Grüntee gilt als wahrer Tausendsassa in Sachen Gesundheit. Als wirksam gilt hauptsächlich ein Catechin mit dem Namen Epigallocatechin-Gallat (EGCG). Dieser antioxidativ wirkende Inhaltsstoff macht beim Grüntee beinahe ein Drittel der gesamten Trockenmasse aus. Studien zufolge soll EGCG eine ganze Reihe von gesundheitsfördernden Wirkungen haben – und sogar gegen Krebs helfen. Doch stimmt das auch?
Der Erkenntnisstand zu dieser Frage ist nicht so einfach und eindeutig, wie wir es in der Regel gerne hätten.
Weniger Krebs bei Grüntee-Trinkern
Erste Hinweise auf eine schützende Wirkung von Grüntee gegen Krebs stammen aus Bevölkerungsstudien in den 1980er und 1990er Jahren. Sie zeigten, dass in den Gegenden, in denen viel Grüntee getrunken wird, auch einige Krebsarten auffallend seltener auftreten. Unter anderem sollen zehn kleine Tassen Grüntee pro Tag das Risiko für Lungenkrebs um 30 Prozent reduzieren. In geringerem Maße soll auch das Risiko für Darmkrebs, Leberkrebs und Magenkrebs vermindert werden.
Im Jahr 2016 ergab eine Langzeitstudie mit 164.000 Teilnehmern in China, dass regelmäßiger Teekonsum das Risiko, an Krebs zu sterben, um acht bis 21 Prozent reduziert. Ähnliche Resultate zeigte eine Studie mit 120.000 Niederländern. In einer Studie mit japanischen Brustkrebspatientinnen stellten Wissenschaftler fest, dass der tägliche Konsum von fünf bis acht kleinen Tassen Grüntee die Wiederkehrrate des Krebses von gut 24 auf 16,7 Prozent reduzierte. Es kam zu einer Verlängerung der tumorfreie Zeit von 2,8 auf 3,6 Jahre.
Allerdings lässt sich durch solche Beobachtungsstudien nicht verlässlich feststellen, dass der Grünttee-Konsum auch wirklich die Ursache der reduzierten Krebsraten ist. Es könnte nämlich sein, dass Personen, die viel Grüntee trinken, auch an anderen Punkten gesünder leben. Diese unbekannten Faktoren könnten für die tieferen Krebsraten verantwortlich sein. Zudem basieren die Angaben zum Teekonsum auf der Auskunft der Probanden, werden oft im Nachhinein erhoben und sind daher nicht durchwegs verlässlich.
Interventionelle Studien mit Grüntee
Für verlässlichere Aussagen braucht es interventionelle Studien, bei denen eine «Grüntee-Gruppe» mit einer Gruppe verglichen wird, die ein Placebo (Scheinpräparat) bekommt. Das ist auch nicht einfach, weil es lange Zeiträume und relativ grosse Teilnehmerzahlen braucht, um eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs zu belegen. In Ansätzen wurden solche Studien bereits durchgeführt.
In einer japanischen Doppelblindstudie tranken Personen mit Dickdarmpolypen ein Jahr lang täglich drei bis vier Tassen Grüntee. Die Hälfte der Probanden erhielt zusätzlich drei Placebotabletten, die andere Hälfte schluckte Tabletten mit 2,5 Gramm Grüntee-Extrakt – zusammen mit dem Tee entsprach dies etwa zehn Tassen Grüntee pro Tag.
Am Ende dieses Jahres zeigte eine Darmspiegelung, dass ein Drittel der Kontrollgruppe neue Dickdarmpolypen gebildet hatte, jedoch nur 15 Prozent der Gruppe, die zusätzlich Grüntee-Extrakt bekommen hatte. Weil Dickdarmpolypen als mögliche Vorstufen von Darmkrebs gelten, lesen die Wissenschaftler aus diesen Ergebnissen eine deutliche präventive Wirkung von Grüntee auf Darmkrebs heraus.
Eine weitere Studie hat im Jahr 2006 gezeigt, dass Grüntee-Extrakt auch die Entwicklung von Prostatakrebs aus Vorstufen verringern kann. Nach 30 Jahren einer vorbeugenden Grüntee-Einnahme entwickelte sich nur bei einem von 30 Patienten ein bösartiger Tumor, bei der Kontrollgruppe waren es hingegen neun Krebsfälle. 2015 haben Wissenschaftler diese Studie mit einer größeren Teilnehmerzahl wiederholt. Wegen der langen Entwicklungsdauer von Prostatakrebs konnten sie allerdings bisher keinen statistisch signifikanten Effekt feststellen, wohl jedoch eine Verringerung präkanzeröser Vorstufen.
Mögliche Wirkungsmechanismen von Grüntee gegen Krebs
Wie aber könnte eine Wirkung von Grüntee gegen Krebs zustandekommen? Um Wirkungsmechanismen aufzuklären, werden in erster Linie Untersuchungen im Labor durchgeführt. In diesem Bereich gibt es eine vielfältige Forschung mit Grüntee, respektive mit EGCG.
Einen Teil der vorbeugenden Wirkung führen Forscher darauf zurück, dass der EGCG die Bildung von aggressiven Sauerstoffverbindungen hemmt. Diese freien Radikale gelten als potenziell krebsfördernd, weil sie schwere Schäden an Zellen und deren DNA auslösen können. Das wiederum bnegünstigt die Entartung der Zellen.
Sind schon Tumorzellen vorhanden, könnte EGCG sie mit verschiedenen Wirkungsmechanismen am Wachstum hindern – und sogar abtöten. In Experimenten mit Zellkulturen bewirkte EGCG die Selbstzerstörung der entarteten Zellen, indem es das bei Krebszellen normalerweise deaktivierte Selbstmordprogramm wieder aktivierte. Zudem scheint EGCG bestimmte Proteine und Enzyme zu hemmen, die Krebsstammzellen und Tumorzellen zum Wachsen brauchen.
Auch hier braucht es aber eine Einschränkung: Dass ein Wirkstoff im Labor isolierte Krebszellen tötet oder im Wachstum hemmt, bedeutet noch nicht, dass er das auch im lebendigen Organismus eines Krebspatienten kann.
Im hohen Dosen Leberschäden durch Grüntee / EGCG möglich
Eine weitere Einschränkung für die Anwendung von Grüntee / EGCG gegen Krebs liegt darin, dass in Studien mit Menschen und in Tierversuchen mögliche krebshemmende Wirkungen von EGCG erst in relativ hoher Dosierung auftraten.
Ein paar Tassen Grüntee pro Tag reichen dazu offenbar nicht. Aus Studien lässt sich aber wiederum schliessen, dass eine EGCG-Einnahme über 800 Milligramm pro Tag Leberschäden auslösen kann. Mediziner raten darum dringend davon ab, EGCG oder Grüntee-Extrakte ohne ärztliche Rücksprache als Nahrungsergänzungsmittel zu konsumieren.
Quelle:
www.scinexx.de/dossierartikel/gruener-tee-gegen-krebs/
Kommentar & Ergänzung:
Die Studienlage zum Thema «Grüntee gegen Krebs» ist also widersprüchlich und komplex. Ganz im Gegensatz zu den oft sehr eindeutigen Versprechungen der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auf der Basis von Grüntee-Extrakt oder EGCG. Darum werden wohl auch die Werbebotschaften der Produzenten gerne geglaubt.
Es spricht aber nichts gegen Grüntee als gesundes Genussmittel in moderaten Mengen, wenn man ihn vom Geschmack her gern hat. Schwarztee wirkt im Übrigen auch antioxidativ, wird aber wohl weniger intensiv untersucht. Als antioxidative Wirkstoffe treten hier Theaflavine auf.
Bei einer bestehenden Krebserkrankung würde ich mir unter Umständen überlegen, Grüntee oder Schwarztee in grösseren Mengen regelmässig einzunehmen. Ob die Hoffnung, damit vielleicht Metastasenbildung zu hemmen aufgeht, ist aber nicht belegt. Direkt während einer Chemotherapie ist davon aber abzuraten, weil antioxidative Effekte die Wirksamkeit der Chemotherapie beeinträchtigen könnten.
Interessant wäre die Frage, ob bei der erwähnten Studie mit den Darmpolypen die Wirkung direkt durch Kontakt mit der Darmschleimhaut auftritt oder via Resorption.
Grüntee und Schwarztee werden in der Phytotherapie wegen dem Gehalt an Gerbstoffen auch bei nässenden Hautentzündungen eingesetzt. Mit gutem Erfolg.
Wer sich vertieftes Wissen über die verschiedenen Zubereitungsformen und Anwendungsbereiche von Heilpflanzen erwerben möchte, kann das in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.