Jeder fünfte über 65-jährige Mensch in der Schweiz hat im Jahr 2017 Schlaf- oder Beruhigungsmittel konsumiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie. Die Autoren halten den Schlafmittelkonsum in der Schweiz für zu hoch, insbesondere bei den Frauen.
Die Studie durchgeführt hat das Zentrum für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit der Universität Lausanne (Unisanté). Auftraggeber war das Swiss Medical Board. Sie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift «BMJ Open» veröffentlicht. Die Zeitungen «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» haben darüber berichtet.
Die Forscher analysierten anonymisierte Daten der Krankenkasse Groupe Mutuel aus dem Jahr 2017. In die Erhebung einbezogen wurden etwa 69’000 über 65-Jährige aus den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Jura, Tessin, Waadt und Wallis. In diesen Kantonen ist es Ärzten nicht gestattet, Medikamente direkt abgeben.
Benzodiazepine kommen unter anderem als Schlafmittel sowie für das Lösen von Ängsten zur Anwendung. Sie können allerdings gravierende Nebenwirkungen auslösen, die sich mit zunehmendem Alter der Patientinnen und Patienten noch akzentuieren, warnt das Swiss Medical Board. Benzodiazepine sollten daher nicht über längere Zeit eingenommen werden.
Hoher Benzodiazepin-Konsum bei Älteren
Die Studie von Unisanté belegt dass insbesondere bei älteren Menschen die Zahl der Verschreibungen von Benzodiazepinen steigt. Sie werden von 15.9 Prozent der 60- bis 65-Jährigen eingenommen, gegenüber 22.5 Prozent der 75- bis 80-Jährigen. Im Segment der über 80-Jährigen erhöht sich der Anteil auf bis zu einem Viertel.
Der Anteil der Frauen, die Benzodiazepine konsumieren, ist mit 25.1 Prozent beinahe doppelt so hoch wie jener der Männer (14.6 Prozent). Die Daten zeigten zudem, dass Menschen, die eine Franchise von 2500 Franken haben, seltener Schlaf- und Beruhigungsmittel verschrieben wurden als jenen mit einer Franchise von 300 Franken.
In 80 Prozent der Fälle werden die Benzodiazepine für eine Dauer von mehr als zwei Wochen verschrieben. An 40 Prozent der Patienten, die wenigstens ein Rezept bekommen haben, wurden über das ganze Jahr 90 oder mehr Tagesdosen des Arzneimittels abgegeben.
Die Studie zeigte aber auch grosse Unterschiede je nach Kanton. In den zwei deutschsprachigen Kantonen verschrieben Mediziner Benzodiazepine seltener als in den lateinischsprachigen Kantonen. Im Kanton Wallis lassen sich Pensionierte das Medikament beinahe dreimal so häufig verschreiben wie im Kanton Aargau. Die Wissenschaftler vermuten hinter diesen Differenzen kulturelle Gründe.
Empfehlungen zu Benzodiazepinen missachtet
Benzodiazepine sollen nicht länger als über zwei bis vier Wochen angewendet werden. 16 Prozent der Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz konsumieren diese Medikamente aber laut der Studie möglicherweise übermässig.
Der Expertenrat des Swiss Medical Board schreibt in einem Communiqué, dass die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften zur Einnahme von Arzneimitteln in der Praxis zu wenig beachtet würden. Die Organisation «Sucht Schweiz» hatte bereits 2015 vor Benzodiazepinen gewarnt. Ärzte und Apotheker sollten die Behandlungen mit Benzodiazepinen rechtzeitig beenden, um die Gefahr einer Gewöhnung daran zu reduzieren.
Quelle:
https://www.watson.ch/schweiz/gesundheit/531478288-so-viele-rentner-nehmen-laut-studie-schlaf-und-beruhigungsmittel (sda)
Kommentar & Ergänzung:
In den USA gibt es eine Opiat-Krise. Bei uns – so scheint es – gibt es eine Benzodiazepin-Krise. Diese Präparate werden immer noch zu oft und zu lange verschrieben, obwohl ihr hohes Risikopotenzial schon lange bekannt ist.
Pflanzliche Beruhigungsmittel wirken nicht in jedem Fall, aber sie sind eine gute Option: Kein Abhängigkeitsrisiko, kein Hang-over, keine erhöhte Sturzgefahr. Wie wäre es denn, wenn vor einer Benzodiazepin-Verordnung die pflanzlichen Alternativen in Betracht gezogen würden?
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