Das Quietschen von Kreide auf einer Tafel, das Kratzen eines Messers auf Glas oder das Quietschen eines bremsenden Fahrrads empfinden die meisten Menschen als äusserst unangenehm. Mit Hilfe von Hirnscans stellten nun britische und deutsche Forscher fest, dass Töne zwischen 2.000 und 5.000 Hertz – das entspricht einem hohen Piepen – im Gehirn als Alarmauslöser wirken.
In der gleichen Tonlage liegen auch hohes Kreischen und Schreien, das in der Natur oft eine Gefahr anzeigt, schreiben die Wissenschaftler.
Ihre Studie wurde im Fachmagazin „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht.
Die Wahrnehmung solcher Töne löse eine Alarmreaktion aus. Dadurch werde unser Hörzentrum noch sensibler gegenüber dem potenziell Gefahr anzeigenden Laut und bewirke gleichzeitig instinktiv negative Gefühle. Es kommt sogar zu Körperreaktionen wie Zusammenzucken, Gänsehaut und dem Impuls, die Ohren zuzuhalten.
Bei dieser Reaktion setzt etwas sehr Primitives ein, schreibt Erstautor Sukhbinder Kumar von der Universität Newcastle, der die Forschungsarbeiten zusammen mit Kollegen vom Wellcome Trust Centre for Neuroimaging in London und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig durchgeführt hat.
Wenn wir solche als unangenehm empfundenen Töne wahrnehmen, schalte sich direkt das für Emotionen zuständige Hirnzentrum ein, die Amygdala (Mandelkern). Die Amygdala – ein Teil des Limbischen Systems – übernehme dann die Steuerung der Hörrinde und beeinflusse direkt unser Empfinden beim Hören solcher hochfrequenter Quietschtöne.
Die neuen Erkenntnisse könnten nach Ansicht der Wissenschaftler auch zur Klärung der Frage beitragen, warum zum Beispiel Menschen mit Migräne oder Autismus häufig speziell geräuschempfindlich sind. Die Forscher vermuten, dass bei diesen Menschen die Amygdala möglicherweise besonders stark reagiert und so verfrüht die Abwehrreaktion und Überempfindlichkeit auslöst.
Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler 13 Versuchspersonen 74 verschiedene, kurze Geräusche vorgespielt – vom Kratzen von Messer oder Gabel auf Glas über den Schrei einer Frau bis hin zu eher angenehmen Geräuschen wie dem Plätschern von Wasser. Die Probanden lagen unterdessen in einem Magnetresonanztomographen, dieser Hirnscanner zeichnete jeweils die Aktivität verschiedener Hirnbereiche auf. Nach jedem Ton sollten die Versuchpersonen auf einer Skala von 1 bis 5 festhalten, wie angenehm oder unangenehm sie das Geräusch empfanden.
Von den 74 Geräuschen am negativsten stuften die Probanden das Geräusch eines Messers oder einer Gabel auf Glas ein. Dicht dahinter an dritter Stelle folgte das berüchtigte Quietschen von Kreide auf einer Tafel. Auf den sechsten Platz schaffte es das Kreischen einer Frau, an achter Stelle folgte das Quietschen von Fahrradbremsen und immerhin an neunter das Weinen eines Babys.
Donner überraschend als angenehm empfunden
Klar als angenehm beurteilten die Versuchspersonen dagegen Babylachen, Applaus und seltsamerweise auch Donner. Die Analyse der akustischen Eigenschaften der als negativ empfundenen Geräusche zeigte ein klares Muster: Als sehr negativ empfundene Töne wiesen hohe Frequenzen und nur geringe Schwankungen im Laufe des Tons auf. Am stärksten seien die negativen Reaktionen bei hohen Tönen zwischen 2.000 und 5.000 Hertz ausgefallen, schreiben die Wissenschaftler.
In den Gehirnscans zeigten sich ebenfalls klare Zusammenhänge, berichten die Forscher: Je höher der Ton und je geringer die Modulation, desto stärker fiel auch die Reaktion der Amygdala in der rechten Gehirnhälfte aus. Dieses Emotionszentrum verarbeite sowohl die akustischen Eigenschaften der Töne und Geräusche als auch deren möglicherweise bedrohliche Bedeutung. Letztere löse schliesslich die instinktive Abwehrreaktion aus. Das erkläre, warum bei Geräuschen, welche die Versuchspersonen subjektiv als unangenehm einstuften, auch ihre Amygdala besonders aktiv war.
Quelle:
http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article109842774/Warum-uns-quietschende-Kreide-erschaudern-laesst.html
http://science.orf.at/stories/1706429/
http://www.jneurosci.org/content/32/41/14184
Kommentar & Ergänzung:
Endlich einmal eine Neuroforschung, die ich – via Gänsehaut – direkt nachvollziehen kann.
Die Frage, welche Geräusche als angenehm und welche als unangenehm empfunden werden, hat aber auch eine ganz lebenspraktische Bedeutung.
Da gibt es offenbar evolutionsbedingt festgelegte Kategorien, bestimmt aber auch kulturell und individuell geprägte Präferenzen.
Ich nehme mir jedenfalls vor, diesen Aspekten mehr Beachtung zu schenken und gelegentlich mal eine Liste zu erstellen mit für mich angenehmen und unangenehmen Geräuschen.
Dass Donner als positiv erlebt wird, hat mich zuerst auch überrascht. Ich glaube aber, dass hier der Kontext entscheidend ist. Als isolierte Erfahrung in einem Hirnscanner verliert der Donner jede Gefährlichkeit. Zudem gibt es sehr unterschiedliche Qualitäten von Donner. Wenn ein Gewitter sich von Ferne mit Donnergrollen ankündigt, dann spricht mich das auch noch überwiegend positiv an. Eine umfassende, „ganzheitliche“ Gewittererfahrung auf einem Berggipfel würde dem Donner aber eine andere Konnotation verleihen.
Das ist mir allerdings zum Glück noch nie passiert. Wer bei einem Gewitter noch auf einem Berggipfel steht, hat etwas falsch gemacht.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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