Im Vergleich zu traditionellen Gesellschaften ist die moderne Welt ungeheuer komplexer geworden. Und über Medien aller Art inklusive der sogenannten „Sozialen Medien“ bekommen wir diese Komplexität gegenüber früheren Zeiten auch sehr viel mehr mit.
Angesichts einer unüberschaubar grossen Anzahl verschiedenster Einflüsse erscheint zunehmend fraglich, ob Politik und Wirtschaft die Vorgänge noch „im Griff“ haben.
Ideale Bedingungen für Verschwörungstheorien. Sie sind ein Angebot zur Reduktion politischer Komplexität, aber ein Angebot, das in die Irre führen und gefährlich werden kann. Es steht einem adäquaten Verständnis der Wirklichkeit entgegen und kann dadurch problematische politische Entscheidungen zur Folge haben.
Verschwörungstheorien führen wichtige Ereignisse nur auf eine einzige entscheidende Ursache zurück, nämlich die Verschwörung, die sie meinen, entdeckt zu haben. Dadurch vermindern sie die Komplexität der sozialen Realität enorm.
Michael Butter schreibt dazu in seinem Buch „Nichts ist, wie es scheint“:
„Der Konspirationismus löst eine vielschichtige und widersprüchliche Wirklichkeit in den manichäischen Gegensatz von Gut und Böse auf. Der meist kleinen Gruppe von Verschwörern, die letztendlich für alles, was geschieht, verantwortlich ist, steht die grosse Gruppe der Opfer gegenüber, die bis auf wenige Erleuchtete gar nicht begreift, was passiert.“
Verschwörungstheorien glauben an den grossen Plan
Anstelle von Chaos und Zufall, die sie schwer ertragen können, sehen Verschwörungstheoretiker einen Plan. Dadurch wird die Welt scheinbar durchschaubarer. Doch die scharfe Unterteilung der Welt in Gut und Böse kann auf der persönlichen wie auf der politischen Ebene desaströse Auswirkungen haben.
Michael Butter betont zudem, dass Verschwörungstheorien von einem falschen Menschen- und Geschichtsbild ausgehen, wenn sie behaupten, dass Geschichte über einen längeren Zeitraum plan- und kontrollierbar ist. Solche Vorgänge sind viel stärker durch Zufälle und Pannen beeinflusst als durch einen Plan finsterer Mächte.
Die Komplexitätsreduktion durch Verschwörungstheorien ist jedenfalls keine Lösung.
Die Frage, wie wir mit der grossen Komplexität der gesellschaftlichen und politischen Realität konstruktiv umgehen können, stellt sich jedoch mit Nachdruck.
Jürgen Wiebicke empfiehlt zum Beispiel ein „schwaches Denken“ und stellt es in einen Gegensatz zu einem „starken Denken“ der unerschütterlichen Gesinnungen, der grossen Vereinfachungen und Zuspitzungen.
Sieh dazu:
Jürgen Wiebicke: Schwaches Denken statt Fanatismus
Zum informativen Buch von Michael Butter mit dem Titel „Nichts ist wie es scheint – Über Verschwörungstheorien“ finden Sie in meinem Buchshop eine Buchbesprechung. Dort können Sie das Buch auch via buchhaus.ch kaufen.
Übersicht meiner eigenen gesellschaftspolitischen Texte und Buchempfehlungen.