Gigantisch, wie bereits der lateinische Name der Pflanze Solidago gigantea beschreibt, präsentiert sich das Riesengoldrutenkraut in charakteristischer Blüte im Auenwald und an heimischen Uferrändern. (Foto auf Wikipedia).
Die Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) wird bis über zwei Meter hoch.
Das Auftreten in dichten Beständen und der typische gelbe Blütenstand in Form einer pyramidenförmigen Rispe machen das Riesengoldrutenkraut unübersehbar. Die ursprüngliche Heimat von Solidago gigantea liegt in Nordamerika. Als Neophyt hat das Riesengoldrutenkraut erst spät Beachtung als Heilpflanze gefunden.
Ursprünglich war die Riesengoldrute im Heilpflanzenhandel als Verfälschung der einheimischen Echten Goldrute (Solidago virgaurea) verpönt und wurde erst im Laufe der Zeit als Ersatz dieser Art anerkannt. Der höhere Gehalt an Flavonoiden und Saponinen im Riesengoldrutenkraut wurde als Rechtfertigung zur Verwendung als Arzneipflanze herangezogen.
Goldruten-Extrakte fördern Aktivität der Glutathion-STransferasen (GST)
Als Hauptinhaltsstoffe im Riesengoldrutenkraut wurden bis zu 3,8 % Flavonoide als Quercetin, Kämpferol und Isorhamnetin und deren Abkömmlinge nachgewiesen. Triterpensaponine um die 10 % stellen die zweite Wirkstoffgruppe der Riesengoldrute dar. Ausserdem sind ätherisches Öl und Phenolkarbonsäuren wie Kaffee-, Ferula- oder Salizylsäure gefunden worden.
Extrakte der Goldrute fördern die Aktivität der Glutathion-STransferasen (GST), die eine entscheidende Rolle in der Entgiftung des menschlichen Organismus darstellen.
Sie fördern die Umwandlung von gewebsschädigenden Stoffen in hydrophile Metaboliten, die dann via Nieren und Harnwege ausgeschieden werden können. Diese Enzymaktivierung regt den körpereigenen Schutz gegen toxische und mutagene Effekte an. Mittels alkoholischer, flavonoidreicher Extrakte aus Solidago canadensis ( = Kanadische Goldrute) konnte diese Wirkung in vitro ( = im Reagenzglas) nachgewiesen werden. Auch die entzündungswidrige und gewebsschützende Wirkung von Extrakten aus der Riesengoldrute wurde getestet. Verglichen mit Diclofenac zeigte der hochkonzentrierte Extrakt die gleiche Wirkung.
Die Anwendung des Goldrutenkrauts setzt die Erhöhung der Harnmenge voraus. Goldrute kommt als Teezubereitung bei entzündlichen Erkrankungen der Blase und der ableitenden Harnwege, bei Nierengrieß und zur vorbeugenden Behandlung bei Harnsteinen zur Anwendung. Die gesteigerte Durchspülung der Niere und der Harnwege hemmt pathogene Keime.
In der Volksmedizin ist das Riesengoldrutenkraut und auch das Echte Goldrutenkraut als krampflösend und entzündungshemmend bekannt. Die krampflösende Wirkung ist beim Riesengoldrutenkraut etwas geringer als beim echten Goldrutenkraut.
Volksheilkundliche Anwendungen des Goldrutentees finden sich bei Rheuma und bei Gicht. Zudem wird ein abgekühlter Teeaufguss als Spülung zur unterstützenden Behandlung entzündeter Hautbereiche und bei Zahnfleischproblemen empfohlen.
Quelle:
Pharmaceutical Tribune Nr. 17/2011
https://www.pharmaceutical-tribune.at/dynasite.cfm?dsmid=110366&dspaid=954740
Kommentar & Ergänzung:
Goldrutenkraut gilt als Mittel zur Steigerung der Harnausscheidung, genauer: der Wasserausscheidung (Aquaretikum).
Das interessanteste Ergebnis aus der Goldruten-Forschung ist die Förderung der Aktivität der Glutathion-STransferasen (GST) mit der damit möglicherweise verbundenen Verbesserung der Entgiftungsfunktion.
Allerdings muss dabei beachtet werden, dass es sich dabei um Laboruntersuchungen im Reagenzglas handelt.
Ob diese Effekte in klinisch relevanter Art und Weise auch im menschlichen Organismus auftreten, ist ungeklärt. Es ist ein häufig gemachter Interpretationsfehler, vorschnell von Laborergebnissen auf Wirkungen im Menschen zu schliessen.
Zu erwähnen ist noch, dass die Riesengoldrute und die Kanadische Goldrute als Neophyten an vielen Standorten problematisch sind, andererseits aber noch im Spätsommer vielen Insekten als ergiebige Nahrungsquelle dienen.
Was sind Neophyten?
Neophyten sind Pflanzenarten, die (in)direkt durch Menschen in Gebiete eingeführt werden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Als Neophyten werden Pflanzen bezeichnet, die erst seit der Entdeckung Amerikas (1492) bei uns vorkommen. Der Ausdruck „Neophyten“ bedeutet wörtlich «neue Pflanzen». Diese gebietsfremden Pflanzen sind zum grösstenteils harmlos (bspw. die Rosskastanie oder das Kleine Springkraut). Einige der neuen Pflanzen verhalten sich allerdings invasiv: Sie verwildern, breiten sich stark aus und verdrängen dabei die einheimische Pflanzenwelt. Bestimmte Neophyten sind sogar gefährlich für unsere Gesundheit, zum Beispiel Ambrosia (Allergien), Riesen-Bärenklau (Hautentzündungen durch Photosensibilisierung), andere können Bachufer destabilisieren oder Bauten schädigen. Solche Problempflanzen bezeichnet man als invasive Neophyten. Gegenwärtig gelten in der Schweiz 24 Pflanzenarten als nachweislich schädliche invasive Neophyten und 22 Arten als potentiell schädliche invasive Neophyten.
Die Kanadische Goldrute und die Riesen-Goldrute können durch Eindringen in schützenswerte Pflanzenbestände die natürliche Artenzusammensetzung stören. So werden vor allem Licht liebende Pflanzenarten durch die dichten Goldrutenbestände verdrängt.
Weitere invasive Neophyten:
Drüsiges Springkraut, Riesen-Bärenklau, Ambrosia, Japanischer Staudenknöterich, Essigbaum, Sommerflieder, Robinie, Kirschlorbeer, Götterbaum, Riesenaronstab.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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