Der Konsum von Rotwein kann entzündungshemmend wirken, wie Wissenschaftler der schottischen Universität Glasgow herausfanden. Der Grund für diesen Effekt ist demnach das in Rotwein enthaltene Antioxidans Resveratrol, das zwei wichtige entzündungsauslösende Proteine hemmt. Das berichten die Wissenschaftler im Fachblatt des Verbandes der US-amerikanischen Gesellschaften für Experimentelle Biologie (FASEB Journal. 2009;23:2412-2424).??
Sie behandelten einige Mäuse im Tierversuch präventiv mit Resveratrol, weshalb ihnen die Gabe eines stark entzündungsauslösenden Stoffes nichts anhaben konnte. Andere Mäuse, welche kein Resveratrol bekommen hatten, reagierten dagegen mit Symptomen wie sie bei einer Sepsis auftreten. ?
Der Forscher Alirio Melendez von der Universität Glasgow erklärte, Ziel der Untersuchung sei es gewesen, neue Behandlungsmöglichkeiten für schwere akute Entzündungskrankheiten zu finden. Solche Krankheiten – wie etwa die Sepsis – seien “sehr schwer zu behandeln, und wegen mangelnder Behandlung sterben jeden Tag viele Menschen”. Darüber hinaus hätten Sepsis-Überlebende “oft nur eine sehr geringe Lebensqualität wegen der Schäden, die die Entzündung an mehreren inneren Organen anrichtet”, sagt der Wissenschaftler.??
Resveratrol hat in Medizin und Pharmazie ohnehin schon einen guten Ruf, dem Antioxidans wird eine günstige Wirkung von Anti-Aging bis zur Verstärkung von antiviralen Behandlungen zugesprochen. Frühere Studien kamen zum Schluss, dass Resveratrol die Bildung von Blutgerinnseln verhindern helfen und den Kampf gegen Krebs unterstützen kann. Resveratrol findet sich in der Schale von Weintrauben, kommt jedoch in Rotwein in größeren Mengen vor als in Weißwein.
Quelle: www.aerzteblatt.de
Originalpublikation:
http://www.fasebj.org/cgi/content/abstract/23/8/2412
Kommentar & Ergänzung: Resveratrol aus Rotwein als Entzündungshemmer
Resveratrol ist zweifellos eine interessante Substanz, doch wird hier wieder einmal sehr schnell von Experimenten mit einem isolierten Stoff an Mäusen auf eine Wirkung via Rotwein auf die menschliche Gesundheit geschlossen. Der Originaltitel des “Ärzteblattes” lautet: “Rotwein kann entzündungshemmend wirken.”
Vom “Ärzteblatt” bin ich mir eigentlich eine zurückhaltendere Interpretation gewohnt.
Was weiss man denn bisher über Resveratrol?
Hier eine gekürzte und modifizierte Zusammenfassung aus Wikipedia:
Resveratrol ist ein Antioxidans, das zu den Polyphenolen zählt und 1963 erstmals in Knöterich-Pflanzen (Polygonum cuspidatum) isoliert und identifiziert wurde. 1976 wurde die Substanz in Weintrauben nachgewiesen.
Vorkommen von Resveratrol
Resveratrol findet sich in einer Anzahl von Pflanzen bzw. pflanzlichen Lebensmitteln, hauptsächlich in Weintrauben, Himbeeren, Maulbeeren, Erdnüssen, und im japanischen Staudenknöterich. Im Rahmen eines Screening-Programms des National Cancer Institute, bei welchem mehrere tausend Pflanzen auf krebshemmende Inhaltsstoffe untersucht wurden, hat man Resveratrol in 72 Pflanzenarten gefunden. Besonders reichlich kommt es vor in der Haut von roten Weintrauben. In frischem weißen Traubensaft hat man bis zu 200 µg/l, in frischem roten bis zu 1100 µg/l Resveratrol nachweisen können. In Rotwein ist die Konzentration bedeutend höher und liegt bei ca. 30 bis 50 mg/l. Weißwein und Rosé enthalten geringere Konzentrationen an Resveratrol.
In seiner Funktion als Phytoalexin schützt es Pflanzen in feuchten Perioden gegen Parasiten und Pilzinfektionen. So wird es von den Rebstöcken vor allem in den Blättern und Beerenschalen bei Befall durch falschen Mehltau oder Botrytis gebildet. Stress, wie zum Beispiel ultraviolettes Licht, führt ebenfalls zu erhöhter Resveratrol-Bildung.
Zur Wirkung von Resveratrol
Aus In-vitro-Studien gibt es Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit gegen Krebszellen. Versuche am lebenden Organismus stehen aber noch aus. Andere Studien haben günstige Effekte der Substanz bei Krankheiten wie Arteriosklerose, Herzkrankheiten, Arthritis und manchen Autoimmunkrankheiten zeigen können.
Resveratrol erhöht, genauso wie eine kalorienarme Diät, die Expression der Sirtuin-Gene wie Sir2. Dadurch wurde bei verschiedenen Versuchstieren ein lebensverlängernder Effekt beobachtet.
In einer Tierversuchsstudie erhielten Mäuse eine besonders fettreiche Diät. Die gleichzeitige Gabe von Resveratrol reduzierte dabei deutlich die Gewichtszunahme.
Unter speziell hohen Resveratrol-Dosen konnte eine Verdoppelung der Ausdauerleistung beobachtet werden.
Resveratrol hilft bei der Abtötung von Krebszellen, weil es hemmend auf ein Protein einwirkt, welches für das Überleben von Krebszellen entscheidend ist. Dieses als NF-?B (Nukleärer Faktor kappa B) bezeichnete Schlüsselprotein ist ein Bestandteil der Kerne aller Zellen. Dort ist es verantwortlich für die Aktivierung von Genen, die für das Überleben der Zellen wichtig sind. Resveratrol wirkt so auf NF-kB ein, dass diese ihren überlebensfördernden Effekt nicht mehr entfalten können. Dies wiederum leitet bei den betroffenen Krebszellen die Apoptose, das heisst ihre Selbstzerstörung ein. Wissenschaftler hoffen, dass der Einsatz von NF-kB-Inhibitoren wie Resveratrol die Wirksamkeit bereits etablierter Behandlungsansätze gegen Krebs deutlich steigern kann.
Allerdings könnte die Wasserunlöslichkeit von Resveratrol noch eine Schwierigkeit darstellen: Möglicherweise kann es vom Körper nicht in genügender Menge aufgenommen werden und so seine Wirkung gegen Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht ausreichend entfalten.
Die Aktivierung von NF-kB ist auch im Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose bedeutsam – NF-kB-Inhibitoren könnten darum auch hier in Zukunft eine therapeutische Option darstellen. Allerdings wurden bisher noch keine Bemühungen unternommen, um die Wirksamkeit von Resveratrol bei MS zu überprüfen.
Resveratrol hat eine neuroprotektive Wirkung beim Glaukom (Grüner Star)
Ein erhöhter Augeninnendruck steigert den oxidativen Stress an Netzhaut und Trabekelmaschenwerk. Dieser führt zu vermehrter Bildung von Entzündungsmarkern wie Interleukin-1?, Interleukin-6, Interleukin-8 und zur schnelleren Zellalterung durch oxidative Spezies wie Lipofuscin in den Zellen des Trabekelmaschenwerkes und des Sehnerves. Resveratrol senkt die Expression dieser Stoffe und wirkt daher antioxidativ und antiapoptotisch im Trabekelmaschenwerk und in den Neuronen des Sehnerves.
Soweit die nicht ganz in allen Passagen leicht verständliche Beschreibung bei Wikipedia.
Auch hier aber stammen viele beschriebene Wirkungen aus Laborexperimenten und es wäre vorschnell, sie 1 : 1 auf die Situation bei kranken Menschen zu übertragen. Das gilt insbesondere auch für die krebshemmenden Wirkungen, so gern wir natürlich glauben würden, dass Rotwein uns vor Krebs schützen kann…..
Der Wikipedia-Text spricht einen der wichtigsten Kritikpunkte selber an: Es ist nicht so klar, ob Resveratrol über den Verdauungstrakt in ausreichenden Mengen resorbiert wird. Wenn dies aber nicht geschieht, nützen die schönsten Wirkungen aus Laborexperimenten nichts.
Ich würde nicht daran zweifeln, dass Rotwein regelmässig in moderaten Mengen genossen zur Gesundheit beitragen kann. Es scheint mir aber nicht angemessen, alles gesundheitliche Heil von einer einzigen Substanz zu erwarten, wie es uns die Werbung für gewisse Produkte einreden will. Auch Resveratrol wird sich wohl kaum als eine solche Wundersubstanz erweisen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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