Früher war die Rede von Frühlingskuren.
Seit einigen Jahren nun haben jeden Frühling Detox-Programme aller Art Hochkonjunktur. Das tönt schon mal viel hyper.
Da werden detaillierte Entgiftungkuren mit Gemüsesäften und grünen Smoothies propagiert und zum Teil teuer verkauft.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die ganzen Detox-Konzepte basieren auf falschen Vorstellungen. Uns werden nicht existierende Probleme eingeredet, damit man uns passende (Schein)Lösungen verkaufen kann.
Detox-Programme um unseren Organismus von Giftstoffen zu befreien sind unwirksam und unnötig. Wo dies möglich ist, schafft unser Organismus die Entgiftung nämlich ganz alleine. Diese Kompetenz sollte man unserem Organismus nicht absprechen.
Die österreichische Zeitung „Kurier“ hat sich mit dem Thema Detox befasst. Der Artikel zitiert den US-amerikanischen Mediziner Timothy Caulfield und den Ernährungswissenschaftler Jürgen König von der Universität Wien.
Hier eine kurze Zusammenfassung:
Der US-amerikanische Mediziner Timothy Caulfield hat ein viel zitiertes Buch geschrieben, in dem er die Beauty- und Gesundheitstipps der Stars anzweifelt. Darin stellt er fest: „Ohne die Befürwortung von Prominenten wären Trends wie glutenfreie Ernährung, Saftkuren und Detox nicht mal annähernd so beliebt.“
Wissenschaftlich gesehen hat der Entgiftungshype jedenfalls keine Berechtigung.
Timothy Caulfield:
„Aus medizinischer Sicht gibt es absolut keinen Grund für ‚Detox‘. Es ist auf so vielen Ebenen absurd: Unser Körper braucht keine Entschlackungskur und es gibt keinen Beweis dafür, dass die vorgeschlagenen Produkte irgendetwas bringen. Das ist totaler Quatsch.“
Caulfield kritisiert die Saftkuren, die auch hierzulande immer beliebter werden. Firmen wie „Frank Juice“ oder „Detox Delight“ bieten gepresste Gemüsesäfte und -suppen an, die für einen bestimmten Zeitraum nachhause geliefert werden. Entschlankt wird dabei insbesondere das Konto: Säfte für eine fünftägige Detox-Kur sind ab 200 Euro zu bekommen. „Sparen Sie Ihr Geld lieber und legen Sie Wert auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung“, empfiehlt Caulfield.
Die Idee hinter dem Detox-Hype lässt sich schnell erklären: Gemäss Oxford Dictionary bezeichnet „Detoxification“, kurz Detox, den Prozess, den Körper von giftigen Substanzen zu befreien.
Alles Unsinn, meint dazu Univ.-Prof. Jürgen König, Leiter des Department für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien. Entgiften sei eine der Hauptaufgaben unseres Körpers – die Leber filtert Giftstoffe aus dem Blut, Nieren und Darm sorgen dafür, dass Schadstoffe über Urin und Stuhl ausgeschieden werden:
„Wenn wir uns halbwegs vernünftig ernähren, können wir unseren Organismus so am Laufen halten, dass er automatisch Giftstoffe ausscheidet“, stellt König fest, und ergänzt:
„Wenn der Stoffwechsel grundsätzlich gut funktioniert, muss man die Entgiftung nicht fördern. Es gibt auch keine Nährstoffe, die den Körper besonders dazu befähigen, zu entgiften. “
Der einzige Weg, wie wir unserem Körper beim Entgiften helfen können, sei trinken, trinken, trinken:
„Wir brauchen Wasser, um Giftstoffe auszuschwemmen. Im Wesentlichen geht es um die Flüssigkeitszufuhr. Dann braucht man nichts Zusätzliches.“
Jürgen König unterstreicht zudem, dass normalgewichtigen Frauen eine Saftkur mehr schaden als nutzen kann:
„Wenn eine ohnehin schlanke Person noch weniger isst, kann es zu Mangelerscheinungen kommen.“
Denn eine Saftkur bedeutet für den Organismus eine extrem einseitige Ernährung: Die kaltgepressten Smoothies weisen einen hohen Fruchtzuckeranteil auf und enthalten häufig zu wenig Ballaststoffe.
Viel-Essern könne die kurzzeitige Saftkur gut tun, sagt König. Das sei dann aber kein Entgiftungs- oder Detox-Effekt, sondern eine Auswirkung dessen, dass man weglässt, was man sonst zu viel isst. Ob man eine Saftkur mache oder eine Woche nur Gemüse esse, mache aber keinen Unterschied:
„Die Menschen fühlen sich besser, weil sie sich besser ernähren.“
Die zusätzliche Aufnahme von Nährstoffen habe keinen positiven Effekt, warnt Ernährungswissenschaftler König. Im Gegenteil:
„Bei extrem hoher Aufnahme von Beta-Carotin (u. a. in Karotten und Paprika enthalten, Anm.) kann es so weit gehen, dass freie Radikale gefördert werden, statt dass man geschützt wird.“
Laut König sollte man auch den psychologischen Effekt nicht außer Acht lassen:
„Man gibt ein paar hundert Euro aus, dann will man auch, dass es etwas bringt. Im Endeffekt ist es ein super Geschäft. Die Rohmaterialien kosten kaum etwas, mit der richtigen Vermarktung kann man eine sehr hohe Gewinnspanne erzielen.“
Statt viel Geld für cleveres Marketing auszugeben, helfe auf Dauer nur ein gesunder Lebensstil, erklärt Jürgen König: ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, keine Zigaretten, wenig Alkohol. Und dazu, auch wenn es viele Leute nicht hören wollen: Verzicht.
„Unsere Ernährung ist eigentlich so gut, dass wir uns keine Gedanken machen müssen. Wenn, dann ist es das Zuviel, das uns Sorge machen müsste. Das kann man aber nicht mit Säften ausschwemmen. Man muss es einfach nur weglassen.“
Quelle:
http://kurier.at/wellness/der-detox-schmaeh-warum-saftkuren-nur-ins-geld-gehen/196.906.712
Kommentar & Ergänzung:
Es gibt natürlich schon Schadstoffe, die unser Organismus nicht ausscheiden kann. Zum Beispiel fettliebende Umweltchemikalien, die sich im Fettgewebe ablagern. Diese Stoffe lassen sich aber auch mit Detox-Programmen nicht eliminieren.
Die wichtigste Aussage von Jürgen König ist für mich aber, dass unser Hauptproblem ernährungsmässig ein „Zuviel“ ist, und nicht ein Mangel. Das gerät immer wieder leicht in Vergessenheit. Wir haben diesbezüglich eigentlich vor allem Luxusprobleme – insbesondere wenn man vergleicht mit vielen anderen Weltgegenden. Auch die vielen Nahrungsergänzungsmittel, die viele Leute bei uns konsumieren zu müssen glauben, sich ein Luxusproblem. Wer überzeugt davon ist, solche Detox-Programme zu brauchen, der soll sie halt konsumieren. Ausreden muss man das niemandem.
Nur wenn solche Entgiftungskuren als „gesund“ und „unumgänglich nötig“ propagiert werden, dann ist Einspruch angebracht. Wenn die Ansicht propagiert wird, dass alle Menschen „Detox“ brauchen, dann sollte klar gestellt werden, dass davon vor allem die Hersteller und Verkäufer profitieren.
Siehe auch:
Detox – Fragwürdiger Trend mit Entgiftungskuren
Detox-Kuren – eingebildete Lösungen für nicht existierende Probleme
Detox-Rezepturen: Entgiftungsmittel meiden
Michèle Binswanger im Tages-Anzeiger über Entgiftung und Detox für Deppen
Entgiftungsdiäten / Detox-Diäten – Bodenlose Versprechungen
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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