Tramadol (Tramal®) ist ein schmerzlindernder Wirkstoff aus der Gruppe der Opioide zur Therapie von mittelstarken bis starken Schmerzen verschiedener Ursache. Nach neuesten Erkenntnissen wird das vermeintlich nur synthetisch hergestellte Schmerzmittel auch in der Natur gebildet.
Ein Wissenschaftlerteam um Michel De Waard und Ahcène Boumendjel am Institut für Neurowissenschaften in Grenoble hat entdeckt, dass Tramadol in großen Mengen in einer afrikanischen Heilpflanze vorkommt. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden nun im Fachjournal «Angewandte Chemie» publiziert. Die französisch-kamerunische Forschergruppe konnten das Vorhandensein von Tramadol in der Wurzelrinde von Nauclea latifolia belegen. Die Tramadol-Konzentration in Extrakten aus getrockneter Rinde lag zwischen 0,4 und 3,9 Prozent. Aus 1 Kilogramm getrockneter Wurzelrinde des Baums konnte bis zu 10 Gramm Tramadol extrahiert werden.
In den oberen Pflanzenteilen konnte das Molekül nicht nachgewiesen werden.
Tramadol wurde in den 1970er-Jahren von der Pharmafirma Grünenthal entwickelt und unter dem Präparatenamen Tramal® in den Handel gebracht. Nach Angaben der französischen Wissenschaftler ist dies das erste Mal, dass ein vollsynthetisch hergestellter Wirkstoff in so hoher Konzentration in einer natürlichen Quelle entdeckt wurde. Zur Bestätigung testeten die Forscher mit verschiedenen Verfahren die Echtheit des natürlichen Ursprungs. Drei unabhängige Labors kamen zudem zu identischen Resultaten. Um die Möglichkeit einer unbeabsichtigten Verunreinigung der Proben durch synthetisches Tramadol auszuschließen, entnahmen die Wissenschaftler frisches Material aus dem Inneren der Wurzeln und konnten auch hier das Vorhandensein des Wirkstoffs bestätigen.
Nauclea latifolia zählt zur Familie der Rubiaceen (Rötegewächse) und wird in Afrika auch als Pin Cushion Tree bezeichnet. Die immergrüne Pflanze ist in der Sub-Sahara weit verbreitet und wird hauptsächlich in Kamerun in der traditionellen Medizin als Heilpflanze angewendet, beispielsweise bei Epilepsie, Fieber, Malaria und nicht zuletzt bei Schmerzen. Da in Afrika bis zu zehn verschiedene Arten dieses Strauchs bekannt sind, wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, in welchen Gattungen sich das Analgetikum Tramadol noch finden lässt.
Quelle:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=nachrichten&Nachricht_ID=49048&Nachricht_Title=Nachrichten_Nat%FCrliches+Tramadol+entdeckt&type=0
http://www.scienceticker.info/2013/09/18/baum-produziert-synthetisches-schmerzmittel/
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201305697/abstract;jsessionid=7F6F7BE28229A363A9F6A9574BADB516.f04t03
Kommentar & Ergänzung:
Tramal® und seine Generika sind als Schmerzmittel sehr bedeutend. Als Opioide gehören sie zur Abgabekategorie A (verschärft rezepturpflichtig).
Es ist schon sehr speziell, dass ein Wirkstoff zuerst synthetisch entwickelt wurde und erst viele Jahre später in der Natur entdeckt wird. Meistens läuft es ja umgekehrt: Ein Wirkstoff wird in der Pflanzenwelt gefunden und später im Labor synthetisiert.
Wer sich aufgrund dieser Forschungen nun vorstellt, man könne Tramadol einfach durch einen Kräutertee oder einen Extrakt aus der Wurzelrinde von Nauclea latifolia ersetzen, macht es sich aber wohl zu einfach, weil dieser Wirkstoff nicht harmlos ist.
Zwar gilt das Risiko für die Entwicklung einer Atemdepression oder einer Abhängigkeit bei der Anwendung von Tramadol als gering. Tramadol kann jedoch Entzugssymptome auslösen und als Rauschmittel missbraucht werden.
Der Wirkstoff hat wegen seiner Biotransformation über die Enzymsysteme CYP3A4 und CYP2D6 ein hohes Potential für Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Zu den häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Erbrechen, Verstopfung, Mundtrockenheit, Schwitzen und Erschöpfung.
Bei Wirkstoffen mit solchen Risiken ist es in der Regel sicherer, wenn sie isoliert angewendet werden, weil sie sich dann genauer dosieren lassen.
Ergänzung Oktober 2014: Doch kein Tramadol aus Pflanzenproduktion
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisseä
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch