Die Nationalsozialisten wollten der „verjudeten Schulmedizin“ die Homöopathie entgegensetzen. Eine Überprüfung der „neuen deutschen Heilkunde“ führte allerdings zu katastrophalen Resultaten – Homöopathen befänden sich in einer Dauerhypnose, resümierte zum Schluss der Studienleiter.
Dazu hier eine Text basierend auf einem Artikel aus dem „Spiegel“ mit anschliessendem Kommentar.
Zu Beginn waren die Nationalsozialisten noch euphorisch. Es solle der „größte Augenblick in der Geschichte der Homöopathie“ werden, verkündete ein Beteiligter stolz. Eine „neue deutsche Heilkunde“ statt der „verjudeten Schulmedizin“ – das war der Traum, den das Nazi-Regime mit Hilfe der Homöopathie realisieren wollte.
1937 startete das Reichsgesundheitsamt seinen Versuch, die Homöopathie „in denkbar größtem Stile“ zu überprüfen. Mehrere hundert Millionen Reichsmark sollten für die Homöopathie-Forschung zur Verfügung stehen. Mit dabei war der Arzt Fritz Donner, damals tätig am Stuttgarter Homöopathischen Krankenhaus. Donner war einer der wenigen Homöopathen, die ehrlich an einer wissenschaftlichen Überprüfung der Methode interessiert waren.
Homöopathie-Forschungen der Nazis
Beinahe 30 Jahre später, 1966, im Ruhestand, verfasste Donner für das Bundesgesundheitsamt einen Bericht über die Homöopathie-Forschungen der Nazis. Der „Donner-Report“, der erst 1995 publiziert wurde, gibt einen eindrucksvollen Einblick, zu welch „totalem Fiasko“ für die Homöopathie die Untersuchungen wurden.
„Vollkommen negativ“ verliefen beispielsweise die zahlreichen Arzneimittelprüfungen, mit denen die berühmten gleichnamigen Versuche Hahnemanns wiederholt werden sollten. Gesunde Versuchsteilnehmer erhielten dabei homöopathische Globuli verabreicht – und sollten dann, entsprechend dem homöopathischen Grundsatz „Gleiches mit Gleichem heilen“, genau jene Symptome entwickeln, die das Mittel bei Kranken angeblich bekämpfen kann.
Anders als sonst üblich wurden diese Prüfungen unter Aufsicht der Nazis aber mit einer Placebokontrolle durchgeführt, also der Kontrolle mit einem Scheinmedikament – und prompt stellten die Resultate die Basis der gesamten Homöopathie in Frage. „Während der Einnahme aus den Placebofläschchen bekamen unsere Prüfer reichlich Symptome, die bis zu 6 Seiten der Protokollhefte bei einigen füllten“, rapportierte Donner.
Ähnlich katastrophal fielen die Resultate der klinischen Prüfungen aus. Nicht selten behaupteten Ärzte damals beispielsweise, Gonorrhoe-Patienten durch Homöopathie geheilt zu haben. Doch nun erwies sich, dass die angeblich Geheilten in aller Regel doch weiter die gefährlichen Bakterien in ihren Harnröhrenabstrichen beherbergten.
Homöopathie als „Form der Psychotherapie“
Als der Leiter des Stuttgarter Homöopathischen Krankenhauses behauptete, dass die Therapie der Lungenentzündung ein „Glanzstück der Homöopathie“ sei und er „noch nie in seiner Praxis einen Fall verloren“ habe, wurde auch dies in einer kleinen Studie überprüft. Mehr als die Hälfte der homöopathisch behandelten Patienten starb allerdings dabei. Donner schrieb offensichtlich entsetzt: „Derartige Mortalitätsziffern hatte ich bis dahin noch nie erlebt.“
Speziell zermürbend auf die Homöopathen wirkte das trotz aller Misserfolge stets korrekte und kollegiale Auftreten der Beamten des Reichsgesundheitsamtes. Diese hatten ja eigentlich den Auftrag, die Wirksamkeit der Homöopathie positiv zu belegen – und taugten darum nicht als Feindbild. Geradezu panisch soll der Vorsitzende der homöopathischen Ärzte, Hanns Rabe, der als Spezialist für die homöopathische Therapie von Schilddrüsenstörungen galt, reagiert haben, als ihm vom Reichsgesundheitsamt mitgeteilt wurde, man wolle eine eigene Station für Schilddrüsenkranke einrichten. Ziel sei, „ein eindeutiges Bild“ über das zu bekommen, „was die Homöopathie hier tatsächlich kann“. „Wir können das doch gar nicht, was wir behaupten“, soll angeblich der verzweifelte Rabe dem verblüfften Donner gesagt haben. Möglicherweise sei die Homöopathie „gar keine pharmakotherapeutische Methode“, sondern eher eine „gewisse Form der Psychotherapie“, meinte er.
„Dauerhypnose“ der Homöopathen
Durch das „überaus subtile Eingehen auf die verschiedenen, zuweilen durchaus nebensächlichen Symptome der Kranken“ könnte „doch wohl eine Beeindruckung der Kranken erzielt werden“, hielt Rabe fest. Dies könnte, so Rabe, „dann von der psychischen Seite her uns noch unbekannte Heilwirkungsmechanismen in Gang bringen“.
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs verhinderte, dass sich diese Sicht der Homöopathie endgültig durchsetzte. Fritz Donner blieb trotz allem lebenslänglich Homöopath – war jedoch immer ein kritischer Außenseiter. Jene Homöopathen, die in ihrer Methode ein Glaubenssystem sehen, das nicht angezweifelt werden darf, befänden sich in einer „Dauerhypnose“, notierte er.
Seinen Report von 1966 verfasste Donner auch als Warnung für die Homöopathen – weil er erwartete, dass das Bundesgesundheitsamt die Untersuchungen der Nationalsozialisten wieder aufnehmen wolle.
Publiziert wurde der Report 1995 übrigens in der schulmedizinischen Zeitschrift „Perfusion“. Schon Donner hatte geklagt, der Hauptzweck der homöopathischen Zeitschriften sei eben nicht die Wissenschaft – sondern die „Propaganda für die Homöopathie“.
Quelle:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,706337,00.html
Der Bericht von Fritz Donner im Original findet sich hier
Kommentar & Ergänzung: Homöopathie-Forschung im Nationalsozialismus
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