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Hirtentäschelkraut reduziert in Studie Blutungen nach der Geburt

Phytotherapie

Avatar-FotoMartin Koradi12.12.2017

Ergänzend zu Oxytocin zeigte sich die Gabe eines Extraktes von Capsella bursa-pastoris (Hirtentäschel) zur Linderung postpartaler Hämorrhagie (Blutungen nach der Geburt) gegenüber Placebo als überlegen.

Starke Blutungen nach einer Geburt können zu einem kritischen Gesundheitszustand führen. Als Folge des hohen Blutverlustes und anhaltender Blutungen können Anämie, Infektionen, Nierenprobleme, die Erfordernis von Bluttransfusionen oder einer Gebärmutterentfernung auftreten. Im schlimmsten Fall kann die postpartale Hämorrhagie sogar tödlich enden. Das vom menschlichen Körper produzierte Hormon Oxytocin kommt als Standardtherapie zur Eindämmung übermäßiger postpartaler Blutungen und zur Gebärmutterrückbildung zur Anwendung. Hebammen setzen in verschiedensten Kulturkreisen seit jeher die Kräuterheilkunde ein zur Begleitung von Schwangeren und Wöchnerinnen. Eine fast über die ganze Erde verbreitete Heilpflanze, die traditionell zur Stillung von Blutungen eingesetzt wird, ist das Hirtentäschelkraut (Capsella bursa-pastoris).

An der Shahid Beheshti University of Medical Sciences in Teheran wurde im Rahmen einer Doktorarbeit erstmals mit einer klinischen Studie untersucht, inwieweit die Verabreichung eines wässrig-alkoholischen Extraktes von Capsella bursa-pastoris den postpartalen Blutverlust bei Frauen mit vaginaler Entbindung reduzieren kann.

Jeweils 50 Frauen wurden per Zufallsentscheid zwei Gruppen zugeordnet (= randomisiert), die entweder Hirtentäschelkraut-Extrakt oder Placebo-Flüssigkeit bekamen.

Nach vollständiger Entfernung der Nachgeburt wurden den Studienteilnehmerinnen sublingual (= unter die Zunge) 10 Tropfen der jeweiligen Testflüssigkeit verabreicht. Alle Frauen bekamen als Standardbehandlung eine Infusion mit 20 U Oxytocin in 1 l Ringerlösung.

Der Blutverlust in den ersten drei Stunden nach der Geburt wurde durch das Wiegen unbenutzter und der benutzten (blutgetränkten) Hygienevorlagen erfasst. Ausserdem wurden in diesem Zeitraum in regelmäßigen Abständen die Vitalwerte der Probandinnen dokumentiert. Zu Geburtsbeginn und 6 Stunden nach der Entbindung wurden Blutproben der Frauen auf den Hämoglobin- und den Hämatokrit-Gehalt untersucht. In einer 40-tägigen Follow-up-Phase befragte die Studienleiterin die Teilnehmerinnen telefonisch zu ihrem Wohlbefinden und zu speziellen Vorkommnissen (Blutungen, Krankenhausaufenthalte, sonstige Komplikationen bei der Mutter oder beim Kind).

Verglichen mit der Kontrollgruppe (Oxytocin + Placebo) verlor die Behandlungsgruppe (Oxytocin + Capsella) total durchschnittlich 35 ml weniger Blut. Die Differenz erwies sich im statistischen Test für den Gesamtverlust und für die Messungen zur ersten, zweiten und dritten Stunde nach der Geburt als signifikant (p < 0.0001). Sowohl die Hämoglobin- als auch der Hämatokrit-Werte lagen bei den Frauen der Hirtentäschelkraut-Gruppe höher als in der Placebo-Gruppe. Die Teilnehmerinnen in der Hirtentäschelkraut-Gruppe waren mit ihrer Behandlung deutlich zufriedener als die Frauen der Placebo-Gruppe.

Quelle:

https://www.carstens-stiftung.de/artikel/hirtentaeschelkraut-gegen-blutungen-nach-der-entbindung.html

Ghalandari S, Kariman N, Sheikhan Z, Mojab F, Mirzaei M, Shahrahmani H. Effect of hydroalcoholic extract of Capsella bursa patoris on early postpartum hemorrhage: a clinical trial study. J Altern Complement Med 2017; 23(10):794-799.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28590768

 

Kommentar & Ergänzung:

Hirtentäschelkraut hat eine lange Tradition als Mittel gegen starke Blutungen in der Gynäkologie. Aber die Belege für eine Wirksamkeit sind bisher schwach. Auf diesem Hintergrund ist diese Studie aus dem Iran ziemlich überraschend und interessant.

Allerdings habe ich zu Studien aus dem Iran noch eine Aussage von Roman Huber in Erinnerung, dem Leiter des Zentrums für Naturheilkunde der Universitätsklinik Freiburg:

„Bei derartigen Untersuchungen sollte man vorsichtig sein, denn aus dem Iran kommen genau wie aus China in Sachen Naturheilkunde eigentlich nur Studien mit positiven Ergebnissen.“

Quelle dazu  siehe hier: Lavendelöl lindert Menstruationsbeschwerden

Wie es die Wissenschaft normalerweise fordert, müsste diese Studie nun von einer unabhängigen Forschungsgruppe wiederholt und das Resultat bestätigt werden, damit die Wirksamkeit anerkannt werden kann.

Interessant an diesem Bereicht ist ausserdem, dass die Verabreichung des Hirtentäschelextrakts sublingual erfolgte.

„Bei der sublingualen Einnahme gelangt der Wirkstoff schneller in den Blutkreislauf, da das venöse Blut aus der Mundschleimhaut direkt in die obere Hohlvene fließt. Bei der oralen Einnahme muss der Wirkstoff erst die Leber passieren, um in den großen Kreislauf zu gelangen, wobei er eventuell chemisch verändert wird. Dies ist bei der sublingualen Einnahme nicht der Fall, die Leber wird umgangen.“

Quelle: Wikipedia

Hirtentäschelkraut soll laut dem Phytotherapie-Fachbuch „Teedrogen und Phytopharmaka“ ein Peptid enthalten, das in-vitro (= im Reagenzglas) eine dem Oxytocin ähliche Wirkung zeigt. Das könnte eine Erklärung sein für eine allenfalls vorhandene blutstillende (hämostyptische) Wirkung.

Auch hier gilt es allerdings festzuhalten, dass eine Wirkung im Labor nicht unbedingt einer Wirkung im menschlichen Organismus entspricht.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

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