Die Deutsche Apotheker Zeitung berichtet über die Bewertung von Erkältungsmitteln durch die „Stiftung Warentest“ und vergleicht die Empfehlungen mit der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Bei den Hustenmitteln haben dabei die Phytopharmaka (Heilpflanzen-Präparate) eine überraschend gute Stellung.
Werden Schleimlöser oder Hustenstiller gewünscht, können laut Stiftung Warentest bei Reizhusten Dextromethorphan oder zur Schleimlösung Acetylcystein (ACC) oder Ambroxol zur Anwendung kommen.
ACC und Ambroxol allerdings nur mit Einschränkung, da ihre Wirksamkeit nicht bewiesen sei. Aus dem selben Grund rät die DEGAM-Leitlinie „Husten“ von ACC und Ambroxol ab, für Hustenstiller sieht sie nur in Ausnahmefällen eine Berechtigung, zum Beispiel nachts, um besser schlafen zu können.
In der Bewertung der „Stiftung Warentest“ finden sich auch Phytopharmaka, nämlich Spitzwegerichextrakt gegen Hustenreiz und Schleimlöser mit Efeu oder Thymian. Aber auch sie werden nur mit Einschränkung empfohlen, da sie nicht ausreichend erforscht seien.
Die DEGAM-Leitlinie dagegen steht den Phytopharmaka offener gegenüber. Sie anerkennt insbesondere für Myrtol Hinweise auf positive Effekte. Myrtol wird von der „Stiftung Warentest“ gar nicht erwähnt. Auch Kombipräparaten von Thymianextrakt mit Efeuextrakt beziehungsweise Thymianextrakt mit Primelwurzel-Extrakt wird in der DEGAM-Leitlinie durchaus ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zugeschrieben. Sie schreibt deshalb, dass bei entsprechendem Therapiewunsch des Patienten diese Phytopharmaka zur moderaten Symptomlinderung bzw. – verkürzung bei Erkältungshusten bzw. akuter Bronchitis erwogen werden können.
Quelle:
Kommentar & Ergänzung:
Dann will ich mal versuchen, nachfolgend bei den aufgeführten Hustenmittteln Phytopharmaka und synthetische Mittel gegenüber zu stellen.
Die Hustenstiller:
Bei Hustenstillern und insbesondere bei Schleimlösern stehen die Phytopharmaka im Vergleich mit den synthetischen Wirkstoffen gut da, was die wissenschaftlichen Belege und die Sicherheit angeht.
Mag sein, dass Spitzwegereichextrakt als Hustenstiller nicht ausreichend erforscht ist. Aber schauen wir uns einmal die synthetische Alternative Dextromethorphan an. Die Wirksamkeit von Dextromethorphan ist zumindestens fragwürdig. Der WDR hat den Forschungsstand am 15. 12. 2014 zusammengefasst und beruft sich dabei auf die renommierte Cochrane Collabortion:
„Die Cochrane Collaboration hat insgesamt 26 Studien zu Codein- und Dextromethorphan-haltigen Präparaten beurteilt. Das Fazit: Die Studienlage ist insgesamt uneinheitlich: Oft zeigten unterschiedliche Studien widersprüchliche Ergebnisse. Daher kann das Expertengremium keine wirkliche Empfehlung für oder gegen Hustenstiller aussprechen. Zudem wirkte Honig in vielen Studien sogar besser als Dextromethorphan.“
Quelle: http://www1.wdr.de/themen/wissen/erkaeltungsmittel114.html
Sehr überzeugend tönt das nicht, wenn sogar Honig besser wirkt als Dextromethorphan.
Spielstand Hustenstiller: Spitzwegerichextrakt : Dextromethorphan 1:1
Dazu kommt aber noch die Frage nach den Risiken: Beim Spitzwegerichextrakt sind Risiken nicht bekannt und auch nicht zu erwarten.
Bei Dextromethorphan sieht das ganz anders aus:
„Nebenwirkungen treten unter Dextromethorphan in geringer Dosierung relativ selten auf. Bei einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung (je nach Quelle 1 %-10 %) findet sich jedoch eine pharmakogenetische Schwäche des Cytochrom-P450-Enzyms CYP2D6, so dass bereits bei therapeutischer Dosierung Halluzinationen, Realitätsverlust und psychotische Episoden auftreten können. Gelegentlich sind Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen zu beobachten. Bei einigen Personen kann auch eine niedrige Dosis Juckreiz auslösen. Bei einer Überdosierung kann es zu Halluzinationen und psychotischen Episoden kommen.“
Quelle: Wikipedia
Dextromethorphan zeigt zudem Wechselwirkungen insbesondere mit bestimmten Antidepressiva und mit Alkohol.
Und dann gibt es noch ein Missbrauchsrisiko:
„Dextromethorphan wird auch missbräuchlich eingenommen, da es in hohen Dosen dissoziative und anderweitig berauschende Effekte hat (ähnlich der bei niedrig dosiertem Ketamin). Der Missbrauch von Dextromethorphan kann eine Drogenpsychose nach sich ziehen, unkontrolliertes Verhalten kann zur Selbst- oder Fremdgefährdung führen. Regelmäßige missbräuchliche Einnahme kann zur Suchterkrankung führen, unter Umständen ist auch mit Hirnschäden zu rechnen.
Direkt durch Dextromethorphan bedingte Todesfälle sind theoretisch möglich, dafür aber müsste es in einer derart hohen Dosis eingenommen werden, wie es in der Praxis kaum möglich ist. In der Kombination mit Paracetamol sind jedoch Todesfälle bekannt. Zum Missbrauch vom Dextromethorphan sind nur wenige Studien verfügbar. Die bekannteste Arbeit zum Thema stellt wohl die DXM-FAQ von William E. White, einem amerikanischen Dextromethorphan-Forscher, dar. Seine Thesen stützen sich teilweise auf Berichte von mehreren Hundert Konsumenten.“
Quelle: Wikipedia
Das spricht gegen Dextromethorphan und für Spitzwegerichextrakt.
Fazit:
Spielstand Hustenstiller: Spitzwegerichextrakt : Dextromethorphan 2:1
Und nun zu den Schleimlösern:
Halten wir fest: Die Wirksamkeit der oft konsumierten synthetischen Wirkstoffe Acetylcystein und Ambroxol ist nicht belegt.
Acetylcystein ist beispielsweise enthalten in ACC Sandoz® (früher ACC eco®), Ecomucyl®, Fluimucil®, Mucostop® und Solmucol®;
Ambroxol beispielsweise in Mucosolvon® und Bisolvon Ambroxol®.
Gut belegt sind dagegen verschiedene Phytopharmaka als Schleimlöser:
Kombipräparate von Thymianextrakt mit Efeuextrakt beziehungsweise Thymianextrakt mit Primelwurzel-Extrakt, ausserdem Myrtol (enthalten in Gelomyrtol®).
Spielstand Schleimlöser: Phytopharmaka : Acetylcystein / Ambroxol 1 : 0
Fazit Hustenmittel insgesamt: Phytopharmaka : Synthetika 3 : 1
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
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