Ich kann sie nicht mehr hören, die leeren Phrasen zur Schlacht um Kobane – zumal von Leuten, die es in der Hand hätten, das Blatt zu wenden – wie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die Türkei scheint sich noch nicht entschieden zu haben, auf welcher Seite sie steht. Das sollte die internationale Gemeinschaft der Türkei nicht so schnell vergessen.
Dass niemand so locker mit Bodentruppen in diesen Konflikt einsteigt, ist sehr nachvollziehbar. Aber es ist vollkommen unakzeptabel, wie fundamental die Kurden in Nordsyrien im Stich gelassen werden. Die syrischen Kurden sind meinem Eindruck nach diejenigen, die diesen IS-Mörderbanden bisher am Boden am mutigsten und am wirksamsten entgegentreten. Die syrischen Kurden haben eine Selbstverwaltung eingerichtet mit demokratischen Elementen, einer vergleichsweise fortschrittlichen Stellung der Frau und einem politischen Ansatz, der unterschiedlichen Religionen und Ethnien ein Zusammenleben ermöglicht.
Wer steht in dieser Weltregion unseren europäischen Werten näher als die Kurden in Nordsyrien? Wer eignet sich besser für den unumgänglichen Kampf am Boden, um diese IS-Mörderbanden auszuschalten? Und diese potenziellen Verbündeten lässt man so schmählich im Stich?
Offenbar sind jetzt wenigstens diese Luftangriffe etwas effektiver geworden. Es sieht so aus, als wenn die Zielmarkierung verbessert wurde. Hätte man wohl auch früher haben können, wenn man es denn gewollt hätte.
Aber das reicht nicht. Die Kurden bitten um panzerbrechende Waffen und um einen Korridor durch die Türkei, damit bereitstehende Kämpfer in Nachbarregionen die Verteidiger von Kobane verstärken können.
Mir ist völlig unverständlich, warum auf diese Bitte niemand eingeht. Qualitativ gute Luftaufklärung wäre ein weiterer Punkt, der den Abwehrkampf der Kurden erleichtern könnte.
Der Propagandaerfolg, den die IS-Banden einfahren, wenn Kobane fällt, wird riesig sein und ihnen reichlich Nachschub an weiteren Kämpfern bescheren. Das kann niemand wollen, ausser die IS- Banden selbst und ihre Sympathisanten.
Obama hat aber schon Recht, wenn er sagt, dass es Bodentruppen braucht und einen politischen Prozess, um diesen Terrorbanden den Boden zu entziehen.
Mir fehlt aber da noch etwas: Nötig wäre meiner Ansicht nach auch eine starke Reaktion der Zivilgesellschaft in Europa und den USA. Es sind unsere Werte, die bedroht sind. Nicht nur fern im Irak und in Syrien, sondern auch bei uns. Beispielsweise wenn Islamisten sich hier radikalisieren, in den Dschihad ziehen und wieder zurückkehren. Das kann nicht nur ein Problem der Nachrichtendienste und der Polizei bleiben. Das geht auch die Bürgerinnen und Bürger etwas an.
Wie eine wirksame und sinnvolle Reaktion aussehen könnte, ist mir noch nicht so klar. Spontan kommt mir in den Sinn, dass es aktive Ausstiegshilfen für Islamisten geben müsste, ähnlich wie die Ausstiegshilfen für Neonazis in Deutschland. Solche Organisationen zur Ausstiegshilfe müssten aufgebaut werden in Kooperation mit moderaten Musliminnen und Muslimen in der Schweiz.
Ein Projekt der Zivilgesellschaft ist der Blog Dschihad-Info.
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