Der Wirkstoff Epigallocatechingallat (EGCG) aus Grüntee soll einer Studie zufolge das Erinnerungsvermögen von Menschen mit Downsyndrom signifikant verbessern.
EGCG aus Grüntee kann die Gehirnaktivitäten von Menschen mit Downsyndrom deutlich verbessern. Zu diesem Resultat kommt eine Phase-2-Studie, die im Fachmagazin „The Lancet Neurology“ publiziert wurde. Nach einem einjährigen klinischen Test wiesen die Patienten ein deutlich verbessertes Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen auf, schreiben die beteiligten Forscher: Erstmalig habe hier eine Behandlung bei den kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit diesem Syndrom Wirkung gezeigt. Unabhängige Experten werteten die Befunde als vielversprechend.
Epigallocatechingallat verbessert nach Angaben der Studienautoren das Zusammenspiel von Neuronen im Gehirn. An dem klinischen Test beteiligten sich 84 junge Erwachsene mit Downsyndrom, von denen die eine Hälfte mit dem Wirkstoff EGCG behandelt wurde, während die andere ein Placebo bekam. Jene Probanden, die den Wirkstoff EGCG erhielten, zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe nach einem Jahr deutlich bessere Leistungen beim Erinnern von Worten und Mustern sowie bei der Fähigkeit, ihr Verhalten der Umgebung anzupassen. Ein weiteres Resultat der Studie: Je länger die Probanden das Präparat einnahmen, desto besser wurden die Leistungen. Die positiven Effekte konnten bis zu einem halben Jahr nach Ende des Tests festgestellt werden.
Das Präparat verspreche keinesfalls eine Heilung der Symptome, betonte die Hauptautorin der Studie, Mara Diersson. Sie weist aber darauf hin, dass es ein Instrument sein könnte, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Laut WHO betrifft das Downsyndrom (Trisomie 21) etwa einen von tausend Menschen. Es handelt sich dabei um einen Gendefekt, der individuell unterschiedliche kognitive und sensorische Beeinträchtigungen verursacht. Häufig leiden Menschen mit Trisomie 21 auch an körperlichen Auffälligkeiten wie Atemwegserkrankungen oder Funktionsstörungen der Schilddrüse. Bei 40 bis 60 Prozent der Menschen mit Downsyndrom ist ein angeborener Herzfehler vorhanden.
Quelle:
https://derstandard.at/2000038366599/Down-Syndrom-Gruener-Tee-wirkt-positiv-auf-das-Gehirn
Originalstudie: Safety and efficacy of cognitive training plus epigallocatechin-3-gallate in young adults with Down’s syndrome (TESDAD): a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 2 trial
https://www.thelancet.com/journals/laneur/article/PIIS1474-4422(16)30034-5/fulltext
Kommentar & Ergänzung:
Interessanter Ansatz, aber wie meistens bei Phase-2-Studien bleibt eine ganze Reihe von Fragen noch offen. Die kleine Zahl der Teilnehmenden limitiert die Aussagekraft.
Ausserdem werden die Studienresultate im „Standard“ meinem Eindruck nach etwas einseitig dargestellt. Als primärer Endpunkt nennt die Studie Verbesserung in einer Reihe von kognitiven Tests:
„The primary endpoint was cognitive improvement assessed by neuropsychologists with a battery of cognitive tests for episodic memory, executive function, and functional measurements.“
Die Resultate zeigen aber, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Tests kein signifikanter Unterschied zwischen EGCG und Placebo festzustellen war:
„Differences between the groups were not significant on 13 of 15 tests in the TESDAD battery and eight of nine adaptive skills in the Adaptive Behavior Assessment System II (ABAS-II).“
Nur bei einzelnen Testverfahren war EGCG signifikant besser als Placebo.
Die Forscher haben das differenziert dargestellt. Im „Standard“ dagegen werden die Rosinen herausgepickt.
Der Titel in der Originalstudie ist neutral:
„Safety and efficacy of cognitive training plus epigallocatechin-3-gallate in young adults with Down’s syndrome (TESDAD): a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 2 trial“
Der Titel im „Standard“:
„Downsyndrom: Grüner Tee wirkt positiv auf das Gehirn“
… macht dagegen schon eine abschliessende Versprechung, die von einer Phase-2-Studie so nicht gestützt werden kann und in der Studie auch viel differenzierter dargestellt wird.
Eine Phase-2-Studie dient der Überprüfung des Therapiekonzepts (Phase 2a) und bzw. der Findung der geeigneten Therapiedosis (Phase 2b).S ie kann keinen signifikanten Wirksamkeitsnachweis bringen. Siehe auch: Phasen einer Arzneimittelstudie auf Wikipedia.
Laut Originalstudie war die verabreichte EGCG-Dosis 9 mg pro Kilo Körpergewicht und Tag.
EGCG macht laut Wikipedia etwa ein Drittel der Trockenmasse des Grüntees aus.
Ein Teebeutel Grüntee à 2g enthält auf dieser Basis berechnet also etwa 666,66 mg EGCG. Auch wenn sich diese Menge wohl nicht vollständig im Teewasser lösen wird, scheint es plausibel, dass eine Zufuhr von 9 mg pro Kilo Körpergewicht und Tag auch per Tee zuführbar wäre.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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