Die «Bild»-Zeitung hat einen Artikel veröffentlicht mit Hausmitteln gegen verschiedene Erkältungskrankheiten. Zur Linderung von Ohrenschmerzen heisst es da beispielsweise:
«Kohlauflage: Einige Blätter Wirsing oder Weißkohl nehmen, die dicken Mittelrippen heraustrennen und die Blätter plattwalzen, damit der Saft austreten kann. Blätter aufs Ohr legen, mit einem Handtuch bedecken, mit Heftpflaster befestigen und ebenfalls über Nacht einwirken lassen. Verstärkt die Durchblutung, entzieht dem Körper Giftstoffe.»
«Bild» weist aber auch auf die Grenzen dieser Behandlung hin:
«Achtung: Suchen Sie unbedingt einen Arzt auf, wenn Rötungen oder Schwellungen hinter dem Ohr auftreten. Bei starken Schmerzen, Fieber und steifem Nacken sollten Sie ebenfalls zum Arzt. Wenn Kinder über Ohrenschmerzen klagen, sofort zum Arzt.»
Quelle:
https://www.bild.de/ratgeber/gesundheit/hausmittel/hausmittel-gegen-schnupfen-fieber-und-halsschmerzen-65368524.bild.html
Kommentar & Ergänzung:
Kohlauflagen / Kohlwickel sind ein altes Hausmittel aus der Naturheilkunde. Sie werden traditionell bei einer Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden eingesetzt, zum Beispiel bei Gelenkentzündungen, Akne, Bronchitis, Krampfadern, Venenentzündung, Ekzem, Entzündung der Brustdrüse (Mastitis), schlecht heilenden Wunden.
Zu dieser ganzen Bandbreite an Indikationen gibt es nur sehr wenig wissenschaftliche Erkenntnisse. In ein derart billiges und nicht patentierbares Verfahren werden niemals Forschungsgelder in einem Mass investiert, von dem belastbare Ergebnisse erwartet werden könnten. Und ausserdem lassen sich Kohlauflagen / Kohlwickel nicht wirklich doppelblind mit Placebokontrolle untersuchen. Man müsste dazu zwei Gruppen machen, wovon die eine mit Kohlauflage / Kohlwickel behandelt wird und die andere Gruppe mit einem Placebo, einem wirkstofflosen Scheinpräparat, das genau gleich riecht und aussieht und sich anfühlt wie ein Kohlwickel. Das ist kaum machbar, denn wenn etwa gleich riecht, sich anfühlt und aussieht wie ein Kohlwickel, dann ist es ein Kohlwickel…….
Mit einer Studie untersucht wurde die Wirksamkeit von Kohlwickeln bei Kniearthrose im Vergleich zur Anwendung eines Diclofenac-haltigen Schmerzgels. Gegenüber der Routineversorgung verbesserte sich in beiden Gruppen die Lebensqualität und die Schmerzintensität nahm ab. Die mit den Kohlwickeln in dieser Studie erzielte Verminderung des Gelenkschmerzes führen die Forscher auf die entzündungshemmenden Inhaltsstoffe (Flavonoide und Glucosinolate) des Kohls zurück. Weshalb der Vergleich mit Diclofenac auch noch keine klare Aussage über die Schmerzlinderung durch Kohlauflage möglich macht, können Sie hier nachlesen:
Kohlwickel gegen Knieschmerzen bei Kniearthrose
Als Inhaltsstoffe enthalten die Kohlblätter Senfölglykoside (Glukosinolate). Sie wirken antibakteriell und durchblutungsfördernd. Das könnte als Begründung für eine Wirkung herhalten, doch bleibt unklar, ob und wie die Wirkstoffe jeweils an den Wirkungsort kommen (zum Beispiel im Ohr).
Und was bleibt nun bezüglich Kohlwickel bei Ohrenschmerzen? Sie sind eine gut verträgliche und günstige Massnahme.
Man kann sie daher gut ausprobieren, wenn man den Zeitpunkt nicht verpasst, an dem eine ärztliche Untersuchung nötig ist. Obwohl weder ein Wirkungsmechanismus geklärt noch die Wirkung mit Studien belegt ist.
Sehr fragwürdig ist allerdings die Behauptung im „Bild“-Zitat, dass die Kohlauflage dem Körper Giftstoffe entzieht. Hier müsste man mir zuerst einmal zeigen, mit welcher Kraft der Kohl es schafft, dem Körper Giftstoffe zu entziehen, um welche Giftstoffe es sich dabei genau handelt und wie der Kohl entscheidet, welche Stoffe Giftstoffe sind, die raus müssen, und welche Stoffe auf keinen Fall rausgezogen werden dürfen.
Wer sich vertieftes Wissen über die verschiedenen Zubereitungsformen und Anwendungsbereiche von Heilpflanzen erwerben möchte, kann das in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.