Leinsamen werden meistens als sanftes Abführmittel bei Verstopfung eingesetzt. Die Schleimstoffe aus dem Leinsamen können aber auch für andere Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel als Schutz für die Magenschleimhaut. Leinsamenschleim könnte in bestimmten Situationen auch eine Alternative sein zu Protonenpumpenhemmern (PPI).
Darauf hat ein Artikel in der Zeitschrift «Allgemeinarzt-online» hingewiesen.
Zitat:
«Eine Therapiemöglichkeit bei gastritischen Beschwerden besteht in der Anwendung von Leinsamenschleim. In Tierversuchen zeigte Schleim eine deutliche protektive Wirkung bei stressverursachten Läsionen der Magenschleimhaut. Dabei geht man davon aus, dass im Schleim enthaltene Polysaccharide und Glykoproteine eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Magenschleim aufweisen. Daraus resultiert die Fähigkeit des Leinsamenschleims, sich für 2 bis 3 Stunden an den natürlichen Magenschleim anzuheften. Die dadurch zusätzlich aufgebaute Schleimschicht gibt dem Magen Zeit und Ruhe, sich selbst zu regenerieren und Entzündungen und Läsionen abzuheilen. Für diese Indikation sollte frisch bereiteter Leinsamenschleim zur Anwendung kommen……Eine Kur mit Leinsamenschleim kann außerdem eine Alternative – zumindest unterstützend – zu Protonenpumpenhemmern sein, die aufgrund ihrer Neben- und Wechselwirkungen und der zu häufigen und unkritischen Einnahme zunehmend in der Kritik stehen.»
Und wie stellt man einen Leinsamenschleim her?
Auch dazu gibt der Text genaue Anweisungen:
«Zubereitung von Leinsamenschleim
3 Esslöffel Leinsamen am besten am Abend vorher mit 500 ml Wasser einweichen und über Nacht quellen lassen. Am Morgen kurz aufkochen und mit einem groben Sieb oder einer Lage Mull den Schleim von den Leinsamen trennen. Den Leinsamenschleim in eine Thermosflasche füllen und ihn über den Tag verteilt körperwarm und schluckweise trinken, sowie abends vor dem Schlafengehen. Achtung: Leinöl wird schnell ranzig (oxidiert). Deshalb sollte man die Flasche nach der Entnahme der Samen sofort verschließen und dunkel sowie kühl aufbewahren.»
Quelle:
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/mildes-laxans-magenmittel-und-pflanzliches-statin-der-leinsamen-1844373
Kommentar & Ergänzung:
Es ist meines Wissens bisher nicht untersucht worden, ob sich Leinsamenschleim als Alternative zu Protonenpumpenhemmern (PPI) eignet. Der Wirkungsansatz ist natürlich ein anderer. Protonenpumpenhemmer (z. B. Pantoprazol) hemmen die Ausschüttung von Magensäure. Leinsamenschleim dagegen soll eine Schutzschicht bilden, welche die Schleimhaut vor dem Angriff der Magensäure schützt. Wenn das auch den Zweck erfüllen sollte, die Schleimhaut intakt zu halten, wäre das grossartig. Es mag ja durchaus Situationen geben, in denen Protonenpumpenhemmer wichtig und sinnvoll sind. Aber es ist auch festzustellen, dass diese Medikamente immer breiter eingesetzt werden und vor allem bei Daueranwendung Risiken mit sich bringen.
Wikipedia schreibt dazu:
«Seit den 1990er-Jahren hat die Rate operationswürdiger Geschwüre in der westlichen Welt aufgrund der guten Wirksamkeit und des breiten Einsatzes der PPI drastisch abgenommen. Die weitverbreitete prophylaktische Anwendung zur Verhinderung von Stressulzera auch bei Patienten ohne besonderes Risiko ist allerdings nicht sinnvoll.»
Schon 2008 schreibt «Der Arzneimittelbrief»:
«Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Oft werden sie ohne klare Indikation, in zu hoher Dosierung und zu lange verschrieben. Die allgemein gute Verträglichkeit und das geschickte Marketing („Magenschutz”) dieser Substanzgruppe hat zu dieser Situation beigetragen. Immer mehr Patienten erhalten eine PPI-Dauertherapie. Die empfohlene „Step-down”-Behandlung wird oft vergessen oder dadurch erschwert, dass viele Patienten weiter nach einem PPI verlangen.»
Quelle: https://www.der-arzneimittelbrief.de/de/Artikel.aspx?SN=6865
Leinsamenschleim zum „Ausschleichen“ von PPI?
Vielleicht wäre Leinsamenschleim eine gute Option als Begleitmassnahme für diese «Step-down»-Behandlung.
Im Jahr 2017 schreibt die «Pharmazeutische Zeitung»:
«Das Problem der PPI ist demnach weniger ihr Sicherheitsprofil als vielmehr der Übergebrauch bei fehlender Indikation. Denn während die Verschreibungszahlen in der Vergangenheit stetig gestiegen sind, hat sich das Indikationsspektrum der Säureblocker nicht vergrößert. »Vermutlich werden PPI in Ermangelung anderer therapeutischer Konzepte auch bei dem sehr häufigen Reizmagen-Syndrom eingesetzt, obgleich für diese Indikation die wissenschaftliche Evidenz nahezu fehlt«, bemängelt der Arzneiverordnungsreport.»
Quelle:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-252017/zu-unrecht-in-verruf-geraten/
Leinsamenschleim kann Protonenpumpenhemmer nicht in jeder Situation ersetzen. Aber der im obenstehenden Zitat erwähnte «Übergebrauch bei fehlender Indikation» spricht für die Idee, in solchen Fällen über Leinsamenschleim nachzudenken. Leinsamenschleim ist jedenfalls eine billige und verträgliche Massnahme.
Protonenpumpenhemmer beeinflussen Darmmikrobiom
Über die vor allem bei Dauergebrauch bekannten Risiken und Nebenwirkungen der PPIs hinaus wird seit einiger Zeit diskutiert, dass sie eine ungünstige Wirkung auf das Darmmikrobiom haben könnten. Durch die drastische Reduktion des Säuregehalts im Magen können Bakterien in tiefere Abschnitte des Verdauungstakts gelangen, die dort nicht hingehören und normalerweise von der Magensäure abgetötet werden. Das kann unter anderem zu vermehrten Darminfektionen führen, vor allem durch Clostridium difficile (CD)
Joachim Labenz schreibt dazu in Gastro News (Oktober 2017):
«Protonenpumpeninhibitoren (PPI) werden zu häufig ein- und zu selten abgesetzt. Da sie die Magenbarriere schwächen und das Milieu im Verdauungstrakt ändern, sind negative Effekte auf das Darmmikrobiom naheliegend. Dies bestätigt eine aktuelle Studie.»
Quelle:
https://link.springer.com/article/10.1007/s15036-017-0217-x
Studie dazu im BMJ: https://gut.bmj.com/content/65/5/740.short
Es will also gut überlegt sein, in welchen Fällen Protonenpumpenhemmer sinnvoll und wichtig sind. Ist die Indikation nicht gegeben oder wenn man PPIs absetzen will – in Rücksprache mit behandelndem Arzt / Ärztin – dann könnte Leinsamenschleim eine prüfenswerte Option sein.
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