Das macht er allerdings über weite Strecken sehr vage.
Beispielsweise:
„Zwar mehren sich die Hinweise, dass ätherische Öle tatsächlich helfen könnten, Krankheiten zumindest teilweise zu lindern. Doch noch ist Zurückhaltung geboten: Zum einen gibt es insgesamt noch zu wenige wissenschaftliche Studien, die eine ursächliche und spezifische Wirkung am Menschen und bei bestimmten Krankheiten eindeutig belegen. In der Regel sollte die Aromatherapie daher lediglich als Unterstützung bei der Behandlung von Patienten gesehen werden. Zum anderen bergen ätherische Öle mitunter auch Gefahren, zum Beispiel für Kinder, oder können allergische Reaktionen auslösen.“
Da bleibt ziemlich unklar, welche ätherischen Öle nun welche Krankheiten teilweise lindern können.
Konkreter ist der Hinweis auf die Wirkung von Lavendelöl bei Angststörungen:
„Deutsche Forscher gingen auch der Frage nach, ob natürliche Öle möglicherweise bei psychischen Erkrankungen helfen. In einer Doppelblindstudie, an der ein Hersteller für pflanzliche Arzneimittel finanziell beteiligt ist, verglichen sie die Wirkung von Lavendelöl bei Angststörungen mit jener des Wirkstoffs Lorazepam, einem Benzodiazepin. Demnach waren Lavendelölkapseln genauso wirksam wie Lorazepam. Im Gegensatz dazu machte der natürliche Wirkstoff aber nicht müde oder abhängig ‚und eignet sich deshalb gut für die Behandlung einer Angststörung, schreiben die Studienautoren im Fachmagazin ‚Phytomedicine’.“
Dabei handelt es sich allerdings um die Einnahme von Lavendelöl in Kapselform. Ich würde diese innerliche Anwendung eher zur Phytotherapie zählen als zur Aromatherapie, die ihren Fokus auf die Anwendung von Düften „via Nase“ legt.
Im Spiegel-Artikel wird zudem der emeritierte Chemie-Professor und Aromatherapie-Forscher Dietrich Wabner zitiert:
„Die Aromatherapie ist eine rationale Therapie mit pflanzlichen Ölen und fern aller Esoterik.“
Diese Aussage scheint mir ergänzungsbedürftig. Aromatherapie lässt sich meines Erachtens durchaus „rational“ betreiben, gestützt also zumindestens auf nachvollziehbare, überzeugende Argumente und zum Teil auch gestützt auf Forschungsergebnisse.
Die Praxis sieht aber schon sehr anders aus. Die meisten Aromatherapie-Bücher sind voll mit Angaben zu Wirkungen und Anwendungsbereichen der ätherischen Öle, bei denen nicht im geringsten nachvollziehbar ist, wie die Aussagen zustande gekommen sind.
Wenn da beispielsweise nur steht, Zedernholzöl wirke schützend oder Rosmarinöl stärke den Willen, dann wirft das eine ganze Reihe von Fragen auf. Wovor soll Zedernholzöl schützen? Lawinen, Insekten, böse Geister, schlechte Energien, Bakterien? Und wie bitte soll Rosmarinöl den Willen stärken? Das ist sehr erklärungsbedürftig.
Solche Aussagen sind kaum überprüfbar, weil nicht offengelegt wird, wie sie zustande gekommen sind. Um mir eine eigene Meinung darüber zu bilden, ob Zedernholzöl wirklich schützend wirkt, müsste ich erfahren, auf welchen Erkenntnissen diese Aussage basiert.
Wer vertritt sie? Wie kam dieser Mensch zu seiner Aussage?
Eigene Erfahrungen? Dann stellt sich die Frage, wie sorgfältig die Person sich mit ihren Erfahrungen auseinandergesetzt hat. Eigene Erfahrungen unterliegen sehr häufig Täuschungen.
Experimente? Studien mit Patienten? Dann wäre wichtig zu wissen, um welche Art von Experimenten oder Studien es sich handelt und wie glaubwürdig sie sind.
Nur wenn ich den Weg sehe, auf dem eine Aussage zustande gekommen ist, kann ich ihre Glaubwürdigkeit beurteilen. Diese Transparenz fehlt oft in der Aromatherapie-Fachliteratur, aber auch in den meisten Büchern über Pflanzenheilkunde.
Seriöse Phytotherapie-Fachliteratur dagegen basiert mit ihren Aussagen über Heilwirkungen von Arzneipflanzen auf überprüfbaren Quellen, wie zum Beispiel den Monografien der ESCOP.
In diesen Fällen lässt sich überprüfen, welche Fachleute für die Empfehlungen stehen und auf welcher Erkenntnisbasis sie ihre Schlussfolgerungen getroffen haben.
Prägnant formulierte der amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) „das erste Erfordernis des wissenschaftlichen Verfahrens – nämlich volle Öffentlichkeit der Materialien und Prozesse“.
(in: Erfahrung, Erkenntnis und Wert, S. 314, Suhrkamp 2004)
Quellen:
Die Spiegel-Zitate:
Die Studie zur Wirkung von Lavendelölkapseln gegen Angststörungen:
http://www.phytomedicinejournal.com/article/S0944-7113(09)00261-X/abstract
Es handelt sich dabei um das Präparat Lasea®.
Siehe dazu:
Studie: Lavendelöl lindert Angststörungen
BfArM wehrt sich gegen Kritik an der Zulassung des Lavendelölpräparats Lasea
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch