Broschüre: “Phänomen Frau” im Wandel der Zeit
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Einleitung
Für dieses kleine Werk wünsche ich mir Leserinnen und Leser, die interessiert sind am Verhältnis von Mann und Frau in Vergangenheit und Gegenwart. In diesem Sinne soll es ein breites Publikum von Menschen ansprechen, welche über dieses Verhältnis immer wieder nachdenken wollen. Darüber hinaus richtet sich diese Schrift aber auch speziell an Personen aus dem Umfeld vom Krankenpflege, Medizin oder Naturheilkunde.
Für heilkundliche oder pflegerische Arbeit jeder Art ist es wichtig, das Terrain zu verstehen, in dem eine Krankheit sich entwickelt hat und in das sie eingeflochten ist. Gefragt ist Kontextsensibilität. Isolierte Diagnosen und Verordnungen reichen oft nicht aus, wenn wir dieses Terrain nicht erfassen und in Kooperation mit der kranken Person gesundheitsfördernd darauf Einfluss nehmen.
Dies gilt für frauenheilkundliche Krankheiten genauso wie für alle anderen medizinischen Fachgebiete. Allerdings unterscheidet sich das Terrain, in dem sich die Gynäkologie bewegt, in einem entscheidenden Punkt von anderen Bereichen: Es ist in viel stärkerem Mass geprägt durch eine mindestens 2500 Jahre alte patriarchale Sichtweise. Es ist ein männlicher Blick auf die Frau mit ihren geschlechtsspezifischen Funktionen und Krankheiten, der sich seit Jahrtausenden etabliert hat. Unnötig zu erwähnen, dass dieser Blick für Wahrnehmungsverzerrungen und Fehldeutungen in hohem Masse anfällig ist. Als Folge davon wurde der weibliche Körper und seine geschlechtsspezifischen Funktionen (z.B. die Menstruation) als von Natur aus krank definiert.
Wer in unserer Kultur aufwächst – sei es als Mann oder als Frau – wird von diesen geschichtlichen Einflüssen mitgeprägt. Wahrnehmungen, Sichtweisen, Einstellungen, Erleben – nichts kann diesem soziokulturellen Filter entrinnen, wenn es um den weiblichen Organismus mit seinen Funktionen und Krankheiten geht. Dies wiederum beeinflusst unser Handeln in der Heilkunde und den Umgang von Patientinnen mit ihrer Krankheit. Diesen verzerrenden Filter können wir wohl nicht ablegen, sondern nur lockern, indem wir uns mit seiner Entstehung und Struktur auseinander setzen. Für Menschen, die in der Heilkunde mit so genannten «Frauenkrankheiten» zu tun haben, ist diese Auseinandersetzung mit dem eigenen «Filter» grundlegend wichtig. Darum lege ich diese kleine Exkursion durch die Kulturgeschichte der Frauenheilkunde allen Personen aus Krankenpflege, Medizin und Naturheilkunde besonders ans Herz. Von einer Sensibilisierung für diese Problematik profitieren aber auch Frauen generell in ihrer Geschlechterrolle und als potenzielle gynäkologische Patientinnen. Und obwohl Männer sich auf den ersten Blick vielleicht von solchen frauenheilkundlichen Themen nicht gerade betroffen fühlen, sind sie in ihrer Geschlechterrolle und als Beziehungspartner in die hier behandelten Fragen stark involviert.
Daher richtet sich diese Schrift als Anregung und Plädoyer an Fachleute und medizinische Laien. Ihr Hauptanliegen ist das Kennenlernen der Wurzeln, aus denen das abendländische Verhältnis von Frau und Mann entstanden ist, und der Wahrnehmungsfilter, die sich passend zur jeweiligen Zeitepoche bis in die Gegenwart hinein daraus entwickelt haben.
Im Wesentlichen geht es dabei um die Krankerklärung der normalen Frau, wie sie seit der Antike nachweisbar ist und im 19. und frühen 20. Jahrhundert ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat. Das ist nun allerdings keineswegs nur «Schnee von gestern». Die Medikalisierung weiblicher Lebensphasen ist ein sehr aktuelles Thema, das sich gut am Beispiel Klimakterium aufzeigen lässt. Diese heutigen Medikalisierungstendenzen werden daher im Schlusskapitel genauer unter die Lupe genommen. Darin enthalten ist eine Aufforderung zu eigenständigem, mündigem Denken gegenüber den Angeboten der Medizin; basierend auf einer Haltung, die weder einfach dogmatisch alles ablehnt noch kritiklos-gierig alles aufsaugt, was Medizin und Pharmaindustrie in ihren Wundertüten bereithalten. Es wäre meines Erachtens allerdings irreführend und einseitig, wenn daraus der Eindruck entstünde, Medikalisierung sei nur ein Phänomen der Medizin. Daher sollen auch Medikalisierungstendenzen in der Naturheilkunde zur Sprache kommen, eine Problematik, die meines Wissens noch kaum je in dieser Form thematisiert worden ist.
Im Übrigen eignet sich die Kulturgeschichte der Frauenheilkunde ausgezeichnet für erkenntnistheoretische Studien: Wie kommen Fehldeutungen und Irrtümer zustande und wie können sie sich über Jahrtausende halten? Solche Fragen werden in den folgenden Kapiteln mit eindrücklichen historischen Beispielen illustriert.
Ergänzungen und Kommentare aus erkenntnistheoretischer Sicht sind grau unterlegt. Im Zentrum steht dabei die Frage, was wir von den beschriebenen historischen Vorgängen für unseren heutigen Umgang mit heilkundlichem Wissen lernen können.
Vorbemerkungen zur Frühgeschichte der Geschlechterfrage
Wie schon erwähnt, lässt sich die biologisch-medizinisch-theologische Abwertung des weiblichen Geschlechts bis in die Antike belegen und das ist derjenige Teil der Geschichte, der uns geprägt hat. Dabei muss allerdings erwähnt werden, dass dies wohl nicht seit jeher so war. Die ältesten Zeugnisse in der Kunstgeschichte der Menschheit sind mehrheitlich weibliche Skulpturen. Aus der Altsteinzeit sind etwa 1000 vollständige oder fragmentarische weibliche Bildnisse erhalten, darunter Skulpturen, Reliefs und Holzschnitte, wovon die ältesten etwas 27’000–26’000 v.u.Z. entstanden. Aus der Jungsteinzeit (etwa ab 10’000 v.u.Z.) sollen nur etwa 3–5% der erhaltenen Figuren männliche Gottheiten darstellen. Die Deutung solcher Funde ist sehr komplex und die Fachleute sind sich oft entsprechend uneins. Trotzdem kann heute kaum mehr ernstlich daran gezweifelt werden, dass sie Hinweise sind auf Kulturen, in denen Frauen eine bessere Stellung hatten als in der Zeit nach etwa 4000 v.u.Z. (und bis in die Gegenwart). Viele der erhaltenen Bildnisse werden als Göttinnen gedeutet, wobei es offenbar verschiedene «Jobprofile» gegeben hat: Fruchtbarkeitsgöttinnen, Todesgöttinnen, Göttinnen der Erneuerung, die den Lebenszyklus kontrollieren etc. Nichts deutet auf eine Entwertung der Frau. Im Gegenteil sind symbolhafte weibliche Attribute wie Becken, Brüste und Vulva beim Typ «Fruchtbarkeitsgöttin» betont. Diese Vorgeschichte gilt es sich vor Augen zu halten, wenn wir nun diejenigen Zeiträume anschauen, in denen die Frau biologisch-medizinisch-theologisch weitgehend abgewertet wurde.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Vorbemerkung zur Frühgeschichte der Geschlechterfrage
A «Krankheit Frau» – von der Antike bis zur Neuzeit
1 Das Ein-Geschlecht-Modell der Antike
1.1 Blick in Galens Historischen Erfahrungsraum zum Thema «Frau»
1.1.1 Galens wichtigste Quellen: Aristoteles und Hippokrates
1.1.1.1 Aristoteles
1.1.1.2 Hippokrates
1.1.2 Soziokulturelle «Präsentabilien» in Galens HER
1.1.2.1 Religiöse Einflüsse
1.1.2.2 Sprachliche Einflüsse
1.1.3 Hierarchische Naturvorstellung
1.1.4 Zwei Irrtümer in der Fortpflanzungsbiologie
1.1.5 Im Ein-Geschlecht-Modell: «Gender» (engl.: soziales Geschlecht) ist zentraler als «sex» (engl.: biologisches Geschlecht)
2 Mittelalter – Menstruation als Strafe Gottes
3 Neuzeit: Welt- und Menschenbilder in Veränderung
3.1 Bändigung von Frau und Natur als potenzielle Quellen des Chaos
3.2 Die Giftigkeit des Menstruationsblutes
3.3 Menstruationsblut und Liebeszauber
3.4 Das Ein-Geschlecht-Modell trotzt anatomischen Fortschritten
3.5 Die Entdeckung der Klitoris – ein Organ passt nicht ins 1GM
3.6 Menstruation als Zivilisationsschaden (18. Jh.) – Rousseaus
«Zurück zur Natur»
3.7 Naturismus
4 Das Ein-Geschlecht-Modell wird abgelöst vom Zwei-Geschlecht-Modell (2GM)
4.1 Die Frau als passives, leidenschaftsloses Wesen
4.2 Die Frau – das edle Wesen
4.3 Ursachen des Überganges zum Zwei-Geschlecht-Modell
4.4 Menstruation als Verschüttung von Material (19. Jh.)
4.5 Menstruation als Ursache von Brandstiftungen (19. Jh.)
4.6 Menstruation – Brunstzeit der Frau
4.7 Menstruation als Zeichen nervöser Schwäche (19. Jh.)
4.8 Nach den beiden Weltkriegen: Der Symptom- und Symbolwert der Menstruation sinkt
B Frau und Medikalisierung in der Gegenwart
5 Und heute? – Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben der Frau
5.1 Aspekte der Medikalisierung: Normierung – Pathologisierung – Regulierung
5.2 Kulturelle Rahmenbedingungen der Medikalisierung
5.3 Medikalisierungstendenzen in der Naturheilkunde
5.4 Mitwirkende im Medikalisierungsprozess
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