Ein Wirkstoff aus der Mutterkraut-Pflanze fördert die Regeneration geschädigter Nervenfasern.
Experimente zeigen, dass sich dadurch bei Mäusen ein verletzter Ischiasnerv deutlich rascher regeneriert als normal. Das begründet die Hoffnung, dass dieser Naturstoff auch die Regeneration von schlecht oder gar nicht heilenden Nervenschäden beim Menschen fördern könnte, schreiben die beteiligten Wissenschaftler im Fachmagazin „Journal of Neuroscience“.
Das Mutterkraut (Tanacetum parthenium) gleicht mit seinen weißgelben Blüten ein bisschen der Kamille – und wie diese ist es eine seit Jahrhunderten verwendete Heilpflanze. Bereits der griechische Arzt Dioskurides beschrieb im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung das Mutterkraut in seinem Werk und im Mittelalter wurde es als Fiebersenker und als Helfer bei Schwangerschaftsbeschwerden eingesetzt.
Nun zeigt sich, dass der Mutterkraut-Wirkstoff auch entscheidend dazu beitragen könnte, Nervenschäden zu heilen.
Solche durch Verletzung, Diabetes oder die neurotoxische Wirkung des Alkohols entstandenen Neuropathien sind bisher kaum heilbar, weil Nervenfasern sich nur schwer regenerieren. In der Behandlung lässt sich deshalb häufig nur ein Stillstand der Erkrankung erreichen.
Dietmar Fischer von der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und seine Kollegen haben für ihre Studie einen Wirkstoff des Mutterkrauts näher untersucht, das sogenannte Parthenolid. Wie sich bei Experimenten mit Zellkultur zeigte, kann Parthenolid das Wachstum von Nervenfasern deutlich beschleunigen. Ein therapeutischer Ansatz bei Nervenschäden, der laut Fischer ist völlig neu ist.
Ob Parthenolid diesen Effekt auch beim lebenden Organismus zeigt, testeten die Wissenschaftler danach mit Mäusen. Sie verabreichten dafür Mäusen mit verletzten Ischiasnerv eine Parthenolid-Lösung und verglichen die Regeneration des Nervs mit Kontrolltieren, die kein Parthenolid bekommen hatten.
Das Resultat: Bei den Mäusen, die das Mutterkraut-Extrakt erhalten hatten, heilte der Nervenschaden rascher ab. Bereits nach einer Woche konnten die Mäuse ihre zuvor gelähmten Zehen wieder bewegen und nahmen auch sensorische Reize wieder wahr, wie die Wissenschaftler mitteilen. Bei den Kontrolltieren war diese Veränderung nicht wahrzunehmen.
Der Wirkstoff Parthenolid musste nicht direkt an den Nerv gespritzt werden, wie dies bei einigen anderen Wirkstoff-Kandidaten der Fall ist. Stattdessen ist bereits eine systemische Verabreichung von Parthenolid wirksam, wie die Wissenschaftler berichten.
Für eine mögliche klinische Anwendung an Menschen mit krankheits- oder verletzungsbedingten Nervenleiden ist dies nach Ansicht der Forscher sehr vielversprechend. Bis heute gebe es in der Klinik noch keine Medikamente, die Ähnliches bewirken können.
Die Wissenschaftler betonen aber auch, dass noch weitere Untersuchungen nötig sind, bis allenfalls ein einsatzfähiges Medikament zur Anwendung kommen kann.
Sollte sich die Wirkung von Parthenolid auf die Regeneration von Nerven jedoch bestätigen, hätte das große Bedeutung für die Behandlung von Nervenschäden. Denn in den Industrieländern sind beinahe acht Prozent der über 55-Jährigen von Schädigung der Nerven hauptsächlich in Beinen und Armen betroffen.
Die Forscher der Heinrich-Heine Universität untersuchen zurzeit ausserdem, ob Parthenolid auch die Regeneration des verletzten Rückenmarks oder Sehnervs positiv beeinflussen kann. Diese Nerven sind im Gegensatz zum Ischiasnerv der Mäuse normalerweise gar nicht in der Lage, sich zu regenerieren.
Quelle:
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-20047-2016-04-07.html
Originalarbeit:
Journal of Neuroscience, 2016; doi: 0.1523/JNEUROSCI.4486-15.2016
http://www.jneurosci.org/content/36/14/3890.short
Kommentar & Ergänzung:
Man kann nicht genug unterstreichen – und das machen auch die beteiligten Wissenschaftler – dass Experimente im Labor an Zellen, in Gewebe oder an Mäusen noch keine Schlüsse zulassen über mögliche Wirkungen an kranken Menschen. Trotzdem ist es natürlich immer wieder interessant, zu welchen Wirkungen Naturstoffe fähig sind.
Parthonolid wurde in den letzten Jahren vielfältig untersucht. Im Labor verstärkt die Substanz die Wirkung bestimmter Krebsmedikamente auf Krebszellen.
Mutterkraut wird in der Phytotherapie angewendet zur Prophylaxe von Migräneanfällen. Der Nutzen wurde in verschiedenen klinischen Studien aufgezeigt. Die besten Resultate zeigten zwei Studien mit einem besonderen CO2-Extrakt aus Mutterkraut.
Leider gibt es in der Schweiz kein schlaues Mutterkraut-Präparat mehr, das als Arzneimittel registriert ist. So bleibt nur die eher unübliche Teeanwendung. Zur Dosierung macht die Phytotherapie-Fachliteratur präzise, aber für den Hausgebrauch unpraktische Angaben: Etwa 150mg gepulvertes Mutterkraut mit kochendem Wasser übergiessen, 10 Minuten unter gelegentlichem Umrühren stehen lassen, durch einen Papierfilter filtrieren. Zur Migränevorbeugung wird die Einnahme von 2 – 3 Tassen jeweils vor dem Essen kurmässig über einige Monate empfohlen.
Praktikabler, aber ungenauer wird manchmal empfohlen: 1 Teelöffel Mutterkraut mit 150ml kochendem Wasser übergiessen, 10 Minuten ziehen lassen, abgiessen und mehrmals täglich 1 Tasse trinken.
In Deutschland ist Mutterkraut auch als Tinktur im Handel, zum Beispiel als Nemagran Tropfen (kann in der Schweiz von Apotheken auch aus Deutschland bestellt werden.
Mutterkraut nicht während Schwangerschaft und Stillzeit verwendet. Im Auge zu behalten ist zudem, dass die Pflanze ein allergenes Potenzial hat.
Siehe auch:
Phytotherapie: Mutterkraut gegen Migräne
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
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