Die „Glückspost“ publizierte einen Artikel zum Thema „Antibiotika aus der Natur helfen“. Darin warnt die Autorin sehr zu Recht vor der zunehmenden Gefahr der Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen durch den unsachgemässen Einsatz von Antibiotika.
In vielen Fällen könne man sich bei frühzeitiger Behandlung auch mit Antibiotika aus der Natur von seinen Leiden befreien. Dann verrät die Autorin uns einen Zusatzeffekt dieser Mittel: „Natürliche Antibiotika stärken erst noch das Immunsystem!“ – Das tönt natürlich (!) sehr gut, ist aber so pauschal behauptet einfach Unsinn.
Aber schauen wir uns eines der empfohlenen „natürlichen Mittel“ genauer an:
„Lavendelöl wirkt gegen Pilze und gegen Hautkrankheiten wie Akne, Schuppenflechte oder Neurodermitis.
So geht’s: 10 Deziliter destilliertes Wasser und 12 Tropfen Lavendelöl gut vermischen und mit einer Kompresse auf die betroffene Hautstelle legen.“
Quelle: https://www.glueckspost.ch/gesundheit/antibiotika-aus-der-natur-helfen/
Kommentar & Ergänzung: Lavendelöl gegen Pilze
Lavendelöl wirkt tatsächlich hemmend auf Hautpilze und Bakterien. Allerdings braucht es zu diesem Tipp noch eine Reihe von ergänzenden Informationen, damit er sinnvoll angewendet werden kann.
Die pilzhemmende und bakterienhemmende Wirkung von Lavendelöl ist sehr gut dokumentiert im Labor. Dort wird aber Lavendelöl meistens unverdünnt in Pilzkulturen oder Bakterienkulturen getestet. Daher stellt sich bei der Anwendung am Menschen die Frage, in welcher Konzentration es noch wirksam ist. Und wenn es verdünnt werden soll ist zu klären, ob eine fetthaltige oder wässerige Grundlage im konkreten Fall besser passt.
Bei Neurodermitis und Schuppenflechte spielen Bakterien oder Pilze ursächlich keine relevante Rolle. Antimikrobielle Mittel wie Lavendelöl sind hier nur sinnvoll, wenn eine übermäßige Besiedlung der Haut mit Bakterien oder Pilzen vorliegt.
Und eine wässige Lösung ist bei Ekzemen, d. h. auch bei Neurodermitis, eigentlich nur in akuten, nässenden Stadien passend. Phytotherapeutisch steht dann aber die Anwendung von Gerbstoffen im Vordergrund (Eichenrinde, Schwarztee).
In der Regel wir man die Haut eher mit fetthaltigen Emulsionen pflegen (O/W-Emulsionen, bei stark trockenr haut W/O-Emulsionen). Dort könnte man bei Bedarf auch ein paar Tropfen Lavendelöl in die Emulsion einrühren.
Zur Linderung des Juckreizes, der bei Neurodermitis oft sehr belastend ist, reicht Lavendelöl in der Regel nicht aus. Hier wäre eher eine Lotion mit Mentholzusatz zu empfehlen. Menthol wirkt in Konzentrationen von etwa 0,5 – 1 % in einer Salbengrundlage gut juckreizlindernd. Menthol ist der Hauptbestandteil des ätherischen Pfefferminzöls.
Bei Schuppenflechte (Psoriasis) stehen phytotherapeutisch als unterstützende Behandlung zwischen den Schüben Salben mit einem alkoholischen Auszug aus Mahonia aquifolium im Vordergrund (= Gewöhnliche Mahonie, Zierberberitze, Präparat Rubisan N Salbe), ausserdem gibt espositive Daten mit Aloe-vera-Gel.
Bei Akne und Fusspilz ist die antimikrobielle Wirkung von Lavendelöl passend, doch dürfte die von der „Glückspost“ angegebene Konzentration von acht Tropfen auf einen Liter eher zu schwach sein. Hier könnte Lavendelöl pur aufgetragen werden oder dann 10 % in einer öligen Lösung, zum Beispiel in Mandelöl.
Zur wässrigen Lösung der „Glückspost“ ist zudem noch zu erwähnen, dass ätherische Öle sich schlecht mit Wasser mischen. Empfehlenswert wäre deshalb, das Lavendelöl zuerst in einer Portion Kaffeerahm zu verrühren und die Mischung anschliessend ins Wasser zu geben. So wird das Lavendelöl besser emulgiert.
Meines Erachtens ist zudem die Verwendung von destilliertem Waser unnötig. Leitungswasser reicht.
Heilpflanzen-Anwendungen müssen sorgfältig und differenziert eingesetzt werden. Es reicht meistens nicht, einen Kürzest-Tipp in zwei Sätzen in die Welt zu setzen, wie das die „Glückspost“ gerade gemacht hat. Aber ein Titel wie „Antibiotika aus der Natur helfen“ wird jedenfalls für Klicks sorgen.
Wenn Sie interessiert sind an fundiertem Wissen über pflanzliche Arzneimittel, können Sie das erwerben in meinen Lehrgängen, der Phytotherapie-Ausbildung und dem Heilpflanzen-Seminar.