Weidenröschentee hat einen Ruf als Mittel gegen Prostatabeschwerden bei gutartiger Prostatavergrösserung.
Das Weidenröschen gehört allerdings zu denjenigen Heilpflanzen, von denen noch ungeklärt ist, ob die vermuteten oder behaupteten Heilwirkungen auch tatsächlich vorhanden sind.
Zum Stand der pharmakologischen Forschung berichtete Prof. Mag. Dr. Max Wichtl in der Fachzeitschrift “PHYTO Therapie Austria 6|2008” :
“Das kleinblütige Weidenröschen (Epilobium parviflorum)
wurde in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts von
Maria Treben in ihrer umstrittenen Schrift “Gesundheit aus
der Apotheke Gottes” bei Prostatabeschwerden empfohlen.
Als sich die Wissenschaftler mit dieser Droge beschäftigten,
wurde das Flavonoid Myricetin-3-O-glucuronid entdeckt,
das sich als außerordentlich stark entzündungshemmend
erwies (im Tierversuch 500mal stärker als Indometacin1).”
Die Entdeckung dieses Flavonoids und seiner entzündungshemmenden Wirkung ist interessant, doch werden damit wie so oft mehr neue Fragen aufgeworfen als alte beantwortet. Bei Tierversuchen stellt sich immer die Frage, ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Nehmen wir einmal an, das sei bei Entzündungsprozessen und ihrer Hemmung so. Dann stellen sich immer noch Fragen:
Wie hoch ist der Gehalt an diesem Flavonoid Myricetin-3-O-glucuronid im Weidenröschen? Und lässt sich via Weidenröschentee überhaupt eine ausreichende Menge zuführen? Solche Fragen muss ein Tierversuch mit isoliertem Flavonoid nicht beantworten…
“1996 gelang es, makrocyclische Ellagitannine2) (Oenothein
B, neben etwas Oenothein A) nachzuweisen, für die wenig
später eine Hemmung der Aromatase und der 5?-Reduktase
festgestellt wurde.”
Die Hemmung von Aromatase und 5?-Reduktase wird in der Phytotherapie-Forschung diskutiert als mögliches Wirkungsprinzip bei verschiedenen Heilpflanzen, die zur Linderung von Prostatabeschwerden empfohlen werden. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob diese Laborergebnisse auch für eine Prostata in einem lebenden Menschen relevant sind.
Beispielsweise ist die 5?-Reduktase-Hemmung auch bei Sabal (Sägepalme) ein Forschungsthema. Dort gibt es aber für einige Sabal-Präparate im Gegensatz zum Weidenröschen auch Studien mit Patienten, die einen Effekt auf die Beschwerden der gutartigen Prostatavergrösserung gezeigt haben.
“2003 konnte man überdies nachweisen, dass besonders
Oenothein B die Proliferation von Prostatazellen durch di-
rekten Eingriff in deren DNA-Biosynthese hemmt. Damit
hat die empirisch festgestellte Wirksamkeit von Weidenrös-
chentee eine rationale Erklärung gefunden. Leider fehlen
noch klinische Untersuchungen, um dieser Droge auch von
ärztlicher Seite volle Anerkennung zu verschaffen.”
Auch die Hemmung der Proliferation von Prostatazellen ist ein interessantes Ergebnis. Aber auch hier ist zu sagen, dass ein solches Laborresultat noch keine Aussage erlaubt bezüglich einem solchen Effekt am Menschen. Bei aller Begeisterung über die Möglichkeiten der Pflanzenmedizin muss man hier meines Erachtens sorgfältig sein mit den Schlussfolgerungen und Aussagen.
Quelle: http://www.phytotherapie.co.at/PHYTO%20Therapie_6-08.pdf
Fazit zum Thema Weidenröschen gegen Prostatabeschwerden:
Ernsthafte Einwände gegen das Trinken von Weidenröschentee sehe ich keine. Auch wenn inzwischen interessante Laborergebnisse vorliegen, ist die Wirksamkeit gegen Prostatabeschwerden am Menschen allerdings immer noch nicht ausreichend dokumentiert. Besser belegt sind Sabal (Sägepalme) und Brennesselwurzel, allerdings bestehen hier grosse Unterschiede in der Qualität der erhältlichen Heilpflanzen-Präparate.
Der oben zitierte Prof. Max Wichtl ist im übrigen Autor des Phytotherapie-Fachbuches “Teedrogen”, das Sie im Buchshop anschauen und bestellen können.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch