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Heilpflanzen-Präparate: Fragwürdige Bezugsquellen, fehlende Transparenz!

Naturheilkunde-Debatte

Avatar-FotoMartin Koradi08.11.2008

Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic und der Apothekerverband PharmaSuisse warnten kürzlich vor dem Bezug von Medikamenten via Internet. Diese Warnung gilt für synthetische Arzneimittel wie auch für Heilpflanzen-Präparate:

“Leider nimmt mit wachsenden Angeboten die Bereitschaft zu, Medikamente aus dem Ausland über Internet zu beziehen. Bei solchen Bezügen ist das Risiko sehr gross, ein gefälschtes Medikament zu erhalten. Im Internet werden zahlreiche gefälschte, ungeprüfte, verfallene, qualitativ schlechte und wirkungslose Arzneimittel oder rezeptpflichtige Präparate ohne ärztliche Verschreibung angeboten. Oft werden irreführende Versprechungen über die positiven Wirkungen, jedoch keine Angaben zu möglichen Risiken gemacht. Aufgrund der ungenügenden, oft gefährlichen Qualität riskiert jeder, der Medikamente über Internet bestellt, seine Gesundheit.”
(Quelle: www.stop-piracy.ch)

Die Warnung ist mehr als berechtigt. Die Heilsversprechungen im Internet sind oft haarsträubend, bei synthetischen Medikamenten genauso wie bei Naturheilmitteln. Das Risiko von Fälschungen oder von mangelhafter Qualität und den damit verbundenen Gefahren ist real. Die Kampagne empfiehlt selbstverständlich den Bezug von Medikamenten “aus legalen Quellen wie Apotheken, Drogerien und in gewissen Kantonen Arztpraxen….”.

Da fragt sich allerdings, inwieweit das Vertrauen in diese legalen Kanäle gerechtfertigt ist

Klar scheint mir: Das Risiko von Fälschungen oder von unerlaubten, gefährlichen Bestandteilen ist in den offiziellen Kanälen von Apotheken und Drogerien sehr gering.

Deutliche Fragezeichen würde ich setzen, wenn es um die fachliche Beratungsqualität geht. In unserer Phytotherapie-Ausbildung am “Seminar für Integrative Phytotherapie” gibt es immer wieder Lerngruppen, die sich zu Testzwecken in Apotheken oder Drogerien bezüglich Heilpflanzen-Produkten beraten lassen. Das ist aus fachlicher Sicht leider ziemlich häufig ein peinliches Desaster. Es zeigt sich dabei oft das völlige Fehlen von Kenntnissen der neueren Fachliteratur im Bereich Phytotherapie / Pflanzenheilkunde. Und es sieht in vielen Fällen sehr danach aus, dass die “Weiterbildung” der MitarbeiterInnen sich auf den Besuch von “Schulungsseminaren” der Herstellerfirmen beschränkt. Das sind dann in der Regel fast reine Verkaufveranstaltungen, die frei sind von jeglicher kritischer Reflexion.

Und wenn der Apothekenverband PharmaSuisse bemängelt, dass man im Internet “ungeprüfte,…wirkungslose Arzneimittel” bekommt und “irreführende Versprechungen über die positiven Wirkungen…” gemacht werden, dann müsste er sich schon auch ein bisschen selber an der Nase nehmen.

Naturheilkunde & Pflanzenheilkunde

Im Bereich von Naturheilkunde & Pflanzenheilkunde verkaufen die Apotheken und Drogerien nämlich ohne mit der Wimper zu zucken Produkte, die zwar als Heilmittel über den Ladentisch gehen, deren Wirkungen aber ungeprüft und in keiner Art belegt sind. Das gilt beispielsweise für den riesigen Markt der Nahrungsergänzungsmittel, die sich intensiv um ein Heilmittel-Image bemühen, aber keinerlei Wirksamkeit belegen müssen. Sie unterstehen auch nicht der Heilmittelkontrolle Swissmedic, sondern wie andere Lebensmittel auch dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Swissmedic wiederum befreit manche Heilmittelgruppen generell von jedem Wirksamkeitsnachweis. Das gilt beispielsweise für alle Homöopathika, Schüssler-Salze, Bachblüten-Tropfen, Frischpflanzentinkturen nach Homöopathischem Arzneibuch sowie für spagyrische Mittel.

Dass Apotheken und Drogerien solche Produkte auf Verlangen der Kundschaft verkaufen, scheint mir unproblematisch. Propagieren sie aber solche Produkte aktiv, unterscheiden sie sich nicht mehr gross von den Anbietern ungeprüfter und möglicherweise wirkungsloser Präparate im Internet. Die Kritik des Apothekerverbandes PharmaSuisse fällt deshalb teilweise auf die Apotheken selbst zurück.

Ich behaupte nun nicht, alle diese Produkte seien wertlos. Aber die Konsumentinnen und Konsumenten sollten meines Erachtens wissen, dass es in diesen Bereichen in der Regel keine fundierten Dokumentationen oder gar Studien gibt, die eine Wirksamkeit belegen. In den Regalen von Apotheken und Drogerien stehen oft Nahrungsergänzungsmittel, vom Wirkungsnachweis befreite Heilmittel und Heilmittel mit dokumentierter, belegter Wirkung nebeneinander. Das ist vom Standpunkt der Transparenz völlig unbefriedigend. Konsumentinnen und Konsumenten wird es dadurch sehr schwer gemacht, sich auf der Basis einer fundierten Meinungsbildung für ein bestimmtes Produkt zu entscheiden.

Daraus folgt meines Erachtens dreierlei:

1. Wer solche Produkte kauft, muss sich selber kundig machen und prüfen, wie seriös das erworbene Naturheilmittel ist. Andernfalls bleibt nur, sich blind auf die Aussagen und Versprechungen der Hersteller und Verkäufer zu verlassen.

2. Apotheken und Drogerien sollten bei ihren Beratungsgesprächen transparent machen, ob und wie gut die Wirksamkeit der empfohlenen Naturheilmittel durch fundierte Dokumentationen oder Studien belegt ist. Das ist leider im Beratungsgespräch sehr selten ein Thema, gerade auch, wenn es um Komplementärmedizin geht. Es gibt im Bereich Phytotherapie zum Beispiel durchaus Präparate, die sich in qualitativ überzeugenden Studien mit Patienten bewährt haben. Es gibt sogar Phytopharmaka, die so gut dokumentiert sind, dass sie von den Krankenkassen aus der Grundversicherung bezahlt werden müssen, wenn ein Arzt oder eine Ärztin sie verschreibt.

3. Je ernsthafter die Krankheit, desto mehr müssten bei Beratungen Präparate im Vordergrund stehen, deren Wirksamkeit ausreichend dokumentiert ist.

Ich gehe mit der Kampagne von Swissmedic und PharmaSuisse einig an dem Punkt, dass ich niemals Heilmittel aus irgendeiner obskuren Quelle im Internet kaufen würde. Darüber hinaus finde ich aber, dass auch das Sortiment, die Beratungsleistung und die Versprechungen von Apotheken und Drogerien im Bereich der Naturheilmittel durchaus kritisch unter die Lupe genommen werden müssten.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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