführt, darunter 35 mit Reizdarm und Verstopfung, 35 mit Reizdarm und Durchfall und fünf mit Reizdarm und alternierender Verstopfung und Durchfall. Sie bekamen eine Dosis Plazebo oder 2,5 mg oder 5 mg Dronabinol. Der Wirkstoff in Dronabinol ist Tetrahydrocannabinol (THC), auch bekannt als wichtigster Inhaltsstoff der Cannabispflanze.
Gemessen wurden die Bewegungen des Dickdarms, der Tonus und die Wahrnehmung des Dickdarms im nüchternen Zustand und nach einer Mahlzeit. Ausserdem untersuchten die Forscher verschiedene Genvarianten:
– eine bestimmte Variante des Gens, das den Cannabinoid-1-Rezoptor codiert,
sowie
– eine Variante des Gens, das die Fettsäureamidhydrolase codiert, die für den Abbau des Endocannabinoids Anandamid verantwortlich ist.
Bei allen Patienten verminderte 5 mg Dronabinol die Dickdarmbewegungen im nüchternen Zustand. Die gemessenen Wirkungen waren bei Patienten, die an Durchfall oder wechselnd an Durchfall und Verstopfung litten, am stärksten ausgeprägt. Dronabinol zeigte keine Auswirkung auf den Tonus oder die Wahrnehmung. Die Motilität (Darmbewegungen) war abhängig von den untersuchten Gen-Varianten.
In tierexperimentellen Studien vermindern Dronabinol und andere CB1-Rezeptoragonisten die Darmmotilität. Verglichen mit den Opiaten ist diese Wirkung jedoch nur sehr gering ausgeprägt. Die aktuelle Studie zeigt, dass dieser Effekt vielleicht therapeutisch bei Reizdarm-Patienten mit Durchfall genutzt werden könnte.
Quellen:
– Wong BS, Camilleri M, Busciglio I, Carlson P, Szarka LA, Burton D, Zinsmeister AR. Pharmacogenetic Trial of a Cannabinoid Agonist Shows Reduced Fasting Colonic Motility in Patients with Non-Constipated Irritable Bowel Syndrome. Gastroenterology, 28. Juli 2011 [Elektronische Veröffentlichung vor dem Druck]
– THC Pharm
– http://www.journalmed.de/newsview.php?id=36032
Kommentar & Ergänzung:
Dronabinol zur Linderung der Beschwerden bei Reizdarm – diese Option ist natürlich noch weit entfernt von der Anwendung bei Reizdarm-Patienten.
Dronabinol wird bisher eingesetzt beispielsweise zur Linderung der Spastik bei Multiple-Sklerose-Kranken.
Siehe:
Cannabis als Heilmittel zulassen
Ergänzende Informationen zu Dronabinol (Quelle: Pharmawiki):
Dronabinol, besser bekannt als Tetrahydrocannabinol (THC), ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Cannabinoide, der natürlicherweise im Hanf vorkommt. In der Schweiz ist eine medizinische Anwendung mit einer Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit möglich. Der Wirkstoff wird vorwiegend als Lösung verabreicht und kann unter anderem gegen Schmerzen, Spastik, Appetitlosigkeit und Übelkeit infolge schwerer Erkrankungen eingesetzt werden. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören psychotrope Effekte, Verdauungsbeschwerden und Herz-Kreislaufstörungen.“
Zur rechtlichen Situation:
„Dronabinol ist ein Betäubungsmittel. Das Bundesamt für Gesundheit kann für die beschränkte medizinische Anwendung eine Ausnahmebewilligung erteilen. Eine solche Bewilligung erfordert einen detaillierten Antrag an die Sektion Grundlagen des BAG.“
Herstellung von Dronabinol:
„Apotheken können Dronabinol-Zubereitungen als Magistralrezeptur selbst herstellen oder in Lohnherstellung herstellen lassen.“
Dabei wird unterschieden zwischen
Öligen Dronabinol-Tropfen 2.5%
und
Dronabinol-Kapseln 2.5 mg, 5 mg,
In der Praxis werden vor allem die Tropfen eingesetzt. Die Kosten für die Therapie sind vergleichsweise hoch. In den Vereinigten Staaten ist Dronabinol in Form von Kapseln im Handel (Marinol®).
Struktur und Eigenschaften von Dronabinol
„Bei Dronabinol handelt es sich um (-)-trans-Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), ein natürlicher Inhaltsstoff der Hanfpflanze Cannabis sativa L. Dronabinol (C21H30O2, Mr = 314.5 g/mol) ist ein leicht gelbliches, harziges und klebriges Öl, das bei kalter Temperatur aushärtet. Aufgrund seiner hohen Lipophilie ist es in Wasser unlöslich. Zur Zubereitung der Lösungen werden in der Regel mittelkettige Triglyceride oder Sesamöl, für die Kapseln ein Hartfett oder Sesamöl verwendet. Sesamöl hat den Nachteil, dass es oxidationsempfindlich ist.“
Wirkungen von Dronabinol
Dronabinol hat antiemetische, appetitstimulierende, schmerzlindernde, entzündungshemmende, muskelentspannende, dämpfende und psychotrope Wirkungen.
Dronabinol wirkt zentral sympathomimetisch, was die unerwünschten Effekte auf den Herz-Kreislauf erklärt. Die Wirkungen werden mit der Bindung an Cannabinoid-Rezeptoren erklärt und setzen nach etwa 30-60 Minuten ein. Die psychotropen Effekte von Dronabinol halten 4-6 Stunden an, die Appetitstimulation bis zu 24 Stunden.
Indikationen von Dronabinol
„In den USA ist Dronabinol zur Behandlung der Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei AIDS-Patienten und als Mittel der 2. Wahl gegen Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie zugelassen. In der Schweiz wird es vorwiegend gegen chronische / neuropathische Schmerzen und Spastik eingesetzt.“
Dosierung von Dronabinol
Entsprechend der Arzneimittel-Fachinformation. Die Dosis muss individuell eingestellt werden.
„Dronabinol wird in der Regel peroral eingenommen. Es kann – ähnlich wie Cannabis – auch inhalativ in Form alkoholischer Lösungen verabreicht werden. Die öligen Tropfen sind geruch- und geschmacklos und werden zu oder nach einer Mahlzeit auf einem Stück Zucker oder Brot, auf einem Butterkeks oder in Joghurt eingenommen. Dabei soll beachtet werden, dass sie nicht wasserlöslich sind und deshalb nicht mit Tee oder Wasser verdünnt werden können. Zur Appetitsteigerung erfolgt die Einnahme vor den Mahlzeiten.“
Welche Kontraindikationen gibt es für Dronabinol?
Dronabinol darf bei Überempfindlichkeit, während der Schwangerschaft und während der Stillzeit nicht angewendet werden. Vorsicht ist nötig bei psychiatrischen Erkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aufgrund der Verminderung des Reaktionsvermögens ist eine Teilnahme am Strassenverkehr und das Bedienen von Maschinen nicht angezeigt und laut Gesetz verboten. Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen sind zu finden in der Arzneimittel-Fachinformation.
Interaktionen (= Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten)
Mit einer Reihe von Wirkstoffen wurden pharmakodynamische Interaktionen (Wechselwirkungen) beschrieben. Der zentral dämpfende Effekt kann bei gleichzeitiger Verabreichung von Alkohol, Beruhigungsmitteln, Antidepressiva, Schmerzmitteln und Schlafmitteln verstärkt werden. Anticholinergika können die Tachykardie (Herzrasen) verstärken.
Dronabinol besitzt einen hohen First-Pass-Metabolismus und eine schwache Bioverfügbarkeit von 10-20%. Der Wirkstoff wird in der Leber von CYP450 unter anderem zum aktiven Metaboliten 11-OH-Dronabinol biotransformiert. Nach einer Einzeldosis können Dronabinol und seine Umwandlungsprodukte noch 5 Wochen später im Urin und im Stuhl in geringen Konzentrationen nachgewiesen werden.
Unerwünschte Wirkungen von Dronabinol
Die Nebenwirkungen sind dosiabhängig, werden also hauptsächlich bei hohen Dosen beobachtet. Sie lassen sich unter anderem auf die sympathomimetischen und psychotropen Eigenschaften des Wirkstoffs THC zurückführen. Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen zählen Schwäche, Palpitationen, schneller Herzschlag, Gefässerweiterung, Flush, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Oft sind auch zentrale Störungen wie Amnesie, Nervosität, Verwirrung, Paranoia, Euphorie, Halluzinationen, Schläfrigkeit und abnormes Denken.
Das Abhängigkeitspotential wird für die aufgeführten Indikationen als gering bewertet. Dronabinol kann aber abhängig machen und bei hoher Dosis ein Abstinenzsyndrom verursachen, das sich unter anderem in Reizbarkeit, Schlafstörungen und Unruhe zeigt.
Literatur: Siehe Pharmawiki
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Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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