Amarogentin gilt als bitterste natürliche Substanz der Welt und kommt im Enzian vor. Mit welchen Geschmackssensoren Menschen Amarogentin wahrnehmen, hat nun ein deutsch-italienisches Wissenschaftlerteam entdeckt. Vier Sensoren seien beteiligt, teilte das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam mit.
Das hätten DIfE-Wissenschaftler zusammen mit Kollegen von der Universität Piemont in Italien herausgefunden. Amarogentin sei immer noch zu schmecken, wenn ein Schnapsglas davon in einer Wassermenge verdünnt werde, die 5800 Badewannenfüllungen entspreche, schreibt das DIfE in einer Mitteilung.
Menschen nehmen Bitterstoffe mit Rezeptoren wahr, welche wie „Antennen“ auf den Geschmackszellen sitzen. Dockt eine Substanz an einen oder mehrere der Rezeptoren an, wird ein Signal ans Gehirn gesendet: Das da schmeckt bitter. Wichtig ist diese Meldung, weil vor allem giftige Stoffe häufig bitter sind. Die 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene seien seit Jahren bekannt, schreibt das DIfE. Es sei jedoch bisher noch nicht gelungen, für jeden Bitterstoff die dazugehörigen Rezeptoren zu identifizieren.
In ihrer Studie untersuchten die Forscher um Maik Behrens und Wolfgang Meyerhof vom DIfE acht Rezeptortypen auf Wechselwirkungen mit verschiedenen Bitterstoffen. Sie konnten dabei zeigen, dass Amarogentin vier dieser acht Sensoren aktiviert (J. Agric. Food Chem., online vorab, Oktober 2009).
Das Wissen über die Geschmackswahrnehmung sei wichtig, um zu verstehen, wie Nahrungspräferenzen entstehen, wird Meyerhof in der Mitteilung des DIfE zitiert. Ebenso sei es denkbar, die Studienresultate zu nutzen, um spezielle „Bitterblocker“ zu entwickeln, die den schlechten Geschmack von Medikamenten verringern.
Quelle:
http://www.aerztezeitung.de
Originalpublikation:
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/jf9014334
Kommentar & Ergänzung: Sensoren für bitteren Enzian-Inhaltsstoff Amarogentin entdeckt
Beim erwähnten “Enzian” dürfte es sich um den “Gelben Enzian” (Gentiana lutea) handeln, der auch zur Produktion von Enzianschnaps verwendet wird und der in seiner Wurzel den Bitterstoff “Amarogentin” enthält.
Die Gattung “Enzian” (Gentiana) umfasst weltweit 300 bis 400 Arten, vorwiegend in den Gebirgen der nördlich gemäßigten Zonen, aber auch in den Anden. Enziane fehlen dagegen in Afrika. In Europa wachsen etwa 35 Arten hauptsächlich in den Alpen.
Während Enziane in der populären Vorstellung blau sind (Heino!), ist es eben gerade der Gelbe Enzian, der vewendet wird in der Schnapsbrennerei und als Heilpflanze.
Die Enzianwurzel ist als Bitterstoffpflanze Bestandteil vieler Heilkräuter-Präparate zur Verdauungsförderung.
Weitere Bitterstoffpflanzen mit Bedeutung in der Phytotherapie / Pflanzenheilkunde sind beispielsweise:
– Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea)
– Fieberklee (Bitterklee, Menyanthes trifoliata)
– Kardobenediktenkraut (Cnicus benedictus)
– Löwenzahn (Taraxacum officinale)
– Artischocke (Cynara scolymus, als Artischockenblatt)
– Wermut (Artemisia absinthium), Wermut gehört zu dem Amara aromatica, das sind Heilpflanzen, die neben Bitterstoffen noch ätherisches Öl enthalten.
– Schafgarbe (Achillea millefolium), Amarum aromaticum
– Engelwurz (Angelica archangelica), Amarum aromaticum
Diese bitteren Heilpflanzen findet man häufig in Teemischungen oder Tinkturen zu Verdauungsförderung, gegen Völlegefühl etc., zum Teil auch in Aperitiven und Kräuterschnäpsen.
Darüber hinaus gibt es noch einige Heilpflanzen, die ebenfall stark bitteren Geschmack zeigen, aber wegen zusätzlichen anderweitigen Effekten ausserhalb des Verdauungstraktes genutzt werden, beispielsweise:
– Hopfen (Humulus lupulus) als Beruhigungsmittel und gegen Schlafstörungen;
– Teufelskralle (Harpagophytum procumbens) bei Rheuma, Arthrose;
– Isländisch Moos (Cetraria islandica), ein Amarum mucilaginosum = Bitterstoffe und Schleimstoffe enthaltend, gegen trockenen Reizhusten.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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