Wir Menschen neigen dazu, zeitlich zusammen fallende Ereignisse in einen ursächlichen Zusammenhang zu stellen, der gar nicht vorhanden sein muss.
Man nennt dies etwas umständlich den „Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlsschluss“.
Zu diesem Fehlschluss neigen wir häufig auch bei der Beurteilung von Heilwirkungen:
Ich leide an Krankheit Z
Ich nehme Präparat XY
Mir geht es besser
Schlussfolgerung: XY ist wirksam gegen Krankheit Z
Alle anderen Einflüsse, die zu meiner Gesundung beigetragen haben könnten, werden mit diesem Kurzschluss ausgeklammert (besipielsweise Selbstheilungskräfte, Veränderungen in den Lebensumständen, andere therapeutische Massnahmen, Placebo-Effekte).
Und genauso gibt es den „Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss“ bezüglich unerwünschter Nebenwirkungen:
Ich nehme Arzneimittel X
Ich bekomme Beschwerden Z
Schlussfolgerung: Arzneimittel X ist Auslöser der Beschwerden Z
Alle anderen Einflüsse, die zu den Beschwerden Z geführt haben könnten, werden ausgeklammert (beispielsweise andere Medikamente, Veränderungen in den Lebensumständen, Infektionen, Nocebo-Effekte).
Der „Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss“ ist der wichtigste Grund dafür, dass die Beurteilung von Heilwirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln so komplex ist, und dafür, dass einzelne Erfahrungen in dieser Hinsicht meistens wenig aussagen. Vor allem in der Komplementärmedizin hört man oft das Schlagwort „Wer heilt hat Recht!“. Dass die Realität nicht so simpel ist, dafür sorgt der „Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss“. Wer heilt hat nämlich nur Recht, wenn das entsprechende Heilmittel tatsächlich für die Besserung oder Heilung verantwortlich ist. Das gilt natürlich nicht nur für die Komplementärmedizin.
Es gilt für synthetische Medikamente, Phytotherapeutika, Präparate aus Homöopathie oder Anthroposophischer Medizin etc.
Siehe auch:
Komplementärmedizin: Wer heilt hat Recht?
Der „Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss“ ist ein starkes Argument für das Bestreben, Wirkungen von Arzneimitteln mittels systematischeren Untersuchungen zu klären, zum Beispiel in Form von Doppelblind-Studien.
Aber selbst Doppelblind-Studien können zu unterschiedlichen und widersprüchlichen Resultaten kommen.
Daher fasst man dann mehrere Doppelblind-Studien zu einer Metastudie zusammen, um auf diese Art und Weise fundiertere Schlüsse ziehen zu können. Das macht zum Beispiel die renommierte Cochrane Collaboration.
Aber selbst Metastudien können sich widersprechen….
zum Beispiel weil die Studien, welche man zur Auswertung in eine Metastudie einschliesst, mittels unterschiedlicher Kriterien ausgewählt wurden.
So müssen wir wohl oder übel auf die endgültige und umfassende Gewissheit in den allermeisten Fällen verzichten, denn die Beurteilung von therapeutischen Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen ist eben sehr komplex. Was uns aber nicht davon abhalten sollte, nach vorläufiger und notgedrungen bruchstückhafter Erkenntnis zu streben. Suchen ist manchmal wichtiger als Finden.
Keine kritischen Fragen stellen und jede Behauptung und Heilungsversprechung unbesehen für bare Münze zu nehmen ist jedenfalls keine Alternative.
Entscheidend scheint mir dabei ein sorgfältiger Umgang mit dem Begriff „Erfahrung“.
Siehe dazu:
Naturheilkunde – vom sorgfältigen Umgang mit Erfahrung
Naturheilkunde braucht sorgfältigeren Umgang mit Erfahrung
Naturheilkunde: Erfahrung genügt nicht als Begründung
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Pflanzenheilkunde
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch