Dem Thema “Phytotherapie in der Kinderheilkunde” widmet die Zeitschrift “PHYTOTherapie Austria” in ihrer neuesten Ausgabe einen Schwerpunkt-Artikel.
Die Autorin Univ.-Doz. Mag. pharm. DDr. Ulrike Kastner arbeitet am St. Anna Kinderspital in Wien.
Einleitend umreisst die Autorin die Bedeutung der Phytotherapie in der Kinderheilkunde:
“Phytopharmaka zählen heute in der Kinderheilkunde zu denjenigen Medikamenten, die mehr denn je von Eltern erwünscht und der Selbstmedikation zugänglich sind; nicht selten erfolgt die Anwendung jedoch durch den Laien – kommerziell beeinflusst und unreflektiert. Dabei wird vielerorts argumentiert, dass pflanzliche Arzneimittel eine große therapeutische Breite aufweisen, ohnehin als nur mittel bis schwach wirksam einzustufen sind und demzufolge auch keine nennenswerten Nebenwirkungen verursachen können.”
Anschliessend grenzt sie Phytotherapie von anderen Methoden der Komplementärmedizin ab:
“ Phytotherapie wird allzu oft mit komplementärmedizinischen Disziplinen wie Homöopathie, Bach-Blüten-Therapie, Bioresonanz u. a. vermengt oder ihnen gleichgestellt; zu Unrecht, denn Fertigzubereitungen aus pflanzlichen Drogen unterliegen einem strengen Zulassungsverfahren mit nahezu den gleichen Anforderungen wie für synthetische Arzneimittel betreffend Qualität, pharmakologische Wirkungen, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Zwischen dem so genannten “natürlichen Arzneimittel ohne Nebenwirkungen” einerseits und dem modernen Phytotherapeutikum mit hohen Ansprüchen der Pharmakologie und Toxikologie anderseits steht das kranke Kind, das wie jeder Patient Recht auf adäquate und sichere Behandlung hat.”
Diese Abgrenzung ist nötig, weil vielen Laien die Unterschiede kaum klar sind. Insbesondere ist in weiten Kreisen nicht bekannt, dass sehr viele Heilmittel aus dem Bereich Komplementärmedizin von jedem Wirksameitsnachweis befreit sind, während Phytopharmaka für eine Zulassung als Heilmittel ihre Wirksamkeit und Sicherheit genauso dokumentieren müssen wie synthetische Medikamente.
Wenn Ulrike Kastner im obigen Abschnitt von “pflanzlichen Drogen” schreibt, sind damit im übrigen einfach getrocknete Heilpflanzen gemeint. Dies ist die ursprüngliche Bedeutung des Wortes “Droge”, was heute erläutert werden muss, damit nicht irreführende Vorstellungen entstehen.
Die Autorin umreisst dann den Schwerpunkt der Phytotherapie in der Kinderheilkunde:
“ In der Kinderheilkunde liegt der Schwerpunkt der Phytotherapie sicherlich nicht in der Notfallversorgung, sehr wohl aber in der “Alternativ”- und/oder Supportivtherapie bei milden bis moderaten Krankheitsbildern, wie dermatologischen Problemen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen und häufig auftretenden Befindlichkeitsstörungen, wie Säuglingsunruhe bis hin zu Konzentrations- und Schlafstörungen des Schulkindes.”
Anschliessend werden die wichtigsten Anwendungsbereiche der Phytotherapie in der Kinderheilkunde vorgestellt.
Die wichtigsten Stichwörter zusammengefasst:
– Hautkrankheiten:
Windeldermatitis: Kamillenblüte, Eichenrinde, Hamamelisblatt, Hamamelisrinde, Calendulablüte u. a.
Neurodermitis: Nachtkerzenöl, Hamamelis, Avocadoöl
– Atemwegsinfektionen:
Hustenpflanzen wie Eibisch, Malve, Spitzwegerich, Huflattich, Primelwurzel, neben ätherischen Ölen.
– Verdauungsstörungen:
Am interessantesten ist hier das Rezept für die altbewährte Karottensuppe nach Moro gegen Durchfall:
“Karottensuppe nach E. Moro (1905):
500 g geschälte Karotten zerkleinern, in 1 Liter Wasser 1 bis 1 1/2 Stunden kochen, pürieren,
Gesamtmenge auf 1 Liter auffüllen und 3 g Kochsalz zufügen .
Herr Dr. Pechlaner, Praktischer Arzt in Lofer, empfiehlt eine Variante der Karottensuppe:
500 g geschälte Karotten in 1L Wasser 1 bis 1 1/2 Stunden kochen, 3 g Kochsalz zufügen,
ca. 1 KL Butter und 1 EL Zucker dazugeben und zu einem Brei verarbeiten.
Der erfahrene Arzt sagt: ,Wird von Kindern deutlich lieber gegessen.‘”
Bei Blähungen: Fenchel, Anis, Kümmel (das sind die Klassiker, M.K.)
– Unruhe, Schlafstörungen:
Bei Schlafstörungen von Kleinkindern und Schulkindern Teemischungen aus Pfefferminze, Melisse, Baldrian, Hopfen, Passionsblume (Okay, aber den Geschmack im Auge behalten, Baldrian und Hopfen sind für Kinder diesbezüglich gar nicht attraktiv, M.K.)
Allgemein hält die Autorin aber die Verträglichkeit und Akzeptanz von Phytopharmaka für sehr gut:
“ Generell sind Verträglichkeit und Akzeptanz von Phytopharmaka im Kindesalter als sehr gut einzustufen, zumal durch die Beimengung von Geschmackskorrigentien oder durch die Anwendung von wohlschmeckenden Sirup- und Saftrezepturen die Compliance kein Problem darstellen dürfte.”
Der Artikel schliesst mit der wichtigen Frage nach Dosierungsregeln für Heilpflanzen-Präparate in der Kinderheilkunde. Es gibt natürlich noch wesentlich mehr Anwendungsbereiche für Phytotherapie bzw. Pflanzenheilkunde in der Kinderheilkunde. Der Text von Ulrike Kastner gibt meiner Ansicht nach aber eine gute Einführung.
Quelle: Zeitschrift PHYTOTherapie Austria 3 / 2009
(PHYTOTherapie Austria ist die Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie)
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch