Das Portal Mimikama weist gerade auf einen Kettenbrief hin, der sich auf asozialen Medien verbreitet. Darin wird als Hausmittel gegen Coronaviren empfohlen, Zwiebeln im Raum aufzustellen, weil sie die Krankheiterreger anziehen und Bakterien töten sollen.
Dieser Kettenbrief muss tatsächlich viral gehen, denn mein Artikel hier zum Thema «Zwiebeln gegen Bakterien wirksam?» wird gerade statt dreimal täglich etwa 500mal täglich besucht.
Der Kettenbrief strotzt aber vor unsinnigen Behauptungen. Zwiebel werden dort dargestellt als riesige Magneten, die Bakterien aus der Luft saugen sollen.
Die Zwiebel (Allium cepa) wirkt gegen verschiedene Bakterien. Das lässt sich gut im Labor nachweisen. Sie enthält Thiosulfinate, die im Lochplattentest Wirkung gegenüber Bacillus subtilis, Salmonella typhi, Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli zeigen.
Das sind aber Laboruntersuchungen. Im Labor ist es ziemlich einfach, antibakterielle Wirkungen zu erzeugen und zu messen. Aber die Situation im menschlichen Körper oder in der Raumluft ist fundamental komplexer.
Kettenbrief trennt nicht zwischen Bakterien und Viren
Ausserdem handelt es sich bei der Corona-Infektion um Viren und nicht um Bakterien. Dieser Kettenbrief bringt das durcheinander und berücksichtigt diesen Unterschied nicht.
Zur Wirksamkeit der Zwiebel gegen Viren gibt es in der Phytotherapie-Fachliteratur keine Angaben. Offensichtlich fehlen dazu entsprechende Untersuchungen.
Aber schauen wir uns mal die Situation mit den Bakterien an und die Behauptung, dass aufgestellte Zwiebeln Bakterien anziehen.
Im Labor kann man Zwiebeln sehr konzentriert auf Bakterien einwirken lassen. Um mit einer aufgestellten Zwiebel aber die Raumluft zu desinfizieren, braucht es eine gewisse Konzentration an Thiosulfinaten in der Luft.
Es wäre durchaus möglich, dass bei der nötigen Konzentration niemand sich mehr freiwillig in diesem Raum aufhalten würde – also nicht nur keine Bakterien, sondern auch keine Menschen.
Ziemlich abenteuerlich ist zudem die Vorstellung, dass die Zwiebel Bakterien aus der Luft absorbiert. Mit welcher Kraft soll sie denn Bakterien anziehen?
Zwiebel als Hausmittel
Das Aufstellen einer halbierten oder stärker zerkleinerten Zwiebel über Nacht gilt allerdings als bewährtes Hausmittel bei Schnupfen. Immer wieder gibt es Berichte, wonach diese Massnahme die Atemwege befreit und mehr Luft verschafft. Und bei Schnupfen haben wir es wie bei der Corona-Infektion mit Viren zu tun (Rhinoviren).
Ich nehme die Berichte durchaus ernst, wenn Leute sagen, dass ihnen die aufgestellte Zwiebel bei Schnupfen hilft. Falls eine solche Wirkung auftritt, wird sie meiner Vermutung nach jedoch nicht durch einen antiviralen Effekt ausgelöst.
Naheliegender scheint mir, dass ein solcher Effekt mit der schleimhautreizenden Wirkung der Zwiebel zusammenhängt. Dafür verantwortlich ist Propanthial-S-oxid, der Tränenreizstoff in den Zwiebeln.
Vorstellbar ist, dass diese Substanz über eine Schleimhautreizung in den Atemwegen die Produktion von dünnflüssigem Schleim steigert, wodurch dickflüssiger Schleim verdünnt wird. Eine Reizung der Schleimhäute kann auch die lokale Durchblutung anregen und dadurch die Abwehrkraft des Immunsystems verbessern.
Das sind allerdings nur Überlegungen. Belege für solche Wirkungsmechanismen gibt es nicht.
Dieser Kettenbrief zur Corona-Infektion bzw. zu Coronaviren ist jedenfalls Unsinn.
Überlegungen zur Wirksamkeit von Heilpflanzen in Kontext der Corona-Infektion habe ich hier zusammengefasst:
Heilpflanzen gegen Coronaviren?
Dazu muss aber sogleich gesagt werden, dass es dazu keine gesicherten Erkenntnisse gibt. Kritisches Nachdenken auf der Basis von Fachwissen ist aber meines Erachtens sinnvoll.
Wer sich vertieftes Wissen über die verschiedenen Zubereitungsformen und Anwendungsbereiche von Heilpflanzen erwerben möchte, kann das in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.
P.S. Mimikama ist ein wertvolles Informationsportal gegen Falschmeldungen und Betrug im Internet: https://www.mimikama.at