Mit diesem Thema befasst sich die Boulevardzeitung „Krone“. Ein Beispiel für „Halbfalschheiten“ bzw. „Halbrichtigkeiten“, wie sie bei Medienberichten über Heilpflanzen nicht selten anzutreffen sind.
Die „Krone“ titelt: „Frauenleiden und die Pflanzen, die dagegen helfen“.
Und sie fährt fort:
„ Als Frau empfindet man die Einnahme von Medikamenten bei vielen Leiden oft als Belastung und macht sich Gedanken über die viele Chemie, die man einnimmt. Über pflanzliche Alternativen wissen wir leider oft nur ungenau oder nicht Bescheid und würden uns wünschen, einen Arzt zu haben, der darüber aufklärt und möglicherweise neben Medikamenten auch eine sanfte Therapie anbietet.“
Soweit einverstanden. Dann folgt ein Ausrutscher:
„ Sei es das Johanniskraut bei Depressionen oder Bärentraubenblätter bei einer Blasenentzündung – für jede Erkrankung kennen Forscher das passende Heilmittelchen.“
Die Angaben zum Johanniskraut und zur Bärentraube stimmen, aber dass die Forscher für jede Erkrankung das passende Heilmittelchen kennen, ist eine oft gehörte Übertreibung, die auch mit unzähligen Wiederholungen nicht wahrer wird. Das wäre allzu schön, um wahr zu sein. Und es wäre seriöser, auf solche Aufplusterungen zu verzichten.
Dann präsentiert die „Krone“ „ein paar typische Frauenleiden und Pflanzen, die dagegen helfen“.
Ich kommentiere die Empfehlungen nachstehend:
– „Blasenentzündung
Bärentraubenblätter als Tee oder Fertigarzneimittel
Johanniskraut als Tee, Tinktur oder Fertigarzneimittel“
Kommentar: Bärentraubenblätter sind bei akuter Blasenentzündung wirksam, für Johanniskraut allerdings fehlt jeder Beleg für eine Wirksamkeit bei Blasenentzündung. In der Phytotherapie-Fachliteratur taucht der Anwendungsbereich „Blasenentzündung“ beim Johanniskraut nicht auf. Das schliesst eine Wirksamkeit nicht aus, doch müssten solche aus dem Rahmen fallenden Empfehlungen detailliert begründet werden.
– „Brustschmerzen
Mönchspfeffer als Fertigarznei in Tropfen oder Tablettenform
Wolfstrappkraut als Fertigarznei in Tropfen oder Tablettenform.“
Kommentar: „Brustschmerzen“ ist als Indikation viel zu ungenau. Darunter könnte man zum Beispiel auch Angina pectoris verstehen. Im Zusammenhang mit dem Mönchspfeffer geht es um Brustspannen bei Prämenstruellem Syndrom (PMS). In diesem Bereich ist Mönchspfeffer als wirksame Heilpflanze anerkannt.
Dem Wolfstrappkraut hat die Kommission E als Indikation Mastodynie zugestanden, also schmerzhafte und geschwollene Brüste. Überzeugende Studien dazu fehlen allerdings. Da Wolfstrappkraut die Aktivität der Schilddrüse beeinflusst, ist seine Anwendung zudem nicht ganz unproblematisch.
– „Depression
Johanniskraut als Fertigarznei“
Kommentar: Korrekt. Leichte und mittelschwere Depressionen wäre genauer.
– „Harnwegsinfekt
Sägepalme als Fertigarznei in Tropfen oder Kapseln“
Kommentar: Unsinnig. Die Wirksamkeit gewissen Extrakte aus der Sägepalme ist gut dokumentiert bei gutartiger Prostatavergrösserung der älteren Männer. Allenfalls könnte die Sägepalme auch Beschwerden bei Reizblase der Frau lindern, doch ist dies nicht gesichert. Für eine Wirksamkeit bei Harnwegsinfekten gibt es in der Phytotherapie-Fachliteratur meines Wissens keine Hinweise. Die Begriffe „Harnwegsinfekt“ und „Blasenentzündung“ überschneiden sich zudem, was eher verwirrlich ist.
– „Klimakterische Beschwerden
Traubensilberkerze als Fertigarznei in Tropfen oder Tablettenform“
Kommentar: Okay, allerdings nicht im Frühklimakterium, sondern spezifisch bei Wallungen.
– „Prämenstruelles Syndrom
Mönchspfeffer als Fertigarznei in Tropfen oder Tablettenform
Johanniskraut als Fertigarznei“
Kommentar: Ja, Mönchspfeffer bei Prämentruellem Syndrom, vor allem wenn verbunden mit Brustspannen (Mastodynie). Überschneidung mit Punkt „Brustschmerzen“. Johanniskraut nur bei Prämenstruellem Syndrom Typ D, also mit depressiver Symptomatik.
– „Schlafstörungen
Passionsblume als Tee, Fertigarznei oder alkoholische Lösung“
Kommentar: Okay, mindestens so wirksam wären allerdings Kombinationen von Baldrian mit Hopfen.
– „Schmerzhafte Regelblutung
Gänsefingerkraut als Tee“
Kommentar: Gänsefingerkraut bei Menstruationsbeschwerden (Dysmenorrhoe) ist schlecht dokumentiert, kann Frau aber gut probieren.
– „Zyklusstörungen
Mönchspfeffer als Fertigarznei“
Kommentar: Zyklusstörungen als Indikation ist zu ungenau. Präziser wäre: Zyklusstörungen infolge Gelbkörperinsuffizienz.
Abschliessend: Ein unsorgfältiger, wirrer, fehlerhafter Artikel, der wieder einmal zeigt, wie wenig die Qualitätssicherung in diesem Bereich der Medien greift. Den Konsumentinnen und Konsumenten kann man nur raten, nicht einfach zu glauben, was auf Papier gedruckt oder im Internet veröffentlicht wird, sondern sich selber schlau zu machen.
Phytotherapie hat im Bereich Gynäkologie einiges zu bieten. Präzise Infos dazu zum Beispiel im Heilpflanzen-Seminar oder im Phytotherapie-Lehrgang.
Quellenangabe zum Krone-Artikel:
http://www.krone.at/Gesund-Fit/Frauenleiden_und_die_Pflanzen._die_dagegen_helfen-Kraeutermedizin-Story-212575, medical press (tönt doch seriös, oder?)
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch