Heilmittel aus Pflanzen sind beliebt und die Nachfrage steigt. Im Zuge dieses Trends werden wir jedoch auch überschwemmt mit teilweise sehr euphorischen Informationen und Empfehlungen zu diesem Thema. Gleichzeitig gibt es immer noch Ärztinnen und Ärzte, die den Heilpflanzen jede Wirksamkeit absprechen. Für sie kommen nur synthetische Arzneimittel in Frage. Was stimmt nun und wo liegen die Stärken der Pflanzenheilkunde?
Es gibt viele Anwendungsbereiche, in denen pflanzliche Heilmittel sehr sinnvoll eingesetzt werden können.
Phytotherapie – als Anwendung pflanzlicher Heilmittel – ist hauptsächlich in fünf verschiedenen Bereichen empfehlenswert:
1. Als Alternative zu chemisch-synthetischen Präparaten.
Bei zahlreichen Beschwerdebildern stehen sowohl chemisch-synthetische als auch pflanzliche Arzneimittel mit ähnlicher Wirksamkeit zur Verfügung. Ein Beispiel dafür sind Johanniskraut-Präparate bei leichten und mittleren Depressionen. Eine ganze Reihe von Studien belegt, dass sie den synthetischen Antidepressiva in der Regel ebenbürtig sind. In solchen Fällen besteht eine Wahlmöglichkeit. Weil die pflanzliche Variante meist weniger unerwünschte Nebenwirkungen zeigt, ist es bei ähnlicher Wirksamkeit oft sehr vernünftig, sie vorzuziehen.
2. Bei “Befindlichkeitsstörungen”
Viele Beschwerden sind zwar lästig, beeinträchtigen vorübergehend die Lebensqualität und sind trotzdem nicht als echte Krankheiten zu bezeichnen. Leichte Nervosität, eine temporäre, geringfügige Magenverstimmung oder gelegentliche Einschlafschwierigkeiten – solche Störungen brauchen keine “harten” Therapien mit chemisch-synthetischen Medikamenten. Pflanzliche Heilmittel können hier mit ihrer meist sanften Wirkung gut Abhilfe schaffen – und das mit geringerem Risiko.
3. Im Frühstadium von Erkrankungen
Bei den ersten Anzeichen einer Erkrankung angewendet, können pflanzliche Arzneimittel so wirksam sein, dass die Krankheit gar nicht voll ausbricht. Das lässt sich zum Beispiel beobachten, wenn Sie bei den ersten Symptomen einer Erkältung ein warmes Kräuterbad nehmen. Aber auch manche leichtere Blasenentzündung lässt sich mit pflanzlichen Mitteln im Anfangsstadium noch kupieren.
4. Wenn keine Alternative verfügbar ist
In gewissen Bereichen existieren gar keine chemisch-synthetischen Medikamente. Beispiele dafür sind die Leberschutzwirkung des Wirkstoffs Silymarin aus der Mariendistel, die Verbesserung der Stressbewältigung durch Ginseng oder die Anregung des Immunsystems durch Sonnenhut (Echinacea) oder Umckaloabo.
5. Ergänzend zu chemisch-synthetischen oder anderen Therapien
Die Wirkung pflanzlicher Heilmittel stösst in manchen Fällen an Grenzen. Für viele schwere, ernsthafte oder gar lebensbedrohliche Krankheiten reichen sie allein nicht aus. Hier wäre es verantwortungslos, auf chemisch-synthetische Arzneimittel zu verzichten. Oft eignen sich in solchen Fällen aber Heilmittel der Phytotherapie als begleitende Behandlung. Sie können dann genutzt werden zur Wirkungsverstärkung der Medikamente, zur Reduktion unerwünschter Wirkungen oder zur Verbesserung von Wohlbefinden und Lebensqualität. So bringt zum Beispiel die Anwendung von Heilpflanzen gegen Tumore nicht den durchschlagenden Erfolg, der in solchen Situationen eben nötig wäre. Mit Heilpflanzen lassen sich aber zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen von Chemo- oder Strahlentherapien lindern. Das kann ein nicht zu unterschätzender Gewinn an Lebensqualität sein.
So lässt sich also mit Fug und Recht behaupten, dass pflanzliche Heilmittel eine bedeutende Stellung einnehmen in der Behandlung unterschiedlichster Leiden
Zu beachten ist jedoch, dass es ganz unterschiedliche Zubereitungen aus Pflanzen gibt, die als Heilmittel angepriesen werden. Phytotherapeutika müssen grundsätzlich die gleichen Kriterien erfüllen wie die chemisch-synthetischen Medikamente. Das heisst: Ihre Wirksamkeit muss in kontrollierten Studien an Patienten belegt werden. Das ist nötig, weil bei der Anwendung eines Heilmittels sonst nie geklärt werden kann, ob der Organismus auch von selber wieder gesund geworden wäre (der grösste Teil aller Beschwerden und Krankheiten heilt “von selbst”) und wie gross der (immer mitspielende) Placebo-Effekt ist.
So fehlen beispielsweise erfolgreiche kontrollierte Studien bisher für Bachblüten und Spagyrik. Beide Methoden gewinnen ihre Heilmittel auch aus Pflanzen und es gibt jeweils Menschen, die überzeugt sind von ihrer Wirkung. Die Frage, wie weit es sich dabei um einen Placebo-Effekt, um ein Selbstheilungsphänomen oder um eine spezifische Wirkung des Präparates handelt, bleibt dabei allerdings offen. Es ist wichtig, solche Differenzierungen zu machen und nicht alles in einen Topf zu werfen, was pflanzlicher Herkunft ist.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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