Der ehemalige deutsche Arzt Ryke Geerd Hamer ist seit 2017 tot. Vor ein paar Tagen wurde ich gefragt, was ich von dem Mann und seiner Methode halte.
Hamer war meines Erachtens eine der problematischsten Figuren der Alternativmedizin und verbreitete toxische Verschwörungstheorien. Er verpackte wirre Vorstellungen über die Entstehung und Heilung von Krankheiten in eine von ihm so genannte „Germanische Neue Medizin“. Seine Approbation als Arzt wurde ihm schon vor vielen Jahren entzogen. Das hinderte ihn nicht daran, seine gefährliche Heilslehre unter die Leute zu bringen.
Hamer ging davon aus, dass unvermutet hereinbrechende psychische Konflikte zu Krebserkrankungen führen. Die Heilung der Krebserkrankung hielt er für möglich, wenn es gelänge, den Konflikt zu lösen. Andere Therapiemassnahmen hielt Hamer für überflüssig.
Nur schon die Tatsache, dass Hamer höchst verschiedenartige und komplexe Erkrankungen mit einer derart simplen Theorie erklären und angeblich heilen zu können behauptet, sollte alle Warnlampen aufleuchten lassen.
Zahlreiche Forscherinnen und Forscher arbeiten an Methoden, um Krankheiten zu heilen. Aber Menschen sterben trotz Medizin. Und da kommt einer wie Ryke Geerd Hamer und hat eine ganz einfache, nebenwirkungsfreie, billige Lösung für alle Krankheiten, an denen sich die ganze Welt die Zähne ausbeisst. Allmachtsphantasien werden gerne an der Medizin kritisiert – und manchmal auch zu Recht. Hamer ist ein drastisches Beispiel dafür, dass Allmachtsphantasien auch in der Alternativmedizin sehr ausgeprägt auftreten können.
Man müsste ja meinen, dass es für jeden vernünftigen Menschen offensichtlich ist, wie suspekt diese „Germanische Neue Medizin“ daher kommt.
Was bieten diese Vorstellungen den Menschen, die daran glauben?
Meiner Ansicht nach geht es dabei im Kern um die Vermeidung von Ohnmachtsgefühlen. Die Vorstellung, dass jede Krebserkrankung durch einen Konflikt ausgelöst wird, und dass die Lösung dieses Konflikts zur Heilung führt, gibt dem Menschen scheinbar die Macht über den Krebs zurück. Wer so denkt, hat das Steuer für die Gesundwerdung scheinbar in der Hand. Dadurch werden Ohnmachtsgefühle reduziert. Im Tausch davon holen sich die Betroffenen leicht Schuldgefühle „an Bord“. Wer es nicht schafft gesund zu werden, hat bei der Lösung des Konflikts versagt.
Dieses Tauschverfahren ist sehr problematisch. Sinnvoller wäre es meines Erachtens, mit Ohnmachtsgefühlen umgehen zu lernen.
Sie gehören in manchen Situationen leider zum Leben – zum Beispiel bei lebensbedrohenden Krankheiten wie Krebs und wenn es um den Tod geht. Dem Tod gegenüber sind wir letztlich alle ohnmächtig.
Ryke Geerd Hamer ist mit seinen Behauptungen und Heilsversprechungen für den Tod vieler Menschen verantwortlich, denen er Genesung versprochen hat.
Er hat sich als Opfer von Verschwörungen inszeniert, was ihm Unterstützung verschaffte bei Menschen, die seine Feindbilder teilen.
Dass Hamer ein übler Antisemit war, scheint seine Anhängerinnen und Anhänger auch nicht zu stören. Dazu siehe:
Ryke Geerd Hamer und Antisemitismus (Artikel auf Psiram)
Weitere Informationen zu Ryke Geerd Hamer und der „Germanischen Neuen Medizin“:
Ryke Geerd Hamer und Verschwörungstheorien (Artikel auf Psiram)
Ryke Geerd Hamer auf Wikipedia
Germanische Neue Medizin (Artikel auf Psiram)
Schweizerische Studiengruppe für Komplementäre und Alternative Methoden bei Krebs (SKAK) der Krebsliga Schweiz: Hamers «Neue Medizin»