Wenn der Geburtstermine überschritten ist – das Baby aber nicht kommt – werden verschiedene Hausmittel und Tricks empfohlen, um die Wehentätigkeit anzuregen. Rizinusöl zur Geburtseinleitung ist eines der bekanntesten traditionellen Mittel.
Eindeutige Belege für die Wirksamkeit von Hausmitteln wie Rizinusöl, Bewegung, Sex oder Darmspülung gibt es allerdings nicht.
Bisher ist auch nicht abschliessend wissenschaftlich geklärt, wie eine Geburt genau ins Rollen kommt.
Man vermute, dass das Kind selbst ein Reifesignal gebe und damit die Wehentätigkeit aktiviere, sagt Renate Nielsen vom Deutschen Hebammenverband.
Hausmittel könnten diesem Prozess höchstens einen letzten Schubs geben, meint dazu der Leiter der Universitäts-Frauenklinik am Campus Lübeck, Achim Rody. Von Experimenten im Alleingang rät er Schwangeren ab und weist darauf hin, dass besonders Rizinusöl nicht ohne die Betreuung einer Hebamme oder eines Arztes eingenommen werden sollte.
Rizinusöl aus den Samen des tropischen Wunderbaums (Ricinus communis) ist eine der bekanntesten alternativen Einleitungsmethoden.
Getrunken wird der Rizinus-Cocktail in einer Kombination mit Mandelmus, süßem Saft und Alkohol, oft Aprikosensaft und Sekt. Die abführende Wirkung auf den Darm soll die Gebärmutter zu Kontraktionen anregen. Die Universitäts-Frauenklinik Ulm führte im Jahr 2009 eine Studie mit 120 Frauen durch, die tatsächlich eine Wirkung bei Mehrgebärenden belegt hat – zumindest im direkten Vergleich mit sogenannten Prostaglandin-Gelen. Letztere können den Gebärmutterhals und den Muttermund auf die Geburt vorbereiten, ein Prozess, der von Medizinern und Hebammen Reifung genannt wird.
In einer Metastudie der renommierten Cochrane Database, in der drei Rizinusöl-Testreihen mit total 233 Frauen verglichen wurden, konnten allerdings keine Effekte auf den Geburtsverlauf belegt werden. Nachteile zeigten sich hingegen schon: Alle teilnehmenden Frauen sagten, dass sie nach der Einnahme des Rizinus-Cocktails unter Übelkeit litten. „Eine solche Nebenwirkung sollte man bei hochschwangeren Frauen nicht provozieren, warnt Achim Rody und ergänzt: „Rizinusöl kann zu starken Durchfällen führen und den Körper der Frau unnötig schwächen.“ Zudem sei der in den Cocktail-Rezepten enthaltene Alkohol tabu.
Quelle:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD003099.pub2/abstract
Kommentar & Ergänzung:
Rizinusöl zur Geburtseinleitung wirkt wahrscheinlich nicht nur mechanisch über eine Anregung der Darmperistaltik wehenfördernd auf die Gebärmutter.
Ricinolsäure, die im Darm bei der Spaltung von Rizinusöl entsteht, bindet direkt an zwei Rezeptoren, die als Andockstellen für Prostaglandin E2 dienen.
Prostaglandin E2 wirkt wehenfördernd und wird auch isoliert zur Einleitung der Geburt verwendet.
Quelle: http://www.spektrum.de/news/wehenfoerdernde-wirkung-von-rizinusoel-aufgeklaert/1152212
In der Geburtshilfe kommt Prostaglandin E2 unter dem Wirkstoffnamen „Dinoproston“ zur Anwendung – am Termin oder nahe am Termin mit ausreichender Geburtsreife der Zervix (ab der 38. Schwangerschaftswoche). Bei der Anwendung müssen zahlreiche Vorsichtsmassnahmen beachtet werden.
Quelle: http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Dinoproston&Spez=True#bottom
Es spricht also viel dafür, dass Rizinusöl seine wehenfördernde Wirkung über diesen Prostaglandin-E2-Effekt auslöst.
Die Empfehlung, den Rizinusöl-Cocktail nur in enger Absprache mit einer Hebamme einzunehmen, ist daher gut begründet. Man muss vorher abgeklärt haben, wo der Geburtsvorgang steht. Wikipedia schreibt dazu:
„Der gewünschte Effekt der Geburtseinleitung kann nur dann eintreten, wenn sich auch der Muttermund öffnet. Daher birgt die Einnahme eines Wehencocktails bei noch nicht geburtsbereiten Frauen (fehlende Muttermundreife) Gefahren für Mutter und Kind.“
Und zu guter Letzt: Rizinusöl wird in der Phytotherapie natürlich vor allem als Abführmittel beschrieben und eingesetzt.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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