Wissenschaftler fanden in 50.000 Jahre altem Zahnstein Pflanzeninhaltsstoffe von Schafgarbe und Kamille. Was kann man daraus schliessen?
Ein internationales Wissenschaftlerteam um Karen Hardy von der Autonomen Universität Barcelona und der britischen Uni York untersuchte zehn Zähne aus fünf Neandertaler-Schädeln, die man 2009 in der El-Sidrón-Höhle im nordspanischen Asturien entdeckte.
Die Analysen der rund 50.000 Jahre alten Zähne und ihres Zahnsteins zeigten, dass die Neandertaler auch Kamille und Gemeine Schafgarbe zu sich nahmen, wobei Bestandteile dieser Heilkräuter allerdings nur in einem dieser Schädel gefunden wurde.
Im Zahnstein gespeichert entdeckten die Forscher zudem Hinweise auf Kumarin, Nüsse und grüne Gemüsesorten.
Kamille und Schafgarbe sind Heilpflanzen mit desinfizierender und entzündungshemmender Wirkung. Wegen ihres bitteren Geschmacks (vor allem bei der Schafgarbe) und ihrem niedrigen Brennwert dürften sie kaum als Nahrung gedient haben. Die Kräuter wurden wohl aus medizinischen Gründen verwendet, vermutet Ko-Autor und Studienleiter Antonio Rosas. Selbst eine äußerliche Anwendung der Kräuter kann sich der spanische Archäologe vorstellen. Das in der Kamille enthaltene Azulen besitzt zum Beispiel entzündungshemmend Wirkung.
Für Rosas hält zwar fest, dass Neandertaler „anders waren als wir Menschen“. Doch jede neue Entdeckung würde zugleich deren „Menschlichkeit“ mehr und mehr verdeutlichen. Inzwischen wisse man jedenfalls, dass auch Neandertaler ihre Kranken pflegten, Schmuck verwendeten, ihr Essen auf Feuer zubereiteten und ihre Toten begruben.
Quelle:
http://derStandard.at/1342139558143/Neandertaler-hatten-Kenntnisse-in-Kraeuterkunde
Abstract
Naturwissenschaften: Neanderthal medics? Evidence for food, cooking, and medicinal plants entrapped in dental calculus
http://www.springerlink.com/content/k38296n440584ngl/?MUD=MP
Kommentar & Ergänzung:
Das dürfte wohl eine der ältesten bekannt gewordenen Heilpflanzen-Anwendungen sein.
Interessant wäre es zu erfahren, mit welchen Vorstellungen und Erwartungen die Neandertaler Kamille und Schafgarbe nutzten.
Traditionelle Heilpflanzen-Anwendungen sind eigentlich nur zu verstehen, wenn man den kulturellen Kontext mit ein bezieht.
Einen Einblick in diese kulturgeschichtliche Basis der traditionellen Pflanzenheilkunde gibt das Tagesseminar
Die Heilkräfte der Pflanzen im Wandel der Zeit – Beiträge zur Ideengeschichte der Pflanzenheilkunde
Es geht in diesem Seminar um den historisch-philosophischen Kontext, in dem die traditionelle Pflanzenheilkunde im Verlaufe ihre Entwicklung entstanden ist.
Themen werden sein: Magische Medizin, Viersäftelehre, Klostermedizin (Hildegard von Bingen), Signaturenlehre (Paracelsus), Bachblüten-Therapie, Phytotherapie.
…über die Heilpflanzenkunde der Neandertaler ist der Kenntnisstand doch noch ein bisschen zu mager, um bereits Thema im Seminar zu sein.
Aber vielleicht könnte man ja – um auf keinen Fall einen Trend zu verpassen, schon mal die TNM® rechtlich schützen (Traditionelle Neandertal Medizin)?
Im Bericht hat es übrigens noch eine kleine Fehlinformation. Die Kamille enthält kein Azulen. Azulen kommt nur im ätherischen Kamillenöl vor, gibt diesem die tiefblaue Farbe und entsteht erst bei der Wasserdampfdestillation. Die Kamillenblüten enthalten eine Vorstufe, das Matricin.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch