In einem diese Woche publik gemachten Brief fordert Peter Gøtzsche, der Leiter des angesehenen Nordischen Cochrane-Zentrums in Kopenhagen, dass die Regierungen der europäischen Länder den Pharmahersteller Roche verklagen und dass generell alle Produkte des Unternehmens boykottiert werden sollten – so lange, bis Roche fehlende Daten zu seinem Grippemittel Tamiflu (Oseltamivir) öffentlich macht.

Vor kurzem hatte auch die Chefredakteurin des „British Medical Journal“ (BMJ) in einem offenen Brief von Roche gefordert, die Studiendaten zum Grippemittel Tamiflu® endlich offenzulegen.

Siehe:

Tamiflu® – Roche verheimlicht weiterhin Studiendaten

Mit reichlich Verzögerung hat Roche nun darauf reagiert, aber kaum Neues gesagt.

In einer öffentlichen Stellungnahme des Pharmakonzerns heißt es, Roche akzeptiere den Vorwurf der mangelnden Transparenz nicht. Das Unternehmen halte sich an alle gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Publikation von Daten.

Man habe die Cochrane-Gruppe mit 3.200 Seiten Informationen ausgestattet, um ihre Fragen zu beantworten. Ein weiterer Antrag auf Auskunft sei jedoch verweigert worden, weil die Wissenschaftler es abgelehnt hätten, eine Vertraulichkeitserklärung zu unterzeichnen. Darüber hinaus behauptet Roche, den nationalen Gesundheitsbehörden vollständige klinische Daten zur Verfügung gestellt zu haben.

Die Cochrane-Wissenschaftler wiederum halten fest, ihnen sei eine solche Vertraulichkeitsvereinbarung nie angeboten worden. Darüber hinaus habe die Europäische Arzneimittel-Agentur ihnen bestätigt, dass ihr einige Module der Studien fehlten.

Quellen:

Tages-Anzeiger, 15. November 2012

http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2012/11/12/roche-reagiert-aber-liefert-keine-daten/8749.html

Kommentar & Ergänzung:

Natürlich können Aussenstehende nicht überprüfen, ob Roche relevante Daten zu Tamiflu-Studien zurückhält. Es liegt aber nicht an Roche zu entscheiden, ob die Cochrane-Forscher alle Daten haben, die sie benötigen. Und im Grunde ist es völlig ungehörig von Roche,  wenn der Konzern von den Wissenschaftlern eine Vertraulichkeitserklärung verlangt. Wissenschaft ist dazu da, dass die Ergebnisse publiziert werden.

Ich kann mich nur wiederholen:

Der amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) formulierte sehr prägnant „das erste Erfordernis des wissenschaftlichen Verfahrens – nämlich volle Öffentlichkeit der Materialien und Prozesse“.

(in: Erfahrung, Erkenntnis und Wert, S. 314, Suhrkamp 2004)

Ein Pharmakonzern, welcher derart grosse Summen mit staatlichen Gesundheitsinstitutionen verdient, ist der Öffentlichkeit verpflichtet. Kommt er dieser Transparenzforderung nicht nach, ist Boykott durch Behörden, Apotheken, Konsumentinnen und Konsumenten eigentlich nur eine folgerichtige Konsequenz.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

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