Die Pubertät setzt bei Jugendlichen seit Jahren immer früher ein – insbesondere bei Mädchen. Wissenschaftler fanden nun in einer Langzeitstudie Zusammenhänge zwischen der Belastung von Müttern mit Kosmetika- und Körperpflege-Zusatzstoffen und dem Pubertätsbeginn ihrer Töchter.
Stoffe in Körperpflegemitteln, die Frauen während der Schwangerschaft verwenden, können laut dieser Studie den Pubertätsbeginn ihrer Kinder beeinflussen. Die Langzeituntersuchung fand einen solchen Zusammenhang vor allem zwischen den Substanzen Diethylphthalat und Triclosan und einem mehrere Monate früheren Einsetzen der Pubertät bei Mädchen. Das schreibt eine Gruppe um Kim Harley von der University of California in Berkeley in der Fachzeitschrift «Human Reproduction».
Das sei wichtig, weil die Pubertät bei Mädchen seit einigen Jahrzehnten immer früher beginnt, erklärt die Epidemiologin in einer Mitteilung der Fachzeitschrift. Unter Verweis auf frühere Untersuchungen betont die Forscherin, dass ein früheres Einsetzen der Pubertät bei Mädchen nicht nur die Anfälligkeit für psychische Probleme erhöhe, sondern auch das langfristige Risiko für Brustkrebs und Eierstockkrebs.
Die aktuellen Resultate beruhen auf einer Studie, die 1999 begann und die Folgen von Schädlingsbekämpfungsmitteln für Schwangere und ihren Nachwuchs prüfte, hauptsächlich an Arbeiterinnen in der Landwirtschaft. Zudem erforschten die Wissenschaftler die Langzeitwirkung von Phthalaten, Parabenen und Phenolen. Diese Sustanzen stehen im Verdacht, das Hormonsystem insbesondere von Frauen zu beeinflussen.
Die Wissenschaftler nahmen für ihre Studie von jeder schwangeren Frau zwei Urinproben. Von den 338 Kindern wurde im Alter von neun Jahren ebenfalls eine Urinprobe untersucht.
In den daran anschliessenden vier Jahren untersuchten die Wissenschftler alle Kinder mit einem Standardtest auf das Einsetzen der Pubertät. Die Ergebnisse: Enthielten die Proben der Mütter viel Monoethylphthalat, eine Vorläufersubstanz von Diethylphthalat, startete die Schamhaarentwicklung ihrer Töchter rund sechs Monate früher.
Eine hohe Konzentration an Triclosan im Urin der Mutter war den Resultaten zufolge verbunden mit einer knapp fünf Monate früheren ersten Menstruation.
Zusammenhänge fanden die Forscher auch zwischen der Belastung von Kindern und dem Einsetzen der Pubertät: Hohe Konzentrationen von Methylparaben im Urin der Mädchen gingen mit einer früheren Entwicklung der Brustdrüsen und einer frühen ersten Menstruation einher. Einen solchen Zusammenhang fanden die Wissenschaftler auch für Propylparaben und die Entwicklung der Schambehaarung. Bei hohen Werten dieser Substanzen starteten die Entwicklungen rund vier bis sieben Monate früher. Bei Knaben fanden die Wissenschaftler eine deutliche Verbindung nur für Propylparaben: Eine hohe Konzentration an Propylparaben ging mit einer früheren Reifung der Geschlechtsorgane einher.
Professor Dr. Josef Köhrle ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Er sieht in der Studie eine Bestätigung bisheriger Erkenntnisse aus Versuchen an Mäusen und Ratten. Beachtenswert seien die Hinweise auf die mögliche Rolle einzelner Substanzen bereits in niedrigen Konzentrationen bei der Beeinflussung der Pubertät, sagt Köhrle. Denn normalerweise lösen mehrere Stoffe gemeinsam in Gemischen derartige Wirkungen aus. Wichtig ist für Professor Köhrle auch der Hinweis, dass die untersuchten Mütter aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten kamen und daher kaum auf bessere Körperpflegeprodukte ausweichen konnten, die weniger Zusatzstoffe enthielten.
Generell wünscht sich der Endokrinologe auch mehr öffentliche Aufmerksamkeit für Stoffe, die nicht Sexualhormone beeinflussen, sondern etwa auf Schilddrüsenhormone und Stresshormone oder auf den Fettstoffwechsel einwirken.
Die zu den Phenolen gehörende Substanz Triclosan sowie Parabene werden in Kosmetika und Körperpflegeprodukten als Mittel gegen Mikroorganismen und als Konservierungsmittel eingesetzt. Diethylphthalat dagegen dient der Fixierung von Duftstoffen.
Quelle:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/kosmetika-beeinflussen-pubertaetsbeginn-beim-kind/
DOI: 10.1093/humrep/dey337
Kommentar & Ergänzung:
Auch wenn diese Art von epidemiologischen Studien Zusammenhänge nicht einwandfrei belegen kann, verdichten sich doch an vielen Ecken und Enden die Hinweise, dass eine ganze Reihe von Alltagschemikalien hormonelle Effekte mit unübersehbaren Folgen auszulösen im Stande ist.
Möglicherweise machen wir da einen ungeplanten, unfreiwilligen Feldversuch.
Den Kontakt mit solchen Chemikalien wo immer möglich zu vermeiden, ist daher wohl sicherheitshalber eine gute Massnahme.
Zu ergänzen ist an diesem Punkt allerdings noch, dass Naturstoffe nicht zwangsläufig ohne Risiko sind.
So kam beispielsweise eine US-Studie zum Schluss, dass Lavendelöl und Teebaumöl den Hormonhaushalt stören können – sie wirken wie das weibliche Sexualhormon Östrogen.
Total acht hormonell wirksame Bestandteile der beiden ätherischen Öle konnten die Wissenschaftler identifizieren, darunter Eucalyptol und Limonen. Dass Kosmetika sogenannte Endokrine Disruptoren enthalten können, ist schon länger bekannt. Bisher wurden jedoch hauptsächlich synthetisch hergestellte Substanzen untersucht.
Siehe dazu auch:
Stören Lavendelöl und Teebaumöl den Hormonhaushalt?
EU will hormonschädigende Stoffe stärker unter die Lupe nehmen
Bereits 2007 berichtete das England Journal of Medicine von drei Fällen von Gynäkomastie (Brustentwicklung) bei präpubertären Jungen.
Patient 1 verwendete einen „healing balm“ mit Lavendelöl, Patient 2 einen Haargel und ein Shampoo mit Lavendelöl und Teebaumöl, Patient 3 eine Seife mit Lavendelöl.
In allen drei Fällen können andere auslösende Faktioren nicht ausgeschlossen werden. Auch dass sich in allen drei Fällen die Gynäkomastie einige Monate nach dem Absetzen der Produkte zurückbildete, sagt nichts Definitives aus. Das kann auch der natürliche Verlauf gewesen sein und beispielsweise durch eine veränderte Hormonlage bewirkt worden sein.
Quelle:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/57051/Gynaekomastie-nach-Lavendel-und-Teebaumoel
Insgesamt sprechen aber starke Indizien dafür, dass unnötige Substanzen in Kosmetika besser gemieden werden – und ich würde sagen, das gilt für synthetische und natürliche Stoffe.