Der Bestätigungsfehler (Confirmation bias) ist eine der wichtigsten Quellen für fehlerhafte Entscheidungen und eingeschränkter Lernfähigkeit. Es handelt sich um die Neigung, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln, zu interpretieren und zu erinnern, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen (bestätigen). Diese Neigung hat eindrückliche Konsequenzen im Alltag und für die Resistenz von Verschwörungstheorien.
Romy Jaster und David Lanius haben dieses Phänomen in ihrem informativen Reclam-bändchen «Die Wahrheit schafft sich ab» eingängig beschrieben:
«Ob wir etwas plausibel finden, hat sehr viel damit zu tun, welche Überzeugungen wir schon haben. Unser Gehirn muss ständig neue Informationen filtern und bewerten. Dafür bedient es sich leistungsfähiger kognitiver Mechanismen. Bereits die Vorstellungen und Überzeugungen, die wir mitbringen, beeinflussen, für welche neuen Informationen wir offen sind und wie wir sie auswerten – und für welche nicht. Grundsätzlich schreiben wir Informationen dann eine höhere Glaubwürdigkeit zu, wenn sie mit unseren bestehenden Überzeugungen in Einklang stehen. Kurz: Wir neigen dazu, das zu glauben, was unsere Erwartungen erfüllt. Unter der Voraussetzung, dass wir grösstenteils wahre Anfangsüberzeugungen haben, ist dieser Mechanismus überaus nützlich. Doch er ist auch die Grundlage für einen Bias……..»
Unter einem Bias versteht die Kognitionspsychologie eine systematische, fehlerhafte Verzerrung.
Der Bestätigungsfehler reduziert Widersprüche zu unseren Einstellungen
«Diesen Bias nennt man in der Psychologie Bestätigungsfehler («Confirmation bias»). Informationen, die zu dem passen, von dem wir ausgehen, werden viel leichter zur Kenntnis genommen, als Informationen, die unsere Weltsicht infrage stellen.
Warum sitzen wir diesem Bias auf? Nun, zunächst einmal ist es unter evolutionären Gesichtspunkten recht nützlich, neue Informationen mit bereits bestehenden Überzeugungen abzugleichen. Wir werden in jedem Moment mit einer so überwältigenden Zahl an Informationen konfrontiert, dass es überlebensnotwendig ist, auszuwählen. Wenn etwas überhaupt nicht zu unseren sonstigen Überzeugungen passt, ist das zunächst ein guter Grund dafür, die Information auszusortieren.
Darüber hinaus ist es überaus unangenehm, einer Information zu begegnen, die nicht zum eigenen Überzeugungssystem passt. Psychologen sprechen hier von kognitiver Dissonanz. Im Allgemeinen mögen wir keine Widersprüche in unseren Einstellungen, Überzeugungen oder Verhaltensweisen und empfinden mentalen Stress, wenn wir auf die Tatsache gestossen werden, dass etwas nicht zusammenpasst. Das führt zu der Tendenz, Informationen, die solche Konflikte auslösen würden, zu ignorieren oder zu unterdrücken. Man spricht hier auch von motivierter oder selektiver Wahrnehmung: Wir sehen nicht unbedingt das, was sich vor unseren Augen befindet, sondern das, was wir auf Grundlage unserer eigenen Erwartungen, Wünsche und Ängste sehen wollen…….»
Der Bestätigungsfehler als Bestandteil von Verschwörungstheorien
«Verschwörungstheoretisch zu denken bedeutet, den Bestätigungsfehler zu voller Blüte zu treiben. Eingefleischte Verschwörungstheoretiker glauben alles, was ihre Theorien bestätigt, und blenden Gegenevidenz aus. Je vollständiger ihr Weltbild, desto höher sind die persönlichen Kosten, die mit einer Verwerfung der Theorie einhergehen würden. Die kognitive Dissonanz, die Gegenevidenz mit sich bringt, wächst immer weiter; die Wahrnehmung sensibilisiert sich immer mehr für Bestätigungen ihrer Theorie. Das Resultat sind Gedankengebäude, die um immer abstrusere Erklärungen erweitert werden, um die Kerngeschichte zu bewahren.»
Zitate aus:
Romy Jaster / David Lanius, «Die Wahrheit schafft sich ab», Reclam Verlag 2019
(Seiten 54/55/56/57/59)
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Kommentar & Ergänzung zum Confirmation bias:
Die Neigung zum Bestätigungsfehler ist allen Menschen eigen, nicht nur jenen, die Verschwörungstheorien anhängen. Egal, ob wir negativ eingestellt sind gegenüber Bankern, Sozialhilfeempfängern, Impfungen, Fahrenden, Homosexuellen, FC-Basel-Fans oder wem auch immer – wir nehmen bevorzugt Informationen auf, die unsere Haltung bestärken. Aber auch positive Erwartungen haben denselben Effekt: Wer überzeugt ist von Komplementärmedizin, Bio-Landwirtschaft, Schokolade, freien Märkten, Schönheitsoperationen oder was auch immer, sucht und findet überwiegend bestätigende Informationen.
Entgegenwirken lässt sich dieser verzerrenden Voreingenommenheit ein Stück weit durch die bewusste Suche nach Informationen, die unserer Weltsicht und unseren Erwartungen widersprechen. Derartigen «Gegenwind» zu suchen und sich damit auseinanderzusetzen heisst noch nicht, dass wir unsere Einstellungen und Weltbilder aufgeben müssen. Wir bekommen dadurch aber eine vielfältigere und realitätsgetreuere Sicht auf die Wirklichkeit.
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