Der „Wiesbadener Kurier“ veröffentlichte ein Interview mit Professor Dr. Franz-Josef Prott, dem Leiter des Zentrums für Radiologie und Strahlentherapie am St.-Josefs-Hospital in Wiesbaden. Das Gespräch drehte sich um Risiken der Alternativmedizin und Möglichkeiten der Naturheilkunde bei Krebserkrankungen.

Zitat zu den Risiken:

„Viele Patienten, die die Diagnose Krebs erhalten, schrecken vor der Therapie mit Operation, Chemo- und Strahlentherapie zurück und wenden sich Alternativmethoden zu. Die Folgen sind fatal. Wir behandeln oft besonders Frauen mit Brustkrebs, die bei der Diagnose zuerst heilbar gewesen wären und dann, wenn sie zu uns kommen, können wir nur noch palliativ die Symptome behandeln.“

Zitate zu den Möglichkeiten der Naturheilkunde:

„Selen senkt beispielsweise die Nebenwirkungen am Darm bei Bauchbestrahlungen. Wir wenden Selen hoch dosiert sehr gerne bei Patientinnen an, die nach Bestrahlung der Lymphabflusswege bei Brustkrebs einen Lymphstau des Arms bekommen haben. Salbei, Ingwer und Honig haben wir fest im Programm bei Beschwerden der Hals- und Rachenregion.“

„Ja, unseren Patienten, die wir im Kopf- und Halsbereich bestrahlen, raten wir gerne, einen Löffel voll Honig zwischendurch einzunehmen und warmen Salbeitee stets griffbereit zu haben. Salbei wirkt antibakteriell und ist fester Bestandteil unserer Mundspülungen. Zudem helfen Traubensilberkerzenextrakte gegen Hitzewallungen, die bei einer Anti-Hormon-Therapie von Brustkrebspatientinnen oft auftreten können.“

Quelle:

http://www.wiesbadener-kurier.de

Kommentar & Ergänzung:

Zu den Risiken:

Leider kommt es immer wieder vor, dass Menschen mit einer Krebserkrankung trotz guter Prognose eine Behandlung mit Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie ausschlagen und stattdessen auf leere Heilungsversprechungen aus der Alternativmedizin setzen. Natürlich kann jeder Mensch in der Regel selber entscheiden, ob er oder sie sich einer bestimmten Behandlung unterziehen will. Eine Krebsdiagnose setzt Menschen aber stark unter Druck (emotional, zeitlich) und das macht anfällig für Heilungsversprechungen. Umso schlimmer ist es, wenn Scharlatane diese Situation ausnutzen, den Betroffenen wirkungslose Mittel andrehen und sie manchmal sogar aktiv von wirksamen Therapien abhalten. Dass es in Situationen, in denen das Leben zu Ende geht, auch sinnvoll sein kann, auf weitere invasive Therapien zu verzichten, ist ein ganz anderes Thema.

Zu den Möglichkeiten:

Selen ist ein starkes Antioxidans (Radikalfänger). Es linderte in verschiedenen Untersuchungen Lymphödeme nach Strahlentherapie und nach Operationen. Selen soll zudem die Wirkung gewisser Chemotherapeutika verbessern und Nebenwirkungen von Chemotherapeutika lindern können. Manche Kliniken befürworten daher die Gabe von Selen parallel zu Chemotherapie und Strahlentherapie. Es gibt aber auch Einwände, die bedenkenswert sind: Chemotherapie und Strahlentherapie bewirken eine vermehrte Bildung von freien Radikalen, die sowohl für die Wirkung als auch für die Nebenwirkungen der Behandlung zentral zu sein scheinen. Ein Antioxidans wie Selen könnte daher nicht nur die Nebenwirkungen, sondern auch die therapeutische Wirkung von Chemotherapie und Strahlentherapie abschwächen:

„Antioxidantien und andere Mikronährstoffe während einer Chemo- oder Radiotherapie werden kontrovers diskutiert, da bei einer Kombination eine Abschwächung der konventionellen Tumortherapien nicht ausgeschlossen ist.“

Quelle: http://www.medicalforum.ch/docs/smf/2014/37/de/smf-02036.pdf

Ich bin nicht in der Lage, in dieser Kontroverse um Wirksamkeit und Sicherheit einer Selengabe parallel zu Chemotherapie und Strahlentherapie fundiert Stellung zu nehmen. Mich macht es allerdings eher skeptisch zu sehen, wie viele unterschiedliche positive Wirkungen dem Selen zugeschrieben werden. Das ist aber eine grundsätzliche Reaktion. Derart umfassende Fähigkeiten zum Heilen und Lindern machen mich immer skeptisch, weil sie einfach oft nicht realistisch sind. Vielleicht tue ich da dem Selen aber auch Unrecht…

Jedenfalls würde ich empfehlen, Selengaben während Chemotherapie und Strahlentherapie immer vorgängig mit dem behandelnden Onkologen, der behandelnden Onkologin zu besprechen.

 

Honig gegen Mucositis (Mundschleimhautentzündung) ist eine interessante Option. Siehe:

Palliative Care & Onkologiepflege: Honig bei Mucositis / Mundschleimhautentzündung

Honig gegen Mundschleimhautentzündung (Mucosits) bei Chemotherapie / Bestrahlung

 

Salbei ist ein Klassiker für Spülungen bei Mundschleimhautentzündungen. Neben antimikrobiellem ätherischem Öl enthält das Salbeiblatt auch entzündungshemmende Lamiaceen-Gerbstoffe. Es gibt in diesem Bereich aber noch ein paar weitere interessante Optionen: Bei den Gerbstoffpflanzen vor allem Tormentilltinktur, ausserdem reizlindernde Schleimpflanzen (z. B. Eibischwurzel).

Siehe:

Weiterbildung Palliative Care & Onkologiepflege: Gerbstoffe bei Mundschleimhautentzündung

Weiterbildung Palliative Care & Onkologiepflege: Schleimstoffe bei Mundschleimhautentzündung 

 

– Der Anwendungsbereich für Ingwer bleibt im Interview etwas gar vage. Ingwer wird in der Onkologie hauptsächlich verwendet zur Linderung von Übelkeit.

Siehe:

Onkologie & Palliative care: Ingwer gegen Erbrechen bei Chemotherapie

Forschung zum Wirkungsmechanismus von Ingwer gegen Übelkeit bei Chemotherapie

Ingwertee gegen Übelkeit und Erbrechen 

Ingwer kann Übelkeit bei Chemotherapie reduzieren

Phytotherapie: Ingwer lindert Übelkeit bei Chemotherapie

Traubensilberkerzenextrakt gegen Hitzewallungen bei Anti-Östrogen-Therapie von Brustkrebspatientinnen: Das ist leider nicht so gut belegt. Traubensilberkerze (Actaea racemosa, Cimicifuga racemosa) gilt in der Phytotherapie zwar als hilfreich bei leichteren Hitzewallungen in den Wechseljahren. Die Hitzewallungen bei Anti-Östrogen-Therapie sind aber ein spezieller Fall. Prof. Karin Kraft vom Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Rostock schrieb dazu in der Zeitschrift für Phytotherapie (Nr. 6 / 2010):

„….für Cimicifuga ergab sich….bei dieser Personengruppe keine Überlegenheit hinsichtlich der Menopausensymptomatik gegenüber Placebo.“

Mehr dazu hier:

Phytoöstrogene und hormonrezeptorpositiver Brustkrebs

Insgesamt bietet die Naturheilkunde und vor allem auch die Phytotherapie eine ganze Reihe von interessanten Optionen zur Linderung der Nebenwirkungen von Krebstherapien.

 

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe

Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse

Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch