Fibromyalgie ist eine mysteriöse Krankheit mit vielfältigen Symptomen. Ihre Auslöser sind unbekannt, die Diagnose ist schwer zu stellen. Wissenschaftler am Universitätsklinikum Würzburg konnten nachweisen, dass bei Fibromyalgie Schäden im Bereich der kleinen Nervenfasern vorliegen.
Bei der Suche nach den Auslösern der typischen Fibromyalgie-Schmerzen konzentrierten sich die Forscher auf sogenannte kleinkalibrige schmerzleitende Nervenfasern (small fibers), deren Endigungen in der Haut lokalisiert sind. Sie sind für die Wahrnehmung von Schmerzen und für das Temperaturempfinden verantwortlich.
Die Untersuchungen zeigten bei Patienten mit einem Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern. Über die Resultate der Studie berichtet die Fachzeitschrift Brain.
Organische Grundlage des Fibromyalgie-Schmerzes identifiziert
Die Resultate der Studie fordern nach Ansicht der Autoren das bisherige pathophysiologische Konzept der Fibromyalgie heraus. Sie seien deshalb von beträchtlicher Relevanz. Mit dem Nachweis einer Beeinträchtigung der kleinen Nervenfasern bei Patienten mit Fibromyalgie erfülle Schmerz bei dieser Krankheit nun die Kriterien von neuropathischen Schmerzen, also von Schmerzen, die durch eine Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems ausgelöst werden.
Mediziner hätten nun erstmals ein objektiv messbares Kriterium an der Hand, an dem sie sich bei der Diagnosestellung orientieren können.
Die Studie zu den Ursachen der Fibromyalgie
Nurcan Üçeyler und Prof. Claudia Sommer haben in ihrer Studie 35 Patienten untersucht. 25 der Probanden litten an einer Fibromyalgie, zehn waren an einer Depression erkrankt – einer Krankheit, die Fibromyalgiepatienten oft zugeschrieben wird, weil es bisher an Kriterien für eine verlässliche Diagnose fehlte. Unter Schmerzen litten diese zehn Patienten nicht. Dazu rekrutierten die Wissenschaftler für jede Untersuchung passende Kontrollgruppen.
Die Medizinerinnen untersuchten die Studienteilnehmer mit drei spezifischen Testverfahren:
– Mit der quantitativen sensorischen Testung (QST) werden unter anderem thermische Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen der kleinen Nervenfasern bestimmt.
– Durch die Ableitung Schmerz-assoziierter evozierter Potenziale (PREP) ergeben sich Erkenntnisse über die elektrische Erregbarkeit der Nervenfasern.
– Stanzproben aus der Haut gestatten die Analyse der Morphologie unter dem Mikroskop.
Mit diesen drei Methoden stehen objektive Verfahren zur Verfügung, die sich bei der Beurteilung der kleinen Nervenfasern ergänzen und deren mehrdimensionale Analyse gestatten.
Die Resultate der Studie
Das Untersuchungsresultat war eindeutig. In allen drei Testverfahren fanden die Medizinerinnen bei Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern.
Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom reagierten in der QST weniger empfindlich auf Temperaturreize.
In den PREP-Ableitungen zeigten sie schwächere Antworten auf die Schmerzreize. Und auch unter dem Mikroskop fanden die Forscherinnen deutliche Veränderungen. In der Hautstanzbiopsie war die Anzahl der kleinen Fasern deutlich vermindert – ein Befund, der charakteristisch ist für Erkrankungen mit small-fiber-Beteiligung.
Besonders interessant für die Forscherinnen war die Erkenntnis, dass sich Fibromyalgie-Patienten in den Untersuchungsresultaten nicht nur von gesunden Studienteilnehmern unterschieden, sondern auch von den Patienten, die an einer Depression erkrankt waren, jedoch nicht unter Schmerzen litten – letztere zeigten ähnliche Resultate wie Gesunde. Obwohl Fibromyalgie-Patienten ähnlich zahlreiche depressive Symptome aufwiesen wie die depressiven Studienteilnehmer, zeigten nur sie eine Beeinträchtigung ihrer kleinen Nervenfasern.
Für die Wissenschaftlerinnen ist das Resultat der Studie eindeutig: Auch wenn noch nicht bekannt sei, weshalb es zu einer Schädigung der small fibers bei Fibromyalgie komme, könnten die Resultate die Basis für die Neudefinition des Fibromyalgie-Syndroms als Erkrankung schaffen.
Fibromyalgie was ist das?
Rund zwei bis vier Prozent der erwachsenen Bevölkerung westlicher Staaten leiden an einem Fibromyalgie-Syndrom. Es ist gekennzeichnet durch chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen und ausserdem durch weitere Beschwerden wie Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und depressive Symptome.
Frauen leiden häufiger am Fibromyalgie-Syndrom als Männer. Die Einbusse an Lebensqualität ist enorm.
Die Diagnose wird mittels der charakteristischen Beschwerdeschilderung der Patienten gestellt sowie nach Ausschluss von alternativen Diagnosen.
Bei der Untersuchung von Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom lassen sich charakteristischerweise weder klinisch noch laborchemisch noch mittels apparativer Zusatzdiagnostik krankhafte Befunde nachweisen.
Deshalb ist das Fibromyalgie-Syndrom bis heute noch nicht als „Krankheit“ anerkannt: Es mangelt am Nachweis des krankmachenden Auslösers beziehungsweise einer fassbaren Pathologie.
Fibromyalgie-Patienten werden daher in der Praxis oft nicht ernst genommen werden. Sie müssen sich häufig Bemerkungen wie „Fibromyalgie? Gibt es nicht.“ anhören.
Nicht selten werden sie auch mit der Ansicht konfrontiert, dass ihre Beschwerden Ausdruck einer Depression sind. Tatsächlich finden sich bei Fibromyalgie-Patienten oft auch depressive Symptome. Diese könnten allerdings genauso gut die Folge ihrer chronischen Schmerzen sein. Wegen dieser „Fehldiagnosen“ dauert es häufig Jahre, bis eine Fibromyalgie diagnostiziert und die Symptome therapiert werden.
Für Betroffene und Ärzte ist die lange Odyssee der Patienten oft ausgesprochen frustrierend und zudem mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden.
Quelle:
http://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/fibromyalg/
Kommentar & Ergänzung:
Interessante Forschung und informative Pressemeldung zum Thema Fibromyalgie.
Für Fibromyalgie-Betroffene ist es enorm wertvoll, wenn endlich organische Auslöser für ihre Beschwerden gefunden werden können.
Aus der Phytotherapie im weiteren Sinn habe ich gehört, dass manche Fibromyalgie-Patienten Linderung durch Cannabis finden, unter anderem auch in Form von Dronabinol.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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