Leberentgiftung und Leberreinigung sind Begriffe, die in Naturheilkunde und Alternativmedizin häufig anzutreffen sind. Und es sind fragwürdige Begriffe, auf die man besser verzichten würde.
Zum Thema „Leberentgiftung“ hat sich kürzlich der Gastroenterologe Prof. Claus Niederau von den Katholischen Kliniken Oberhausen geäussert:
„Wer……glaubt, seine Leber selbst ‚entgiften’ zu können, liegt falsch. Produkte mit dem Wirkstoff der Mariendistel beispielsweise haben Niederau zufolge nur unter ganz bestimmten Bedingungen eine Wirkung: ‚Bei Patienten, denen hochkonzentrierte Distellösung intravenös gespritzt wurde, hat man eine Besserung beobachtet’, so der Arzt. Für Tabletten und Pulver zum Einnehmen hingegen sei eine Wirkung nicht belegt. ‚Man kann seine Leber nicht entgiften’, sagt Niederau. Sie könne sich häufig regenerieren, wenn schädigende Einflüsse wie Alkohol und fettes Essen weggelassen werden.“
Quelle:
http://lifestyle.t-online.de/kann-man-die-leber-entgiften-/id_43588420/index
Kommentar & Ergänzung:
Ich teile die Überzeugung, dass man seine Leber nicht entgiften kann. Leberentgiftung und Leberreinigung sind Wischi-Waschi-Begriffe, bei denen völlig unklar bleibt, was denn genau auf welchem Weg entgiftet werden soll.
Allerdings muss ich die Mariendistel etwas in Schutz nehmen. Wer seriös mit Heilpflanzen arbeitet, wird bei Mariendistel nicht von Leberentgiftung oder Leberreinigung sprechen. Für eine solche Wirkung gibt es keinerlei fundierte Hinweise.
Pharmakologische und klinische Daten sprechen für einen gewissen Leberschutzeffekt und bei chronischen Lebererkrankungen für eine Verbesserung der Leberfunktion:
Das Flavonoid-Gemisch Silymarin stimuliert die nucleoläre Polymerase I, wodurch die Synthesegeschwindigkeit ribosomaler Ribonukleinsäuren erhöht und damit Zellregenerationsprozesse beschleunigt werden. Dadurch ist auch ein kurativer Effekt möglich.
Am wirksamsten ist Mariendistel tatsächlich intravenös als Infusion, wobei der isolierte Wirkstoff Silibinin verwendet wird, zum Beispiel zwecks Leberschutz bei Knollenblätterpilzvergiftungen.
Bei der peroralen Anwendung gibt es für die Indikation „chronische Leberschäden“ (bspw. durch Alkoholkonsum) durchaus auch positive klinische Studien. Dass „Tabletten und Pulver zum Einnehmen“ in ihrer Wirkung unbelegt sind, würde ich also so generell nicht unterschreiben. Es kommt allerdings sehr auf die konkrete Anwendungsform an. Bei peroraler Anwendung (also zum Einnehmen) ist eine gewisse Wirksamkeit nur zu erwarten bei Anwendung von isoliertem Silymarin oder von hochkonzentrierten Mariendistelextrakten, die auf Silymarin standardisiert sind. Die Phytotherapie-Fachliteratur fordert 200 – 400 mg Silymarin als Tagesdosis. Diese Menge ist nur mit isoliertem Silymarin und allenfalls mit hochkonzentrierten Extrakten erreichbar. Nicht sinnvoll ist Mariendisteltee, weil Silymarin schlecht wasserlöslich ist. Und bei Mariendisteltinktur dürfte die zugeführte Menge an Silymarin sehr deutlich zu klein bleiben.
Ein grosser Vorteil von Silymarin bzw. Mariendistelextrakt ist die ausgesprochen gute Verträglichkeit.
Doch zurück zur Leberentgiftung.
Im Internet werden zur Leberentgiftung zu Hunderten Vitamine, homöopathische Globuli, Schüssler-Salze, Heilkräuter, Leberwickel und vieles mehr angeboten.
Es spricht sehr viel dafür, dass dieser ganze Entgiftungsmarkt unsinnig, überflüssig und unwirksam ist. Was bleibt, wenn es um die Gesunderhaltung der Leber geht, ist ganz simpel ein leberfreundlicher Lebensstil. Und das heisst: Alkohol nur sehr massvoll, kein Medikamentenmissbrauch, Fettanteil in der Ernährung in Grenzen halten, allenfalls Impfung gegen Hepatitisviren bei entsprechenden Risiken.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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