Verglichen mit anderen Bereichen der “Naturmedizin” gibt es in der Phytotherapie mit Abstand die stärksten Anstrengungen, um Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten Heilpflanzen durch wissenschaftliche Studien zu dokumentieren. Immer wieder hört man dazu aber den Vorwurf, die phytotherapeutischen Studien seien verglichen mit den Studien synthetischer Arzneimittel von schlechterer Qualität und darum nicht ganz ernst zu nehmen. Wissenschafter des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin in Bern haben nun zusammen mit Wissenschaftern der University of Bristol (GB) die Qualität von phytotherapeutischen Studien im Unterschied zu vergleichbaren Studien aus der “normalen” Medizin untersucht. Dabei zeigte sich, dass viele phytotherapeutische Studien zwar Schwächen haben. Die Studien mit synthetischen Substanzen waren im Vergleich jedoch schlechter. Natürlich hat auch die Studie aus Bern und Bristol Schwachstellen und kann nicht die endgültige und absolute Wahrheit verkünden. Aber so einfach, wie noch vor kurzem, können es sich Kritiker der Phytotherapie nun nicht mehr machen.
Eine Zusammenfassung der Studie aus Bern und Bristol ist erschienen in der Fachzeitschrift “Phytotherapie” Nr. 1 / 2 vom April 2008. Diskutiert wurde die Studien aber bereits in der Zeitschrift “Forschende Komplementärmedizin” Nr. 14/5/07, Seite 308 – 315. Die Originalarbeit erschien im J Clin Epidem 60(2007) 787 – 794.
Zum Stellenwert wissenschaftlicher Studien in der Phytotherapie
An diesem Punkt stellt sich die Frage nach dem Stellenwert wissenschaftlicher Studien in der Phytotherapie. Viele Vertreterinnen und Vertreter aus dem naturheilkundlich-esoterischen Bereich der Pflanzenheilkunde lehnen Studien und ihre Ergebnisse vollständig ab. Das scheint mir eine sehr einseitige, dogmatisierende und ideologische Haltung, die den Kopf ziemlich in den Sand steckt. Klar ist: auch Studien sind zum Teil einseitig, fehlerhaft, widersprüchlich oder gar gefälscht. Und zudem nicht einfach zu interpretieren. Allerdings: Wer so total jede wissenschaftliche Studien als Teil des Erkenntnisprozesses ablehnt, müsste schon genauer erklären, auf welchem Weg er oder sie zu einer fundierten Meinung über ein bestimmtes Heilmittel kommt. Fragt man hier genau nach, so bekommt man in der Regel nur völlig naive Antworten wie “Wer heilt hat Recht!” oder “Meine Erfahrung zeigt, dass es wirkt”.
Naiv scheinen mir solche Antworten, weil sie keinen Augenblick daran denken, dass die eigenen Erfahrung sich auch täuschen könnte (sie tut es oft). Oder dass auch andere Faktoren als das angewandte Heilmittel verantwortlich sein könnten für die Heilung (z.B. die Selbstheilungskräfte des Organismus). Fazit: Studienergebnisse sollte man meines Erachtens zur Kenntnis nehmen und sich kritisch damit auseinandersetzen. Soviel Offenheit muss sein. Studien sind aber nicht Ein und Alles. Wir sollten über sie hinaus auch mit wachem Blick eigene und fremde Erfahrungen mit einbeziehen. Allerdings sagen Erfahrungen für sich genommen noch nichts aus. Auch hier braucht es eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit solchen Erfahrungen, damit wir daraus Lehren ziehen können.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
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