Die Österreichische Apothekerzeitung publizierte vor kurzem einen Artikel von UNIV.-DOZ. DR. REINHARD LÄNGER unter dem Titel „Phytopharmaka in Neurologie und Psychiatrie“. Ein Thema war dabei die Wirksamkeit von Johanniskraut (Hypericum perforatum):
„Wertvolle Unterstützung bei der Interpretation der klinischen Datenlage zu Johanniskraut liefert ein aktueller Cochrane Review (Linde 2008): In dieser Metaanalyse wurden nur jene Studien berücksichtigt, in denen ausschließlich Patienten mit »Major Depression« eingeschlossen wurden. Die Auswertung umfasst 29 Studien mit 5.489 eingeschlossenen Patienten. Die Behandlung mit Trockenextrakten aus Johanniskraut war in Summe Placebo überlegen und gleich effektiv wie eine Therapie mit synthetischen Standard-Antidepressiva. In der langen Liste der klinischen Studien finden sich auch solche, die ein für Johanniskraut negatives Ergebnis erbrachten.
Fairerweise muss aber festgehalten werden, dass in der methodisch am besten durchgeführten Studie mit negativem Ausgang (Shelton et al. 2001) vor allem Patienten mit ausgeprägter, oft seit mehr als 10 Jahren anhaltender schwerer Depression eingeschlossen waren, die auch zum Teil bereits andere Therapieansätze ohne Erfolg abgebrochen haben. Leider fehlt in dieser Studie eine Vergleichsgruppe mit einem Standard Antidepressivum. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass auch etablierte Antidepressiva in dieser Studie schlecht abgeschnitten hätten.
Ein wesentlicher Parameter in der Behandlung von Depressionen ist der Langzeiteffekt, wie lange ein erneutes Auftreten einer depressiven Episode hinausgezögert werden kann. Nun liegen zu zwei Extrakten aus Johanniskraut auch Daten von Langzeitbeobachtungen vor. Johanniskraut verlängert die durchschnittliche Zeit bis zur nächsten depressiven Episode signifikant gegenüber Placebo, in einer Studie schnitt Hypericum diesbezüglich sogar signifikant besser ab als Citalopram.
Forschung zur Wirksamkeit
Die Forschung zur Wirksamkeit von Johanniskrautextrakten in anderen Indikationen liefert interessante Ergebnisse. Vielversprechende Pilotstudien zur Behandlung somatoformer Störungen, von Schizophrenie, beim prämenstruellen Syndrom und bei klimakterischen Beschwerden wurden jüngst publiziert. Zur Absicherung dieser Daten sind aber weiterführende pivotale Studien notwendig.“
Quelle:
http://www3.apoverlag.at/pdf/files/OAZ/OAZ-2010/OAZ-2010-06.pdf
Österreichischen Apotheker-Zeitung (Heft 6/2010, Seiten 345-346)
Kommentar & Ergänzung: Zur Wirksamkeit von Johanniskraut
Reinhard Länger liefert eine fundierte und differenzierte Bewertung der Wirksamkeit von Johanniskraut. Er ist Autor des Bewertungsberichts, auf dem die Europäische Monografie für Johanniskraut basiert, und damit ein ausgesprochener Kenner der Johanniskraut-Materie.
Interessant scheint mir vor allem der Hinweis auf die Langzeiteffekte im Sinne einer Rückfallprophylaxe, weil es sich hier um neuere Erkenntnisse handelt.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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