Der „Spiegel“ publizierte im Juni eine informativen Beitrag zum Thema Johanniskraut & Depressionen.
Hier ein paar zentrale Aussagen als Zitat:
„Der Mechanismus der antidepressiven Wirkung des Johanniskrauts ist bis heute ungeklärt. ‚Es gibt mehr als nur einen aktiven Inhaltsstoff und es ist nicht völlig klar, welche Inhaltsstoffe die wichtigsten für welche Wirkung sind‘, sagt Edzard Ernst, Professor für Alternativmedizin in Exeter im Südwesten Englands.“
Als meistdiskutierte Inhaltsstoffe gelten Hypericin und Hyperforin, aber der Johanniskraut-Extrakt ist wirksamer als die isolierten Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin.
Johnniskraut hemmt laut Untersuchungen die Wiederaufnahme verschiedener Transmitter-Substanzen (Serotonin, Noradrenalin, Dpoamin) in den Synapsen. Aber es ist tatsächlich nicht eindeutig belegt, dass diese Vorgänge zentral sind für die Wirksamkeit von Johanniskraut-Extakten.
Und wie steht es mit der Studienlage?
„Die antidepressive Wirkung des Johanniskrauts wurde lange unterschätzt. 2009 untersuchte Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München in einer Meta-Analyse für die Cochrane Collaboration 29 Studien an insgesamt 5489 Depressionspatienten. Sein Fazit: Johanniskraut ist Standard-Antidepressiva ebenbürtig und zeigt weniger Nebenwirkungen. Zu den typischen zählen Kopfschmerzen, Unruhe, Müdigkeit und eine gesteigerte Lichtempfindlichkeit der Haut. Allerdings ist das Kraut nur bei leichten bis mittelschweren Depressionen hilfreich, bei schweren Fällen versagt es.“
Andere Studien zeigten auch eine Überlegenheit von Johanniskraut-Extrakt gegenüber Placebo.
„Doch gibt es bei all diesen Studien ein Problem: Es wurden verschiedene Johanniskraut-Präparate verglichen und auch noch in unterschiedlicher Dosierung. „Die Studien liefern nicht genug Daten, um unterschiedliche Extrakte miteinander vergleichen zu können oder eine optimale Dosierung mit ausreichender Sicherheit zu ermitteln“, resümiert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) daher.“
Das ist ein wichtiger Punkt: Die verschiedenen Johanniskraut-Extrakte unterscheiden sich in ihren Inhaltsstoffen. Ein positives Studienresultat gilt daher streng genommen nur für das untersuchte Präparat. Die einzelnen Johanniskraut-Präparate unterschieden sich höchstwahrscheinlich nicht nur bezüglich Wirksamkeit, sondern auch bezüglich allfälliger Interaktionen (Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten).
Belege für eine Wirksamkeit gibt es zudem nur für Johanniskraut-Extrakte, nicht aber für Johanniskrauttee und Johanniskrauttinktur. Vor allem bei der Johanniskrauttinktur ist meines Erachtens sehr fraglich, ob die Konzentration der Inhaltsstoffe ausreicht für eine Wirksamkeit. Bei 3 – 4 Tassen Johanniskrauttee pro Tag kann ich mir das eher vorstellen.
Beim Johanniskrauttee fehlen Studien, weil keine Firma Geld für die Forschung investiert, wenn sie das untersuchte Produkt nicht patientieren kann. Das gilt auch für Pflanzentinkturen nach den Vorschriften des Arzneibuchs.
Und Frischpflanzentinkturen nach den Vorschriften des homöopathischen Arzneibuchs (HAB) werden in der Regel bei den Arzneimittelbehörden als Homöopathika angemeldet. Da Homöopathika generell von Wirksamkeitsnachweis befreit sind, entfällt für die Hersteller die Motivation zur Bereitstellung von Forschungsgeldern. So bleiben als Träger der Johanniskraut-Forschung nur die Hersteller von Johanniskraut-Extrakten, die verpflichtet sind, die Wirksamkeit ihrer Präparate in Studien nachzuweisen.
Quelle der Zitate:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/johanniskraut-pflanzliches-mittel-hilft-gegen-depressionen-a-823206.html
Hier gibt’s eine Zusammenstellung einiger Johanniskraut-Texte aus diesem Blog.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch