Mit dem jahreszeitlich bedingten Lichtmangel kommen etwa zwei Prozent der Bevölkerung nicht zurecht. Gegen den Herbst- und Winterblues lässt sich aber aktiv etwas tun.
Wenn die dunkle Jahreszeit kommt, schlägt das manchen Menschen aufs Gemüt. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leidet Schätzungen zufolge jedes Jahr unter Winterdepressionen.
Wer davon betroffen ist, fühlt sich unausgeglichen, grundlos traurig und kommt morgens kaum aus dem Bett. Dennoch ist der saisonale Stimmungseinbruch bei Nebel und Nieselregen laut Medizinern kein Grund, sich die Decke über den Kopf zu ziehen oder sofort zur Chemiekeule zu greifen.
Ausgelöst wird die sogenannte «Saisonal Abhängige Depression» (SAD) hauptsächlich durch den Lichtmangel in der trüben und dunkleren Jahreszeit. Ohne Licht fährt der Organismus die Produktion des «Glückshormons» Serotonin herunter. Zudem steigt in der Dunkelheit der Melatonin-Spiegel, welcher normalerweise nachts den Schlaf steuert und uns daher müde und schlapp macht, wie der Facharzt für Psychotherapie und Professor an der Universität Leipzig, Hubertus Himmerich, erläutert.
Erwischt einen die Winterdepression, fühlen sich die Betroffenen nicht nur unausgeglichen und es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren. Häufig plagt die Winterdepressiven auch ein Heisshunger auf Süsses und fettige Speisen. Manche verlassen das Haus nur noch selten und vernachlässigen den Kontakt zu Freunden und Familie. Laut einer Forsa-Umfrage der deutschen Techniker Krankenkasse geben sechs von zehn Betroffenen an, dass sie bei trübem Wetter nur rausgehen, wenn es unbedingt nötig ist. Jeder Zweite setzt sich vor den Fernseher oder Computer, um sich von seinem Stimmungstief abzulenken.
Nicht in der Wohnung verkriechen
«Doch genau das ist falsch», erklärt Himmerich. Denn wenn das Stimmungstief zuschlägt, gibt es hauptsächlich ein Gegenmittel: Raus ans Tageslicht, um die Herstellung von Serotonin im Gehirn zu aktivieren. Wer sich jeden Tag ein bis zwei Stunden an der frischen Luft bewegt, könne seinen Seelenblues bereits wirksam angehen, sagt auch Professor Ulrich Voderholzer, der die Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg leitet.
Denn selbst an einem trüben Novembertag liege die Beleuchtungsstärke noch bei mindestens 1.000 Lux und damit deutlich über der Lichtintensität in geschlossenen Räumen. Künstliche Lichtquellen bringen es laut Voderholzer maximal auf 300 bis 500 Lux. Wer sich bewegt, vor allem joggt oder Fahrrad fährt, sorgt darüber hinaus für eine vermehrte Ausschüttung stimmungsaufhellender Hormone.
Sinnvoll bei Winterdepressionen ist auch eine Therapie mit speziellen Tageslichtlampen, die in ihrer spektralen Zusammensetzung dem natürlichen Sonnenlicht zumindest teilweise entsprechen. Lichtstärken von mindestens 2.500 Lux sollten die eingesetzten Geräte laut Prof. Himmerich dabei jedoch mindestens haben. Eine tägliche Lichtdusche von einer halben Stunde, möglichst am Morgen, sei optimal, erklärt der Mediziner.
Wichtig dabei ist: Damit der Impuls zur Steigerung der Serotonin-Produktion tatsächlich an das Gehirn weitergeleitet wird, muss das Licht der Geräte die Netzhaut des Auges erreichen. Bräunungslampen in Solarien, bei denen wegen der UV-Strahlen zum Schutz der Augen Brillen getragen werden müssen, zeigen Himmerich zufolge dagegen keine Wirkung.
Johanniskraut-Extrakte können Abhilfe schaffen
Ebenfalls empfehlenswert sind gemäss dem Mediziner natürliche Heilmittel wie Johanniskraut, dessen Pflanzenextrakte stimmungsaufhellend wirken. «Der Tee aus dem Supermarkt ist dabei aber nicht immer die richtige Wahl,» erläutert Himmerich. Sinnvoller sei, sich beispielsweise in der Apotheke individuell über die richtige und notwendige Dosis beraten zu lassen.
Die Einnahme von synthetischen Antidepressiva gilt beim winterlichen Stimmungstief dagegen nicht als «Therapie erster Wahl» – es sei denn, die Depressionen sind besonders schwer oder andere Massnahmen wie Lichttherapie und Sport bleiben ohne Wirkung, wie Voderholzer erklärt.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Winterdepression von anderen Depressionsformen durch zum Teil deutlich andere Symptome. So ist man Himmerich zufolge bei anderen Depressionen nicht nur antriebslos, sondern meist dauerhaft tieftraurig, leidet an Appetit- und Schlaflosigkeit. Und ausserdem: «Wenn die Sonne im Frühjahr wieder lacht, dürfte der Stimmungsumschwung anders als beim Winterblues dennoch ausbleiben».
Quelle:
http://www.20min.ch (ap)
Kommentar & Ergänzung: Johanniskraut
Die stimmungsaufhellende Wirkung einiger Johanniskraut-Extrakte ist so gut dokumentiert, dass sie von den Krankenkassen über die Grundversicherung bezahlt werden, wenn ein Arzt oder eine Ärztin sie verschreibt. Wirksame Johanniskraut-Präparate gibt es aber auch rezeptfrei in Apotheken. Drogerien verkaufen als Ersatz oft homöopathische oder spagyrische Johanniskraut-Produkte, bei denen allerdings jeder Nachweis einer Wirksamkeit fehlt.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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